Neu-Ulmer Zeitung

Abenteuer in Indien

- VON DAGMAR HUB

Tournee 18 Tage lang waren die St.-Georgs-Chorknaben unterwegs durch die Bundesstaa­ten Kerala und Tamil Nadu. Jetzt sind sie zurück – und haben spannende Geschichte­n zu erzählen

Ulm Statt zurück in die Schule zu gehen, würden sie lieber noch ein bisschen „abhängen“: Eine anstrengen­de 18 Tage Tour liegt hinter den 16 Sängern der Ulmer St.-GeorgsChor­knaben, die mit ihrem Chorleiter Thomas Stang und Stimmbildn­er Girard Rhoden eine Konzertrei­se durch die südindisch­en Bundesstaa­ten Kerala und Tamil Nadu machten. Cochin, Kovalam, Trivandrum, Teeplantag­en und viel Kontakt zur Natur – die Jugendlich­en und jungen Männer aus Ulm, Senden und Elchingen, alle 16 bis 21 Jahre alt, sprudeln nur so von ihren Erlebnisse­n. „Wir stellten für die Leute dort eine so unbekannte Kultur dar wie sie für uns“, resümiert der 18-jährige Philipp.

Gegenseiti­ges Bestaunen des so ganz Anderen bestimmte die Reise für sie alle, die – anders als Stang und Rhoden – zuvor noch nie in Indien gewesen waren. Anderen Europäern begegneten sie auf der Reise so gut wie nicht, und es gab Tage, da wurden die Chorsänger bis zu 50 Mal von Einheimisc­hen gefragt, ob man ein Selfie mit ihnen machen dürfe. „Das sorgte dann dafür, dass wir ständig Verspätung hatten“, erzählt Frederik. Einem der Jungen passierte es sogar, dass man ihm ein Baby in den Arm drückte, damit die Eltern ein Foto des Fremden mit ihrem Kind machen konnten.

Fremdsein und Situatione­n oft schwer einschätze­n zu können, diese Erfahrung beschäftig­t die Sänger des Chors noch sehr. In Trichy, erzählt Philipp, gingen er und einige Freunde nach dem Abendessen noch ein bisschen aus dem Hotel. Eine dunkle, enge Gasse – „mitten im Leben gelandet“, sagt er. Denn Leute stellten Betten auf die Straße, sogar neben die offene Kanalisati­on, damit Alte in diesen Betten schlafen sollten. Die Menschen hätten ihnen bedeutet, dass sie stören, wird berichtet. In einer etwas breiteren Gasse mit Streetfood-Ständen lud ein Verkäufer sie an seinen Stand und bot ihnen Naan-Brot für umgerechne­t einige wenige Cent. Brot mit Sauce zum Dippen auf einem Bananenbla­tt – ein spontanes Danke-Ständchen mit Liedern wie „La Montanara“freute den Verkäufer dass er den Sängern nicht nur seine Mutter, sondern auch seine nicht mehr ganz nüchternen Freunde vorstellte.

Die erlebte Gastfreund­schaft war groß – doch immer blieb auch Erstaunen, über Straßenhun­de, über den chaotische­n Straßenver­kehr, über ignorierte Schilder, über Klimaanlag­en, die in der tropischen Region so kalt eingestell­t waren, dass einige eine Erkältung bekamen. Die 16 jungen Männer sind während der Reise fast alle zu Gemüsefans geworden. „Es ist viel schärfer gewürzt als zuhause und schmeckt unwahrsche­inlich gut“, berichtet Felix, und selbst Philipp, der eigentlich Fleisch sehr gern isst, hat an vielen Tagen einfach nur Gemüse mit Reis gefuttert.

Die europäisch­e Musik – sakrale wie weltliche – spaltete die indischen Zuhörer in zwei Gruppen. Manche seien begeistert gewesen, wenn der Chor öffentlich sang, berichtet Leiter Stang, andere seien recht irritiert oder erschrocke­n gewesen und hätten nicht zuordnen können, was der mehrstimmi­ge Gesang solle und was die Gruppe in Indien tue. Bei den Konzerten in den christlich­en Kirchen, beispielsw­eise in Cochin oder in den Priesterse­minaren von Aluva und Azhkulam, war hingegen viel Publikum da, das die Musik wie auch Rhodens Stimmbildu­ngsshows am Ende genoss.

Probten die jungen Sänger, stellten Hotels gern auch ihren Frühstücks­raum oder ihr Restaurant zur Verfügung – mit Kosten allein für den Strom für die Klimaanlag­e. Einmal gab es sogar Stimmbildu­ng im Hotelpool. Baden im Meer dagegen war nicht möglich, zu stark waren zu dieser Jahreszeit Wellengang und Strömung. „Wenn man nur bis zu den Knien ins Wasser ging, hat eiso, nen der Bademeiste­r schon zurückgepf­iffen“, berichtet Leo.

Und das Miteinande­r der Religionen? „Es war für uns oft gar nicht leicht auseinande­rzuhalten, ob gerade zu einem muslimisch­en, einem hinduistis­chen oder christlich­en Gottesdien­st gerufen wurde“, erzählt Max. „Denn laut geht es immer zu, auch in den Kirchtürme­n der christlich­en Kirchen sind Lautsprech­er installier­t, die statt Glocken Lieder mit enormer Lautstärke plärren.“Die verfassung­smäßig garantiert­e Religionsf­reiheit existiert im laizistisc­hen Indien, berichtet der indienerfa­hrene Stang. Sein Eindruck aber ist es, dass die Toleranz derzeit eher abnehme.

In Zukunft, erzählt Stang, kann einem Indienreis­enden übrigens ein „Ulmer“Chorknabe begegnen. Ihre Chorkleidu­ng mit dem alten Logo überließen die Sänger nämlich einem Sozialproj­ekt in Kovalam.

 ?? Foto: Thomas Stang ?? Die Vegetation im Süden Indiens ist tropisch geprägt – und auch sonst erlebten die St.-Georgs-Chorknaben auf ihrer Konzertrei­se, wie anders manches in der Ferne ist.
Foto: Thomas Stang Die Vegetation im Süden Indiens ist tropisch geprägt – und auch sonst erlebten die St.-Georgs-Chorknaben auf ihrer Konzertrei­se, wie anders manches in der Ferne ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany