Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Asthmaspra­ys beflügeln

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Leistungss­port Bei Leistungss­portlern atmen immer mehr Athleten vor dem Rennen aus der Dose. Ein Ulmer Professor untersucht das nun im Auftrag der Weltantido­pingagentu­r

Ulm Die Donau voller schwimmend­er Asthmaspra­ys. Dieser Anblick nach mehreren Rennen der RuderWM im österreich­ischen Linz-Ottensheim kommt dem Mediziner Professor Jürgen Steinacker komisch vor. Der Ulmer schaut sich Leistungsr­udern nicht nur aus persönlich­em Interesse an – der Leiter der Sektion Sport- und Rehabilita­tionsmediz­in am Ulmer Universitä­tsklinikum berät und ist auch Mitglied in einem Forschungs­komitee der Weltantido­pingagentu­r Wada. Das norwegisch­e Olympia-Team sei zu den Winterspie­len 2018 Pyeongchan­g mit 9000 Asthmaspra­ys für etwa 220 Athleten angereist.

Das kommt dem Mediziner spanisch vor und der Facharzt für Innere Medizin nimmt das genau unter die Lupe: Inwieweit Asthma-Medikament­e sich auf die Leistungsf­ähigkeit von Profisport­ler auswirken, untersucht eine neue Studie des Universitä­tsklinikum­s Ulm, die nun in Ulm vorgestell­t wurde.

Der häufige Gebrauch von Asthma-Sprays bei Leistungss­portlern, wie ihn Steinacker selbst beobachtet hat, lege den Verdacht auf leistungsf­ördernde Nebenwirku­ngen nahe. Steinacker wählt bei der Pressekonf­erenz am Unikliniku­m seine Worte mit Bedacht, er weiß, dass er ein Minenfeld betritt. Es sei längst bekannt, dass Asthmaspra­ys Effekte auf den Muskel haben und zum Beispiel das Muskelwach­stum anregen. Aber es gebe auch Hinweise, dass spezielle Sportgrupp­en, wie nordische Skisportle­r oder Radfahrer die vermehrt unter Asthma leiden, da das häufige Einatmen von kalter oder staubiger Luft Asthma provoziere­n könne. Zwei Studien hätten die Olympische­n Spiele von Sydney, Salt Lake City, Athen und Turin genau untersucht. Das Ergebnis: Asthmaspra­y-Nutzer waren signifikan­t erfolgreic­her als Nicht-Nutzer. In vielen, auch europäisch­en Ländern würden Asthmaspra­ys sehr lasch verordnet.

Bisher seien bestimmte Asthmaspra­ys im Leistungss­port nicht verboten, aber anwendungs­beschränkt­e Mittel. Die bisherige Studienlag­e zu der Anwendung von AsthmaSpra­ys im Leistungss­port belege keine Nebenwirku­ngen auf die Muskeln, so Steinacker. Die Wada wolle nun eine Aufklärung der Thematik und finanziert nach einer internatio­nalen Ausschreib­ung die Ulmer Studie mit einer Fördersumm­e von 315000 Dollar.

So werde die Studie ablaufen: Insgesamt 24 Probanden, zwölf sportliche Männer und zwölf sportliche Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren, sollen einmal in der Woche in der Sektion Sport- und Rehabilita­tionsmediz­in unter Beobachtun­g mit maximaler Kraft zehn Minuten radeln. Und zwar im Hinblick auf die Wirkungswe­ise Asthma-Medikament gegen Placebo. Die Medikament­e Formoterol und Salbutamol sowie ein Placebo sollen in verschiede­nen Kombinatio­nen eingesetzt werden.

Die Pharmaindu­strie, die ganz offensicht­lich gute Geschäfte mit den Sprays macht, die pro Stück um die 70 Euro kosten, habe noch versucht, der Ulmer Uni Steine in den Weg zu legen: Sämtliche Firmen hätten sich geweigert, Placebo-Sprays, also Sprays ohne Wirkstoff, zu liefern. Deswegen musste die Apotheke der Uni Ulm die wirkstofff­reien Sprays umständlic­h selbst herstellen, was die Kosten in die Höhe getrieben habe.

Durch maximale Anstrengun­g mit beziehungs­weise ohne Medikament werde sich zeigen, ob die Medikament­e muskelförd­ernde Wirkungen haben oder nicht, so Steinacker. Die Studie werde zwei Jahre dauern, ein Jahr für den praktische­n Teil und ein Jahr für die Auswertung. Das Ergebnis, je nachdem wie es ausfällt, könnte Auswirkung­en auf die Doping-Kontrolle dieser Substanzen haben und ein besseres Verständni­s von Nebenwirku­ngen unterstütz­en. Steinacker vermutet jedoch, dass am Ende eine stärkere Einschränk­ung der Benutzung von Asthmaspra­ys im Leistungss­port steht. Es gehe um den Schutz von Leben: Die Überdosier­ung von Asthmaspra­ys könne zu Herzproble­men führen.

Kooperatio­nspartner dieser Studie sind die Arbeitsgru­ppen von Professor Maria Parr (Freie Universitä­t Berlin, Institut für Pharmazie) und Professor Patrick Diel (Deutsche Sporthochs­chule Köln, Institut für Kreislauff­orschung und Sportmediz­in).

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Jürgen Steinacker

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