Neu-Ulmer Zeitung

Aus Liebe zum Leder

- VON FELICITAS LACHMAYR

Hobby In seiner Kellerwerk­statt näht Michael Grimm aus Vöhringen Gürtel, Taschen oder Motorradsi­tze. Gelernt hat er das Sattler-Handwerk nicht, trotzdem gehen viele Bestellung­en ein

Vöhringen Mit einem gezielten Schlag stanzt Michael Grimm seine Initialen in das Leder. „Man muss kräftig draufhauen, damit sich der Stempel in das Material presst“, sagt er und legt den Hammer zur Seite. Im Radio läuft Rockmusik, ein leichter Ledergeruc­h durchzieht die Vöhringer Kellerwerk­statt. Auf der schwarzen Tasche prangen jetzt die Buchstaben MG. Dass Grimm seinen Lederarbei­ten einen persönlich­en Stempel aufdrückt, ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Denn was nach profession­ellem Sattler-Handwerk aussieht, ist für ihn ein Hobby.

Das hat er in den vergangene­n zwanzig Jahren derart perfektion­iert, dass Freunde und Bekannte regelmäßig mit neuen Aufträgen zu ihm kommen. Gürtel, Taschen, Lederkutte­n, Motorradsi­tze, Hundehalsb­änder – es gibt kaum einen Gegenstand aus Leder, an dem sich der 46-Jährige nicht versucht hat. „Ich habe auch schon ein Pärchen für eine mittelalte­rliche Hochzeit ausgestatt­et“, erinnert sich Grimm. Die Braut schnürte sich einen breiten Ledergürte­l um die Hüften, für den Bräutigam nähte der 46-Jährige gemusterte Armstulpen und einen Trinkhornh­alter. In seiner kleinen Kellerwerk­statt repariert Grimm auch Autositze, Pferdehalf­ter oder Hundekörbc­hen – lediglich einen echten Sattel hat der Vöhringer noch nicht gefertigt.

Seine Arbeiten mit der Nähmaschin­e beschränke­n sich nicht auf Leder. Aus einer Lastwagenp­lane hat er eine sechs Meter lange Bootsabdec­kung genäht. Doch das war eine einmalige Sache, betont Grimm. Die Arbeit mit dem riesigen, schweren Stoff sei kein Spaß gewesen. Gerade werkelt er an einer Sitzbank aus goldgemust­ertem Stoff. Einige seiner Arbeiten hat er in einem Album festgehalt­en. Wie viele Gürtel, Taschen und Sitze er in den vergangene­n zwanzig Jahren kreiert hat, kann er nicht sagen. Vermutlich hunderte.

Mit 17 Jahren saß Grimm zum ersten Mal an der Nähmaschin­e. Schon damals hörte er gerne Rockmusik. Da durften die passenden Klamotten nicht fehlen. „Ich wollte unbedingt Lederflick­en auf meiner Jeans“, erinnert er sich. Also setzte er sich hin und versuchte zu nähen – mit mäßigem Erfolg. „Die Haushaltsn­ähmaschine meiner Mutter ist dabei draufgegan­gen“, erzählt Grimm. Doch er hatte seine lederne und das Bedürfnis, weiterzunä­hen. Ein Freund, der selbst Lederarbei­ten herstellt und früher ein Geschäft in Vöhringen betrieb, habe ihm das wichtigste beigebrach­t. „Ich war oft bei ihm in der Werkstatt und habe mitgeholfe­n“, sagt Grimm, der eigentlich gelernter Schlosser ist und im Schichtdie­nst bei den Wieland-Werken in Vöhringen arbeitet. Viel Zeit für sein Hobby hat er nicht. Doch Grimm nutzt jede freie Minute – um alte Sachen zu reparieren, an seinem Motorrad herumzusch­rauben oder neue Gegenständ­e aus Leder zu zaubern. „Die Arbeit hier unten in der Werkstatt ist für mich wie Meditation, da kann ich richtig abschalten“, sagt der 46-Jährige. In seiner kleinen Kellerwerk­statt in Vöhringen stehen drei Nähmaschin­en – eine davon stammt aus dem Jahr 1912. Grimm brachte sie wieder zum Laufen. Für seine Arbeiten nutzt er meist eine alte Pfaff. Die hat soviel Kraft, dass es auch mal qualmt, wenn das dicke Leder unter dem Nähfuß hindurch saust. Was ihn an Leder so fasziniert? „Es war mal ein Tier“, sagt Grimm. Jede Narbe oder Unebenheit hinterlass­e Spuren im Leder. Das verleihe dem Material etwas ganz Besonderes.

Im Regal stapeln sich Lederstoff­e, die Grimm größtentei­ls aus dem Internet bezieht. An der Wand hängen Gürtel in verschiede­nen Farben, mit oder ohne Nieten, gemustert oder glatt. Meist kommen die KunFlicken­jeans den mit konkreten Vorstellun­gen zu ihm. Doch Grimm erfüllt nicht jeden Wunsch. „Einmal kam ein Typ zu mir, der Nazi-Symbole eingravier­t haben wollte“, erinnert sich Grimm. „Ich habe ihn weggeschic­kt und gesagt, er soll sich jemand anderen suchen.“

Ein Gürtel kostet je nach Verzierung zwischen 25 und 100 Euro. Im vergangene­n Jahr hat Grimm ein Kleingewer­be für seine Lederarbei­ten angemeldet. Er hat eine eigene Internetse­ite und präsentier­t seine Arbeiten auf Facebook. „Aber das meiste läuft über Mundpropag­anda“, sagt Grimm. Das könne auch so bleiben. Denn trotz aller Profession­alität bleibt die Arbeit mit dem Leder für ihn ein Hobby.

 ?? Foto: Felicitas Lachmayr ?? In seiner Kellerwerk­statt in Vöhringen näht Michael Grimm Gegenständ­e aus Leder. Meist kommen Freunde und Bekannte mit konkreten Wünschen zu ihm. Er hat schon Gürtel, Hundehalsb­ändern und Autositze gefertigt.
Foto: Felicitas Lachmayr In seiner Kellerwerk­statt in Vöhringen näht Michael Grimm Gegenständ­e aus Leder. Meist kommen Freunde und Bekannte mit konkreten Wünschen zu ihm. Er hat schon Gürtel, Hundehalsb­ändern und Autositze gefertigt.
 ??  ?? Ein echter Hingucker in der Werkstatt: seine alte, selbst genähte Lederkutte.
Ein echter Hingucker in der Werkstatt: seine alte, selbst genähte Lederkutte.
 ??  ?? Je nach Wunsch färbt Grimm Gürtel und verziert sie mit individuel­len Mustern.
Je nach Wunsch färbt Grimm Gürtel und verziert sie mit individuel­len Mustern.

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