Das Werk des Schweigers
Skispringen Bundestrainer Stefan Horngacher ist kein Mann der lauten Töne. Seine Arbeit macht er konsequent im
Stillen. Im Sommer setzte er neue Impulse. Davon profitiert vor allem ein anderer Schweiger: Karl Geiger
Innsbruck Stefan Horngacher und sein bester Skispringer haben etwas gemeinsam. Der Bundestrainer und Karl Geiger sind so ziemlich das Gegenteil von dem, was man einen „Lautsprecher“nennen würde. Wenn Horngacher über die Erfolgsaussichten der deutschen Vierschanzentournee-Hoffnung spricht, tut er das mit leiser Stimme und auch inhaltlich extrem zurückhaltend. „Die Chancen sind so wie für alle anderen auch“, sagt der Nachfolger von Werner Schuster im urig-gemütlichen Teamhotel in Lans bei Innsbruck.
Angesichts von Platz zwei in der Gesamtwertung und nur etwa 3,5 Metern Rückstand auf Spitzenreiter Ryoyu Kobayashi ist das schon sehr defensiv.
Dass ein Jahr nach den starken Auftritten von Markus Eisenbichler, der sich bei der Tournee nur Überflieger Kobayashi geschlagen geben musste, erneut ein Deutscher realistische Chancen auf den goldenen Adler für den Gesamtsieger hat, ist auch Horngachers Werk. Der Österreicher hat nach dem Ende der elf Jahre dauernden Ära unter Werner Schuster im Sommer einiges umgebaut. Horngacher hat seine eigenen Assistenten mitgebracht, nimmt mehr Einfluss auf das Training seiner Athleten und überlässt weniger den Heimtrainern. Zudem hat er das Krafttraining intensiviert.
Mit Geiger, zu dem er einen super Draht hat, arbeitete der 50-Jährige gezielt an der Anfahrtshocke. Der neue Input sei eine Chance gewesen, sich weiterzuentwickeln, sagt der 26
Jahre alte Geiger, der wie Horngacher auf große Kampfansagen verzichtet. „Das hat das Team aufgefrischt.“
Auch Eisenbichler lobt den neuen Chef – und das, obwohl es beim Dreifach-Weltmeister von Seefeld in diesem Winter bisher noch lange nicht so gut läuft wie im letzten
Schuster-Jahr. Er fühle sich bei Horngacher mit dessen ruhigem Auftreten „gut aufgehoben“, sagt der 28-Jährige. „Ich finde die Art ein bisschen angenehmer.“Sich selbst beschreibt Horngacher so: „Ich bin schon ein strenger Trainer, aber ich bin auch offen für Späße.“
Vom schwierigen Erbe Schusters, der in seiner Amtszeit mit den Adlern des Deutschen Skiverbandes (DSV) fast alles gewann, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt, ließ sich Horngacher nicht unter Druck setzen – auch nicht, als seine Mannschaft zu Beginn der Weltcup-Saison der Konkurrenz aus Österreich, Norwegen und Polen hinterher sprang. Er denkt langfristig, schaut schon auf die Nordische Ski-WM im kommenden Jahr in Oberstdorf und die Olympischen Winterspiele in Peking 2022. „Ich habe von Anfang an versucht zu machen, was ich für richtig halte“, sagt Horngacher.
Der Tiroler tritt selbstbewusst auf und weiß, was er kann. Das Gefühl, einen Springer zum TourneeSieg zu führen, kennt er aus seiner Zeit als polnischer Nationaltrainer und Coach von Kamil Stoch, der 2016/17 und 2017/18 siegte. Der Trubel beim Spektakel in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen bringt Horngacher deshalb nicht aus dem Konzept. An Zuschauermassen und Medienhype ist er aus dem skisprungverrückten Polen gewöhnt.
Zum Saisonhöhepunkt hat Horngacher sein Team fit bekommen. Und wenn Geiger am 6. Januar in Bischofshofen den goldenen Adler gewinnen sollte, hätte er geschafft, was sogar Schuster nicht gelang – auf einen Tournee-Sieg wartet der DSV seit dem Triumph von Sven Hannawald vor 18 Jahren.
Qualifikation Karl Geiger hat seine starke Form auch auf der dritten Station bestätigt. Bei der Qualifikation von Innsbruck wurde er mit einem Sprung auf 131,5 Meter Dritter. Der Quali-Sieg am Bergisel ging an Marius Lindvik aus Norwegen, Geigers direkter Tournee-Rivale Ryoyu Kobayashi belegte den fünften Rang. Die weiteren fünf Springer des DSV qualifizierten sich geschlossen.
Gesamtwertung Vierschanzentournee 1. Kobayashi (Japan) 587,2 Pkt.; 2. Geiger (Oberstdorf) 580,9; 3. Kubacki (Polen) 578,7; 4. Lindvik (Norwegen) 568,3; 5. Kraft (Österreich) 553,6; 6. Eisenbichler (Siegsdorf) 543,9; 7. Zyla (Polen) 543,7; 8. Johansson (Norwegen) 542,1; 9. D. Prevc (Slow.) 540,8; 10. Ito (Japan) 540,7
„Ich bin schon ein strenger Trainer, aber ich bin auch offen für Späße.“
Stefan Horngacher