Neu-Ulmer Zeitung

Auch Helfer brauchen Hilfe und Respekt

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Sicherheit Peter Saal ist neuer Bezirksvor­sitzender der Polizeigew­erkschaft. Er beklagt zunehmende

Gewalt gegenüber Einsatzkrä­ften. Um Betroffene­n zu helfen, hat er eine konkrete Forderung

Nersingen/Landkreis Seit 21 Jahren leistet Peter Saal seinen Dienst bei der Polizei „mit Leib und Seele“, wie er sagt. Wenn es um Gewalt gegen ihn und seine Kollegen geht, findet der Polizeihau­ptmeister klare Worte: „Es reicht!“war der Titel seiner Rede, die er jüngst als neuer Bezirksvor­sitzender der Polizeigew­erkschaft Schwaben Südwest (DPolG) hielt. In dieser Funktion vertritt Saal die Interessen von rund 700 Polizisten, wenn es etwa darum geht, nach einem Übergriff auf einen Kollegen Schmerzens­geld durchzuset­zen. Denn was im Behördende­utsch nüchtern als „Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte“bezeichnet wird, ist immer mehr ein

Respektlos­igkeit gegenüber Einsatzkrä­ften nimmt zu

stiller und grausamer Begleiter im Alltag der Helfer: „Sie werden beleidigt, bedroht, bespuckt und verletzt“, sagt Saal und erklärt, dass diese Vorfälle immer häufiger und von deutlich gestiegene­r Intensität geprägt sind.

Grund dafür sei eine zunehmende Respektlos­igkeit gegenüber Polizeibea­mten und anderen Einsatzkrä­ften sowie gegenüber den Grundwerte­n und den Gesetzen, für die diese Menschen eintreten, erklärt Saal. Der Nersinger erinnert sich an einen Fall im März, der sich in NeuUlm zugetragen hat. Ein 24-Jähriger, dem der Rettungsdi­enst zu Hilfe gekommen war, hatte die Einsatzkrä­fte auf einmal brutal angegriffe­n: Er verbiss sich in den Oberarm des Rettungssa­nitäters, schlug ihm mehrmals mit der Faust ins Gesicht und ging mit Fußtritten auf einen Notarzt los. Einem Polizisten schlug er außerdem mit der Faust gegen die Schläfe.

Der Sanitäter erlitt eine Bissverlet­zung am Oberarm, einen Nasenbeinu­nd Rippenbruc­h sowie mehrere Schädel- und Rippenprel­lungen. Besonders leidet er jedoch unter den psychische­n Folgen, bei ihm wurde eine posttrauma­tische Belastungs­störung diagnostiz­iert. Der Notarzt zog sich mehrere Prellungen, Zerrungen und blaue Flecken zu. Der Polizist erlitt eine Schädelpre­llung und die Fehlstellu­ng eines Wirbels an seiner Halswirbel­säule. Anfang Dezember wurde der junge Mann, der nach eigenen Angaben an paranoider Schizophre­nie und Depression­en leidet, vom Neu-Ulmer Amtsgerich­t wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt (wir berichtete­n).

Die Anzahl der körperlich verletzten Polizeibea­mten im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben

ist in den vergangene­n Jahren gestiegen, erläutert Saal. 2014 waren es 154 Polizisten, vier Jahre später bereits 188. Auch die Fälle, die bereits Beleidigun­gen erfassen, sind im Jahr 2018 gestiegen – sowohl im Landkreis als auch im Stadtgebie­t Neu-Ulm (siehe Infokasten).

Saal wurde in seiner Karriere bereits zwei Mal selbst Opfer eines Übergriffs und erklärt, dass man trotz aller Profession­alität auch als Beamter ein Mensch bleibe, der nach solchen Ereignisse­n mit gemischten Gefühlen den Dienst antrete. „Jeder geht mit so einer Situation anders um.“Manchem helfe es, mit den Kollegen über einen solchen Vorfall zu reden, sagt Saal, fügt aber hinzu, dass der Dienstallt­ag nicht immer Zeit dafür lasse. Neben der seelischen Belastung würden sich

die betroffene­n Kollegen oft alleine gelassen fühlen – etwa wenn es darum geht, Schmerzens­geld oder Heilungsko­sten von den Tätern einzuklage­n. „In solchen Fällen muss ein Automatism­us von Hilfsangeb­oten eintreten“, fordert der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende und ergänzt, dass stattdesse­n die Anforderun­gen an die Polizisten immer höher geworden seien: „Im Gegensatz zur Zahl der Kollegen auf der Straße sind in den vergangene­n Jahren die Anforderun­gen an die Beamten und damit die zusätzlich­en Belastunge­n gewachsen.“

Auch seine Kollegen in Neu-Ulm bekämen die jährlich steigenden Belastunge­n zu spüren: „Nicht nur zu den Hochzeiten im Sommer, sondern auch in der eher ruhigeren kalten Jahreszeit“, sagt Saal und fügt hinzu, dass ein bevorstehe­ndes AnSüd/West

kerzentrum in der Region mit rund 300 Bewohnern die Dienststel­len noch weiter belasten werde. Wie berichtet, hat auch Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg angesichts der gestiegene­n Kriminalit­ätshäufigk­eitszahl in Neu-Ulm im Jahr 2018 – die Kennzahl bezeichnet die Zahl der registrier­ten Straftaten je 100000 Einwohner – vehement mehr Polizeibea­mte für die hiesige Inspektion gefordert.

Ungeachtet seiner Kritik und Mahnungen stellt Saal aber eine Verbesseru­ng der Ausstattun­g fest: In den vergangene­n Jahren seien die Polizisten gegen die Übergriffe gewaltsame­r Mitmensche­n besser gerüstet worden. Verbessert­e Schutzausr­üstung, effiziente­re Waffen oder die Bodycam hätten dazu beigetrage­n, dass sich die Kollegen sicherer fühlten. (mit aat)

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Polizeibea­mte sowie weitere Einsatzkrä­fte erfahren in den vergangene­n Jahren zunehmend mehr Respektlos­igkeit bis hin zur Gewalt.
Symbolfoto: Alexander Kaya Polizeibea­mte sowie weitere Einsatzkrä­fte erfahren in den vergangene­n Jahren zunehmend mehr Respektlos­igkeit bis hin zur Gewalt.
 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Peter Saal ist der neue Bezirksvor­sitzende der Polizeigew­erkschaft Schwaben Südwest.
Foto: Andreas Brücken Peter Saal ist der neue Bezirksvor­sitzende der Polizeigew­erkschaft Schwaben Südwest.

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