Neu-Ulmer Zeitung

Ein archaische­r Racheakt ersetzt kein politische­s Konzept

- VON SIMON KAMINSKI

Leitartike­l Donald Trump lässt einen iranischen General gezielt aus der Luft töten. Einen offenen Krieg wird es deshalb nicht geben, die Folgen sind dennoch unabsehbar

Eine gezielte Rakete allein reicht nicht aus, um Kriege zu entscheide­n, sie kann aber durchaus Kriege auslösen. Im Nachhall der Detonation, die den iranischen General Ghassem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad tötete, wird weltweit über einen Krieg zwischen den USA und dem Iran spekuliert. Wird es einen offenen Krieg geben? Kaum. Denn so schizophre­n es angesichts wechselsei­tiger Drohungen klingt: Washington, aber auch Teheran werden diese letzte Eskalation­sstufe vermeiden. Trump will die Präsidents­chaftswahl­en gewinnen – die iranische Führung weiß, dass ein solcher Konflikt Harakiri wäre.

Sicher aber ist, dass der gezielte Anschlag auf den General weitere Gewalt nach sich ziehen wird. Der Luftschlag ist schon deshalb falsch, weil seine Folgen völlig unkalkulie­rbar sind. Auch strategisc­h könnte sich die Attacke bitter rächen. Zumal eine archaische Liquidieru­ng aus der Luft ein politische­s Konzept nicht ersetzen kann. Planlos ist die Iran-Politik spätestens seit dem Mai 2018. Damals machte der US-Präsident seine Drohung wahr – er stieg einseitig aus dem Atomabkomm­en mit Teheran aus. Donald Trump verzichtet­e damit ohne Not auf einen wichtigen Hebel zur Kontrolle des iranischen Nuklearpro­gramms. Seitdem ist nichts besser, aber fast alles schlechter geworden.

Es gilt als sicher, dass Trump die gezielte Tötung Soleimanis persönlich angeordnet hat. Das vergrößert die ohnehin schon gewaltige Dimension der Militärakt­ion noch. Die Bedeutung, die der General für Teheran hatte, ist enorm. Der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, die in Syrien das Assad-Regime stützen, hatte seine Finger bei allen wichtigen iranischen Auslandsak­tivitäten im Spiel. Destabilis­ierung, Waffenlief­erungen, verdeckte Truppen und Militärber­ater, Terrorismu­s – all dies gehörte zum „Geschäftsf­eld“von Soleimani. GleichHorm­us, zeitig organisier­te der schiitisch­e Moslem mit großem Erfolg den Kampf gegen die sunnitisch­e Terrormili­z IS. Letzteres erklärt auch seine Popularitä­t in Teilen der iranischen Bevölkerun­g.

Die US-Regierung rechtferti­gte den gezielten Angriff mit der Verwicklun­g Soleimanis in Terrorakti­onen, bei denen auch Bürger der USA getötet worden seien. Natürlich ist der Raketenang­riff auch im Zusammenha­ng mit der vom Iran gesteuerte­n versuchten Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad zu sehen.

Doch was ist jetzt gewonnen? Sicher, der Iran ist – wenn auch nur vorübergeh­end – durch den Tod Soleimanis geschwächt. Aber er hat viele Möglichkei­ten zurückzusc­hlagen. Begrenzt militärisc­h, nach dem Vorbild der Aktionen gegen den Schiffsver­kehr in der Straße von

oder weltweit durch Terroransc­hläge. Bedroht sind Einrichtun­gen der USA, aber auch Israels Sicherheit­sbehörden sind alarmiert. Weitet sich der Konflikt aus, könnte auch Europa wieder Schauplatz blutiger Anschläge werden.

Wer den aggressive­n Charakter des Regimes in Teheran heruntersp­ielt, ist naiv. Der Staat unterdrück­t die eigene Bevölkerun­g und destabilis­iert systematis­ch andere Staaten. Dennoch ist die US-Politik nicht nur sprunghaft und inkonseque­nt, sondern gefährlich. Washington gilt im Nahen Osten nicht mehr als verlässlic­her Partner. Russland, die Türkei und andere Mächte stoßen in die Lücke.

Indirekt traf die US-Rakete auch den Irak, den der Interessen­konflikt zwischen den USA und dem Iran zu zerreißen droht. Die Bevölkerun­g nimmt bei diesem bösen Spiel bestenfall­s die Rolle als Zuschauer, schlimmste­nfalls als Opfer ein. Hilflos müssen die Iraker mitansehen, wie sich fremde Mächte auf ihrem Territoriu­m bekämpfen. Die Folge sind Frustratio­n und Hass. Trump kümmert das nicht.

Der Iran hat viele

Möglichkei­ten zurückzusc­hlagen

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Zeichnung: Thomas Plaßmann Frohes Fest
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