Auch Helfer brauchen Hilfe und Respekt
Sicherheit Peter Saal ist neuer Bezirksvorsitzender der Polizeigewerkschaft. Er beklagt zunehmende
Gewalt gegenüber Einsatzkräften. Um Betroffenen zu helfen, hat er eine konkrete Forderung
Nersingen/Landkreis Seit 21 Jahren leistet Peter Saal seinen Dienst bei der Polizei „mit Leib und Seele“, wie er sagt. Wenn es um Gewalt gegen ihn und seine Kollegen geht, findet der Polizeihauptmeister klare Worte: „Es reicht!“war der Titel seiner Rede, die er jüngst als neuer Bezirksvorsitzender der Polizeigewerkschaft Schwaben Südwest (DPolG) hielt. In dieser Funktion vertritt Saal die Interessen von rund 700 Polizisten, wenn es etwa darum geht, nach einem Übergriff auf einen Kollegen Schmerzensgeld durchzusetzen. Denn was im Behördendeutsch nüchtern als „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“bezeichnet wird, ist immer mehr ein
Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften nimmt zu
stiller und grausamer Begleiter im Alltag der Helfer: „Sie werden beleidigt, bedroht, bespuckt und verletzt“, sagt Saal und erklärt, dass diese Vorfälle immer häufiger und von deutlich gestiegener Intensität geprägt sind.
Grund dafür sei eine zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten und anderen Einsatzkräften sowie gegenüber den Grundwerten und den Gesetzen, für die diese Menschen eintreten, erklärt Saal. Der Nersinger erinnert sich an einen Fall im März, der sich in NeuUlm zugetragen hat. Ein 24-Jähriger, dem der Rettungsdienst zu Hilfe gekommen war, hatte die Einsatzkräfte auf einmal brutal angegriffen: Er verbiss sich in den Oberarm des Rettungssanitäters, schlug ihm mehrmals mit der Faust ins Gesicht und ging mit Fußtritten auf einen Notarzt los. Einem Polizisten schlug er außerdem mit der Faust gegen die Schläfe.
Der Sanitäter erlitt eine Bissverletzung am Oberarm, einen Nasenbeinund Rippenbruch sowie mehrere Schädel- und Rippenprellungen. Besonders leidet er jedoch unter den psychischen Folgen, bei ihm wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Der Notarzt zog sich mehrere Prellungen, Zerrungen und blaue Flecken zu. Der Polizist erlitt eine Schädelprellung und die Fehlstellung eines Wirbels an seiner Halswirbelsäule. Anfang Dezember wurde der junge Mann, der nach eigenen Angaben an paranoider Schizophrenie und Depressionen leidet, vom Neu-Ulmer Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt (wir berichteten).
Die Anzahl der körperlich verletzten Polizeibeamten im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben
ist in den vergangenen Jahren gestiegen, erläutert Saal. 2014 waren es 154 Polizisten, vier Jahre später bereits 188. Auch die Fälle, die bereits Beleidigungen erfassen, sind im Jahr 2018 gestiegen – sowohl im Landkreis als auch im Stadtgebiet Neu-Ulm (siehe Infokasten).
Saal wurde in seiner Karriere bereits zwei Mal selbst Opfer eines Übergriffs und erklärt, dass man trotz aller Professionalität auch als Beamter ein Mensch bleibe, der nach solchen Ereignissen mit gemischten Gefühlen den Dienst antrete. „Jeder geht mit so einer Situation anders um.“Manchem helfe es, mit den Kollegen über einen solchen Vorfall zu reden, sagt Saal, fügt aber hinzu, dass der Dienstalltag nicht immer Zeit dafür lasse. Neben der seelischen Belastung würden sich
die betroffenen Kollegen oft alleine gelassen fühlen – etwa wenn es darum geht, Schmerzensgeld oder Heilungskosten von den Tätern einzuklagen. „In solchen Fällen muss ein Automatismus von Hilfsangeboten eintreten“, fordert der Gewerkschaftsvorsitzende und ergänzt, dass stattdessen die Anforderungen an die Polizisten immer höher geworden seien: „Im Gegensatz zur Zahl der Kollegen auf der Straße sind in den vergangenen Jahren die Anforderungen an die Beamten und damit die zusätzlichen Belastungen gewachsen.“
Auch seine Kollegen in Neu-Ulm bekämen die jährlich steigenden Belastungen zu spüren: „Nicht nur zu den Hochzeiten im Sommer, sondern auch in der eher ruhigeren kalten Jahreszeit“, sagt Saal und fügt hinzu, dass ein bevorstehendes AnSüd/West
kerzentrum in der Region mit rund 300 Bewohnern die Dienststellen noch weiter belasten werde. Wie berichtet, hat auch Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg angesichts der gestiegenen Kriminalitätshäufigkeitszahl in Neu-Ulm im Jahr 2018 – die Kennzahl bezeichnet die Zahl der registrierten Straftaten je 100000 Einwohner – vehement mehr Polizeibeamte für die hiesige Inspektion gefordert.
Ungeachtet seiner Kritik und Mahnungen stellt Saal aber eine Verbesserung der Ausstattung fest: In den vergangenen Jahren seien die Polizisten gegen die Übergriffe gewaltsamer Mitmenschen besser gerüstet worden. Verbesserte Schutzausrüstung, effizientere Waffen oder die Bodycam hätten dazu beigetragen, dass sich die Kollegen sicherer fühlten. (mit aat)