Ein archaischer Racheakt ersetzt kein politisches Konzept
Leitartikel Donald Trump lässt einen iranischen General gezielt aus der Luft töten. Einen offenen Krieg wird es deshalb nicht geben, die Folgen sind dennoch unabsehbar
Eine gezielte Rakete allein reicht nicht aus, um Kriege zu entscheiden, sie kann aber durchaus Kriege auslösen. Im Nachhall der Detonation, die den iranischen General Ghassem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad tötete, wird weltweit über einen Krieg zwischen den USA und dem Iran spekuliert. Wird es einen offenen Krieg geben? Kaum. Denn so schizophren es angesichts wechselseitiger Drohungen klingt: Washington, aber auch Teheran werden diese letzte Eskalationsstufe vermeiden. Trump will die Präsidentschaftswahlen gewinnen – die iranische Führung weiß, dass ein solcher Konflikt Harakiri wäre.
Sicher aber ist, dass der gezielte Anschlag auf den General weitere Gewalt nach sich ziehen wird. Der Luftschlag ist schon deshalb falsch, weil seine Folgen völlig unkalkulierbar sind. Auch strategisch könnte sich die Attacke bitter rächen. Zumal eine archaische Liquidierung aus der Luft ein politisches Konzept nicht ersetzen kann. Planlos ist die Iran-Politik spätestens seit dem Mai 2018. Damals machte der US-Präsident seine Drohung wahr – er stieg einseitig aus dem Atomabkommen mit Teheran aus. Donald Trump verzichtete damit ohne Not auf einen wichtigen Hebel zur Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms. Seitdem ist nichts besser, aber fast alles schlechter geworden.
Es gilt als sicher, dass Trump die gezielte Tötung Soleimanis persönlich angeordnet hat. Das vergrößert die ohnehin schon gewaltige Dimension der Militäraktion noch. Die Bedeutung, die der General für Teheran hatte, ist enorm. Der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, die in Syrien das Assad-Regime stützen, hatte seine Finger bei allen wichtigen iranischen Auslandsaktivitäten im Spiel. Destabilisierung, Waffenlieferungen, verdeckte Truppen und Militärberater, Terrorismus – all dies gehörte zum „Geschäftsfeld“von Soleimani. GleichHormus, zeitig organisierte der schiitische Moslem mit großem Erfolg den Kampf gegen die sunnitische Terrormiliz IS. Letzteres erklärt auch seine Popularität in Teilen der iranischen Bevölkerung.
Die US-Regierung rechtfertigte den gezielten Angriff mit der Verwicklung Soleimanis in Terroraktionen, bei denen auch Bürger der USA getötet worden seien. Natürlich ist der Raketenangriff auch im Zusammenhang mit der vom Iran gesteuerten versuchten Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad zu sehen.
Doch was ist jetzt gewonnen? Sicher, der Iran ist – wenn auch nur vorübergehend – durch den Tod Soleimanis geschwächt. Aber er hat viele Möglichkeiten zurückzuschlagen. Begrenzt militärisch, nach dem Vorbild der Aktionen gegen den Schiffsverkehr in der Straße von
oder weltweit durch Terroranschläge. Bedroht sind Einrichtungen der USA, aber auch Israels Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Weitet sich der Konflikt aus, könnte auch Europa wieder Schauplatz blutiger Anschläge werden.
Wer den aggressiven Charakter des Regimes in Teheran herunterspielt, ist naiv. Der Staat unterdrückt die eigene Bevölkerung und destabilisiert systematisch andere Staaten. Dennoch ist die US-Politik nicht nur sprunghaft und inkonsequent, sondern gefährlich. Washington gilt im Nahen Osten nicht mehr als verlässlicher Partner. Russland, die Türkei und andere Mächte stoßen in die Lücke.
Indirekt traf die US-Rakete auch den Irak, den der Interessenkonflikt zwischen den USA und dem Iran zu zerreißen droht. Die Bevölkerung nimmt bei diesem bösen Spiel bestenfalls die Rolle als Zuschauer, schlimmstenfalls als Opfer ein. Hilflos müssen die Iraker mitansehen, wie sich fremde Mächte auf ihrem Territorium bekämpfen. Die Folge sind Frustration und Hass. Trump kümmert das nicht.
Der Iran hat viele
Möglichkeiten zurückzuschlagen