Wo ist ihr Platz?
Hintergrund CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer arbeitet zwar in Berlin, jetzt auch als Verteidigungsministerin. Richtig angekommen in dieser Welt ist sie noch nicht. Am kritischsten wird sie in den eigenen Reihen beäugt
Berlin Dass es schwer werden würde mit der Doppelbelastung, das war klar. Sieben Wochen ist Annegret Kramp-Karrenbauer nicht mehr nur CDU-Vorsitzende, sondern auch Verteidigungsministerin. Es ist noch zu früh für eine Bilanz, dafür wurde mit gutem Grund einmal die 100-Tage-Frist eingeführt. Auffallend ist aber jetzt schon, dass die 57-Jährige nicht so richtig in den Tritt kommt. Ihren Platz in Berlin hat die Saarländerin, so scheint es, noch nicht gefunden.
Politik hat viel mehr mit Inszenierung zu tun als früher. Als Bühnen dienen unter anderem die mal mehr, mal weniger prächtig gebauten Vertretungen der Bundesländer in Berlin. Unter den Prachtbauten ragt die Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen hervor. Die „Botschaft des Westens“ist eine markante architektonische Leistung mit großem Garten. Sie wird gerade von der CDU verwaltet, die in NRW regiert.
Hausherr ist Mark Speich, „Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes NordrheinWestfalen“. Er ist ein blitzgescheiter, feinsinniger Mann. Er kann von seinem Büro auf den wunderschönen Garten der japanischen Botschaft nebenan schauen, vor allem hat er für seinen Chef, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die bundespolitische Lage genau im Blick. Zusammen haben sie ein Netz feiner Antennen, und hier kommt die Inszenierung ins Spiel.
Einmal im Jahr lädt die Landesvertretung zum Sommerfest. Die Einladungen sind heiß begehrt, mit dem Weinglas in der Hand wird Politik gemacht, werden Geschäfte angebahnt, Kontakte aufgefrischt. Das Sommerfest hat diesmal VolksfestCharakter, musikalischer Höhepunkt ist die Kultband „De Höhner“. Sehen, gesehen werden, da kommt schon den Begrüßungsansprachen von Laschet und Speich einige Bedeutung zu. Beide erwähnen die anwesenden Botschafter („Exzellenzen“), viele andere Gäste, Laschet freut sich auf Kanzlerin Angela Merkel, die später erwartet wird. Annegret Kramp-Karrenbauer erwähnen er und Speich nicht.
Mindestens die Höflichkeit würde es gebieten, die Parteivorsitzende auch kurz zu nennen. AKK wird zwar später noch gesichtet, aber die wirkungsvolle Inszenierung bleibt
verwehrt. Das liegt auch daran, dass viele hier die neue CDU-Vorsitzende nicht richtig ernst nehmen. Die einen trauern Angela Merkel nach, die anderen hätten sich Friedrich Merz gewünscht. Sie nehmen es Kramp-Karrenbauer übel, dass sie entgegen ihrer Ankündigung doch noch ins Kabinett gegangen ist und sich mit der Bundeswehr eine Reformbaustelle aufgeladen hat, die notwendige Arbeiten am Parteigerüst in den Hintergrund treten lässt.
Für Kramp-Karrenbauer ist die Landesvertretung ein bisschen wie Feindesland. Hartnäckig hält sich die Spekulation, Armin Laschet werde sich als Kanzlerkandidat bewerben und der Parteichefin damit Konkurrenz machen. Den Segen seiner Mitglieder hat er. „Klar kann der Armin Kanzler“, sagt eine mit viel Schmuck behängte Besucherin des Sommerfestes, während sie mit glänzenden Augen verfolgt, wie sich Laschet, heute ohne Krawatte, den Weg durch die Menge bahnt.
Aber selbst wenn AKK im Mittelpunkt steht, zündet sie nicht, wie sich ein paar Stunden vorher zeigt. Schauplatz ist diesmal die „Axica Sky Lobby“unweit des Brandenburger Tores. Der Blick schweift über das Reichstagsgebäude, in der Ferne gleiten Jets auf den Flughafen Tegel zu. Die Szenerie hat was von Sehnsucht, zugleich bildet sie eine gewisse Ordnung ab – alles hat seinen Platz, alles ein Ziel. Von der Politik in Berlin kann man das mit dieser Bestimmtheit nicht sagen.
