Neu-Ulmer Zeitung

Verzweifel­te Mutter täuscht Kita

- VON CHRISTOPH LOTTER

Prozess Eine 36-Jährige aus Senden hat finanziell­e Probleme, ihre Tochter verliert deshalb sogar den Kindergart­enplatz. Unterstütz­ung vom Amt bleibt aber aus – dann handelt die Frau selbst

Senden/Neu-Ulm Seit ihrer Trennung plagen eine 36-Jährige aus Senden finanziell­e Sorgen. Sogar die Beiträge für den Kindergart­enplatz der gemeinsame­n Tochter bezahlt der Ex-Mann nicht. Ein Antrag der Mutter auf finanziell­e Unterstütz­ung beim Landratsam­t Neu-Ulm bleibt zudem unbeachtet, die KitaRechnu­ngen weiter unbezahlt. Dann verliert die Tochter den Platz in der Einrichtun­g. Die verzweifel­te Mutter ergreift in ihrer Not die Initiative – allerdings keine legale. Nun stand sie wegen versuchten Betrugs vor dem Amtsgerich­t in Neu-Ulm.

Sie habe im November 2018 eine E-Mail an das Bistum Augsburg, den Träger des Kindergart­ens, geschickt, in der sie die Zahlung der offenen Kita-Beiträge durch das Landratsam­t bestätigte, gab die Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlun­g zu. Die Krux: In dieser Mail gab sie sich als die zuständige Mitarbeite­rin des Landratsam­tes aus. Der Schwindel flog auf. In Tränen aufgelöst, versuchte die 36-Jährige, ihre Situation vor Gericht zu erklären: „Ich wusste nicht, was ich da strafrecht­lich tue.“Ihr Ex-Mann habe ihr versichert, die Beiträge zu bezahlen. Er habe allerdings auch nach der Trennung noch einen Schlüssel für die Wohnung und den Briefkaste­n der 36-Jährigen gehabt. „Er hat die Mahnungen des Bistums wohl abgefangen“, vermutete die Angeklagte. Sie sei aus allen Wolken gefallen, als ihr der Kindergart­en im Juli vergangene­n Jahres mitteilte, dass die Zahlungen ausstehen.

„In dieser Zeit ist finanziell viel auf mich eingeprass­elt“, sagte sie. Weil sie die Rechnungen nicht bezahlen konnte, habe sie noch am selben Tag einen Antrag auf Unterstütz­ung beim Landratsam­t eingereich­t. Diesen habe sie persönlich an der Pforte abgegeben – erreicht hat er die zuständige Behörde allerdings nie, versichert­e die zuständige Mitarbeite­rin des Landratsam­tes, die als Zeugin aussagte. Erst der zweite Antrag, den die Angeklagte nach einem Telefonat im November persönlich bei der Behörde einreichte, sei bearbeitet worden.

An diesem Tag sei der Angeklagte­n vom Bistum Augsburg Bescheid gegeben worden, dass ihre Tochter den Kindergart­en nicht mehr besuchen dürfe, berichtete die 36-Jährige: „Ich war total verzweifel­t.“Deshalb habe sie beim Landratsam­t angerufen und die nötigen Unterlagen gleich zur Antragstel­lung mitgebrach­t. Weil die Kündigung für den Kindergart­enplatz ihrer Tochter schon ausgesproc­hen war, bat die Angeklagte im Amt darum, das Bistum sofort zu informiere­n, dass die offenen Beiträge beglichen werden. Sie habe gehofft, dadurch die Kündigung doch noch kippen zu können, sagte sie. Ihr Wunsch wurde abgelehnt. Ihr sei vom Amt lediglich versichert worden, dass der Bescheid für die Unterstütz­ung per Post kommt. Daraufhin habe sie die Mail mit der Bestätigun­g der Zahlung im Namen des Landratsam­tes selbst an das Bistum Augsburg geschickt, damit ihre Tochter auch am nächsten Tag in die Kita könne.

„Ich habe daraufhin alles zusammen gekratzt, was ich hatte, und die Schulden beim Bistum bezahlt“, berichtet die Angeklagte. Weil sich ein Pfarrer für sie einsetzte, durfte ihre Tochter trotz der Mail nach einem Tag Zwangspaus­e wieder in den Kindergart­en. Vom Landratsam­t und ihrem Antrag auf Unterstütz­ung habe sie seitdem jedoch nichts mehr gehört. Der Antrag sei wegen fehlender Unterlagen noch in Bearbeitun­g, sagte die zuständige Mitarbeite­rin vor Gericht. Lange könne es aber nicht mehr dauern, bis das Geld fließt.

Für Richter Thomas Mayer war das Handeln der 36-Jährigen letztlich kein versuchter Betrug, wenn auch „moralisch anrüchig“. Er sprach die Angeklagte aufgrund der besonderen Umstände, fehlenden Vorsatzes und ihrer Notlage frei. „Das war nicht okay vom Bistum, da muss man schon mal Empathie haben und Verständni­s für Frauen mit Kindern und ihre finanziell­en Probleme aufbringen“, sagte Mayer. Oberstaats­anwalt Markus Schroth hingegen blieb hart. Er forderte eine Geldstrafe von 500 Euro und will gegen das Urteil Einspruch einlegen. Damit könnte der Fall in nächster Instanz, vor dem Landgerich­t Memmingen, neu verhandelt werden.

Richter spricht Mutter frei, Staatsanwa­lt bleibt hart

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