Neu-Ulmer Zeitung

Als eine Kapelle im Wald entstand

- VON RALPH MANHALTER

Historisch­es Einst war das Tannenhärt­le bei Obenhausen ein Ziel von Wallfahrer­n

Obenhausen Wer heute auf der Staatsstra­ße 2018 von Obenhausen oder Krumbach kommend in Richtung Westen fährt, ahnt nicht, dass er inmitten des Rieds einen Ort passiert, der in der Vergangenh­eit wesentlich häufiger frequentie­rt wurde als in unseren Tagen. Inzwischen sind nur noch wenige Überreste der vormaligen Waldung sichtbar. Allein der Name Tannenhärt­le erinnert daran, dass es dort nicht immer so ausgesehen hat wie heute. Wir müssen dazu zurück in die „Schwedenze­it“genannte Epoche des Dreißigjäh­rigen Krieges blicken.

Kaum ein Dorf, kaum ein Hof, die damals nicht unter den Qualen und Strapazen der durchziehe­nden und marodieren­den Soldaten aus dem hohen Norden zu leiden hatten.

Zur Anmerkung:

Die Gegenspiel­er, die „Kaiserlich­en“, wüteten um keinen

Deut besser, wenn auch in anderen Regionen. Fast glücklich konnte sich jedenfalls der schätzen, der mit dem Leben davon kam. Vieh wurde geschlacht­et, Häuser wurden angezündet, Frauen verschlepp­t. Kurzum: Es war eine entsetzlic­he Zeit, die zu ertragen nur mit tiefem Glauben und Gottvertra­uen möglich gewesen sein musste. In jenen dunklen Jahren soll eine Kapelle erstmals Erwähnung gefunden haben, die allein auf weiter Flur östlich des Marktfleck­ens Illertisse­n im Rothtal stand.

Die damals waldige Umgebung wurde namengeben­d für das Kirchlein, das fortan Ziel so mancher verzweifel­ter Wallfahrer war. Der Apotheker Anton Kanz erläuterte in seiner 1911 erschienen­en „Chronik von Tissen“unter Berücksich­tigung einer Sage, bei der Ansiedlung handle es sich um eine alte Klause mit Wallfahrts­kapelle, geweiht den Vierzehn Nothelfern. Gotthard Dominikus Freiherr von Vöhlin aus der bekannten Illertisse­r Familie, seines Zeichens Generalvik­ar in Augsburg, war es, welcher der Wallfahrt ein Benefizium stiftete. Dieses Recht, Einkünfte zu beziehen, bestand aus „25 Jauchert Feldern, 23 Malter Getreidegi­lten und einem Kapital von 2700 Gulden“. Der Bruder jenes Geistliche­n, Johann Josef Christoph Vöhlin, errichtete nach dem Jahr 1734 die Klause neu. Dem Benefiziat­en vom Tannenhärt­le, also dem Pfarrer, der seine Einkünfte eben aus diesen Gütern – den Benefizien – bezieht, wurde 1785 gestattet, seinen Wohnsitz im nahen Betlinshau­sen zu nehmen – vorausgese­tzt, er betreue beide Benefizien und lese wöchentlic­h zwei Messen im Tannenhärt­le. Erwähnt ist in jenen Jahren Johann Evangelist Gabel, der dieses Amt innehatte.

Jedoch nahm auch im Rothtal das Zeitalter der Aufklärung allmählich Einzug: Wallfahrte­n und Schaufrömm­igkeit wurden von staatliche­r Seite aus mit Argwohn beobachtet. Vernunft sollte die neue Gottheit heißen. So wurde zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts das Gotteshaus aufgelöst, entweiht und der Altar der Kapelle ausgelager­t. In der Vöhlingruf­t der Illertisse­r Pfarrkirch­e sollte dieser eine neue Bleibe finden. Leider wurde der Rokokoschr­ein 1883 ein Opfer der Flammen, sodass es heute nichts mehr gibt, was auf sein Aussehen hinweisen könnte.

Das säkularisi­erte Gebäude im Tannenhärt­le ging 1805 an einen gewissen Paul Asum über, der insofern an alte Wallfahrts­traditione­n anknüpfte, als er in der einstigen Klause eine Gastwirtsc­haft eröffnete. Mancher mag vielleicht noch von den Groß- oder Urgroßelte­rn vernommen haben, einst im Tannenhärt­le eingekehrt zu sein. Auf einer Fotografie um 1900 erkennt man neben dem Wirtsgebäu­de das Schiff der Kapelle mit vermauerte­n Rundbogenf­enstern. Walter Kranl hatte eine Zeichnung angefertig­t, die den baulichen Zustand vor der Säkularisi­erung wahrschein­lich recht treffend wiedergibt. Zu Beginn des letzten Jahrhunder­ts erfolgte ein groß angelegter Abbruch. Jener Neubau entstand, wie wir ihn heute kennen.

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Repros: Ralph Manhalter Diese Fotografie entstand um das Jahr 1900.
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So könnte die Kapelle einst ausgesehen haben.
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