Die Neuvorstellung eines Buches mit dem Titel „Soziale Marktwirtschaft ökologisch erneuern“der Konrad-Adenauer-Stiftung hier kommt da eigentlich gerade recht. Schließlich ist das zurzeit eine der zentralen Fragen für die CDU: Wie gebe ich dem Vermächtnis von Ludwig Erhard einen frischen grünen Anstrich, ohne die Grundkonstruktion völlig zu übertünchen? Maßgeblichen Anteil an dieser Neudefinition müsste die Parteivorsitzende haben. Annegret Kramp-Karrenbauer aber stellt in einem „Impulsreferat“lediglich viele Fragen und bleibt Antworten schuldig.
Die Parteivorsitzende, der wenige Tage zuvor im terview schon nicht viel eingefallen ist, holt für ihre Betrachtung der Gegenwart 70 Jahre weit aus. Sie erinnert an die 1949 vorgestellten „Düsseldorfer Leitsätze“, die erste wirtschaftliche Vorstellungen der Partei beschrieben, und an das nicht minder antike erste CDU-Grundsatzprogramm von 1978. Ein Gast und prominentes CDU-Mitglied merkt später an, dass es nicht ihre Sache sei, „zack, zack, mal eben ein paar Zukunftsszenarien an die Wand zu werfen.“
In der Tat bringt AKK sogar den adretten Klaus Töpfer zum Gähnen. Töpfer war mal Bundesumweltminister, er war Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, er ist so etwas wie der erste CDU-Öko. Als Umweltgesicht genießt er in den eigenen Reihen nahezu Kultstatus und könnte ein guter Multiplikator für Kramp-Karrenbauers Klimaschutz-Ideen sein. Wenn es denn an diesem Nachmittag welche gäbe.
An einer Stelle wird AKK leidlich konkreter. Da geht es um die Frage der CO2-Bepreisung. Sie sagt, alle bisherigen Überlegungen in der Union gingen „in die Richtung Zertifikatehandel“. Dabei ist längst klar, dass CDU und CSU dies so wollen. Die Verteidigungsministerin fragt noch, was smarte, mit dem Internet verbundene Waschmaschinen taugen. Diese Maschinen könne man nachts laufen lassen, da sei der Strom billiger, das sei gut, sagt AKK. Die neue Technologie werfe aber auch die Frage auf, was das mit dem Datenschutz mache. Und aus dem Publikum möchte man ihr da zurufen: Ja, was denn, bitte schön?
Kramp-Karrenbauer dringt zwar selber auf Antworten. In der deutschen Klima-Debatte sei man so weit, dass man „kein Erkenntnisproblem“mehr habe. „Aber wir sind jetzt an einem Punkt in der politischen Debatte, dass man jetzt überlegen muss, was man umsetzen will“, sagt sie, hat aber vielleicht für den Augenblick nicht im Kopf, dass eine derartige Ansage von ihr kommen müsste. Von der Vorsitzenden der CDU Deutschlands.
Nach ihrem Vortrag setzt sich AKK auf ihren Platz, verschiedene
Schon seit November ruht ihr Blog
Experten sind jetzt an der Reihe. Sie ist zwar im Raum, schaut aber die meiste Zeit auf ihr Smartphone. Vielleicht tauscht sie sich mit ihrem Ministerium aus, vielleicht auch mit der Parteizentrale.
Die wirkt gerade, auch darüber können sich viele Mitglieder aufregen, etwas verwaist. Kramp-Karrenbauer hat den stellvertretenden Bundesgeschäftsführer Nico Lange sowie weitere Vertraute in den Bendlerblock geholt. Der angekündigte Umbau des Konrad-Adenauer-Hauses stockt. Mit Isabelle Fischer ist gerade eine zweite VizeParteisprecherin ernannt worden, sie hat interessanterweise früher für Armin Laschet gearbeitet.
Auf der CDU-Homepage ist der Blog von Kramp-Karrenbauer lange nicht mehr befüllt worden. Sie will dort über Dinge schreiben, „die mir am Herzen liegen“. Der letzte Eintrag ist von Ende November. Liegt ihr gerade nichts am Herzen? Wahrscheinlicher ist aber, dass dies eine weitere Baustelle ist, für die sie nicht genug Zeit hat. Vielleicht ist das die Antwort. Vielleicht hat AnnegretKramp Karrenbauer ihren Platz noch nicht gefunden, weil überall so viele Dinge rumliegen.