Mehr Arbeitslose als vor einem Jahr
Statistik
Die Wirtschaftsflaute schlägt auf den Arbeitsmarkt durch. Doch mehr Sorgen macht Experten
der Fachkräftemangel. Wie das zusammenpasst
Nürnberg Die Zeit der Beschäftigungsrekorde ist vorbei. Die schwache Konjunktur lässt die Arbeitslosigkeit zum Jahresende so stark steigen wie seit langem nicht mehr. Doch zu einem viel größeren Problem werden 2020 die fehlenden Arbeitskräfte: „Unsere Wachstumsbremse ist das Erwerbspersonenpotenzial“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, am Freitag in Nürnberg. Dieses steige so gut wie gar nicht mehr.
2019 war nach Angaben von Scheele das Jahr, in dem die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt so gering wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr war. Doch: „Im Jahresverlauf trübte sich die Lage ein“, sagte Scheele. Das machte sich vor allem zum Jahresende bemerkbar. Im Dezember erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen bundesweit im Vergleich zum Vormonat um 47 000 auf 2,227 Millionen, die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Prozentpunkte auf 4,9 Prozent. Ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen ist zu dieser Jahreszeit wegen der Winterpause üblich. Erstmals seit sechs Jahren lagen diese aber auch im Vergleich zum Vorjahresmonat höher, und zwar um 18 000. Zuletzt war das während der EU-Finanzkrise vorgekommen.
in Bayern legte die Zahl der Arbeitslosen kräftig zu: Im Dezember waren im Freistaat 208421 Menschen ohne Arbeit. Das waren 4,7 Prozent mehr als im November und 2,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote stieg leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent.
„2019 war ein anderes Jahr als 2018. Wir haben erstmals gesehen, dass die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen“, sagte Scheele mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Der Arbeitsmarkt habe sich jedoch von der Konjunktur abgekoppelt – und sei unter dem Strich verhältnismäßig stabil geblieben. „Wir gucken relativ optimistisch in die Zukunft.“Ähnlich sieht es die staatliche KfW-Bank. Sie prognostiziert für 2020 nur einen leichten Anstieg der Arbeitslosenzahl um 50000. Auch die Zahl der Erwerbstätigen werde weiter steigen, allerdings nicht mehr so stark, sagte Ökonom Martin Müller – jedoch unter Vorbehalt. „Die Risiken für Rückschläge sind beträchtlich“, meint er. Dazu zählen aus der Sicht Müllers der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der Brexit.
Die etwas angespanntere Lage am Arbeitsmarkt betrifft vor allem einige Branchen und Mitarbeiter mit niedrigerer Qualifikation: Der Bedarf an neuem Personal sinkt laut Arbeitsagentur hauptsächlich in konjunkturabhängigen Branchen wie der Leiharbeit, dem verarbeitenden Gewerbe und im Handel. Das treffe vor allem Menschen mit niedriger Qualifikation: Am stärksAuch ten ist mit einem Minus von 12,8 Prozent die Nachfrage nach Hilfsarbeitern zurückgegangen.
Die Nachfrage nach Fachkräften scheint dagegen nach wie vor hoch zu sein. Dies erklärt auch die paradoxe Situation, dass einerseits die Zahl der Arbeitslosen steigt, andererseits der Fachkräftemangel beklagt wird. Denn Arbeitsmarktexperten bereitet der Fachkräftemangel Sorgen: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand, es kommen weniger Junge nach. Ältere Menschen arbeiten heute bereits länger und mehr Frauen sind berufstätig. Im Oktober 2019 war die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auf fast 34 Millionen gestiegen, mit einem Plus von 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat aber nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor.
Eine wichtige Rolle spielt die Zuwanderung. „Der Beschäftigungszuwachs geht zu deutlich mehr als die Hälfte auf ausländische Staatsbürger zurück“, sagte Bundesagentur-Vorstand Daniel Terzenbach. Bundesagentur-Chef Scheele setzt deshalb auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dieses tritt im März in Kraft und soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland erleichtern. „Wir brauchen aber auch alle andere Stellschrauben, an denen wir gemeinsam drehen“, betonte Scheele. Neben der Zuwanderung sei es wichtig, Arbeitnehmer fortzubilden, Arbeitslose zu qualifizieren, Jugendliche gut zu beraten und den Übergang von Schule zu Beruf zu verbessern.