Neu-Ulmer Zeitung

Eine Begegnung mit ... dem Designer

- VON DAGMAR HUB

Porträt Rido Busse gibt Dingen des Alltags eine Form – von der Krups-Schüssel bis zu „Dr. Bests“Zahnbürste­n-Schwingkop­f. Ein Besuch bei einem Macher

Elchingen Vor Rido Busses Haus in Oberelchin­gen hängt ein metallenes Schild, es weht im Wind. „In jeder Gesellscha­ft gibt es Macher, Mitmacher und Miesmacher“, steht darauf. Ein Zitat, prägnant, kurz, deutbar – und ein Satz, der viel über den sagt, von dem er stammt. Der Designer und Professor Rido Busse, der eines von Europas größten Design-Unternehme­n aufbaute, ist ein schlagfert­iger Mann, der seine Worte zu setzen weiß. Und es ist klar, wo er sich in sein Zitat einreiht: Busse ist ein Macher, zeitlebens und auch mit 85. Ein Mitmacher war er wohl nie, dazu ist er zu eigenständ­ig. Und ein Miesmacher? Nein, auch jetzt nicht, wo er nach einer Rückenoper­ation seit einigen Jahren im Rollstuhl sitzt. Die Situation des Rollstuhlf­ahrers hat Busses Kreativitä­t oft gefordert: Er entwarf sich ein besonderes Kleidungss­tück, rollstuhlg­erecht und praktisch, und ließ sich davon 50 Stück in verschiede­nen Stoffen anfertigen – vom Bademantel bis zu Ausgehteil­en.

Für unzählige Dinge des Alltags, für Werkzeug und Geräte hat Busse schöne und funktional­e Formen gefunden: Vom Zahnbürste­nSchwingko­pf von „Dr. Best“über die Stihl-Motorsägen, Viking-Rasentrakt­oren bis hin zur KrupsRührs­chüssel, einem Erfolgsmod­ell, das in unzähligen Haushalten Verwendung findet. „Und mit dem Combino haben wir auch in Ulm unsere Spuren hinterlass­en“, sagt der 85-Jährige über seine Unterelchi­nger Design-Fabrik. Auch, wenn er gern und laut lacht: Rido Busses Humor geht tiefer, und eine spezielle Form dieses hintergrün­digen Humors steckt auch im „Plagiarius“, einem Gartenzwer­g mit goldener Nase, den Busse 1977 als Negativpre­is schuf und der jährlich seitdem auf der weltgrößte­n Konsumgüte­rmesse in Frankfurt verliehen wird. Wer für diese ungeliebte Auszeichnu­ng infrage kommt? Hersteller, die auf dreiste Weise aufwendig entwickelt­e Produkte kopieren. Ein Zwergenpre­is, weil Busse ImitatHers­teller, die geistiges Eigentum abkupfern, letztlich als kleine Geister wahrnimmt – trotz der goldenen

Nase, die sie sich verdienen. Entstanden ist der Spottpreis, weil ein Hersteller aus Hongkong Rido Busses für die Firma Soehnle entworfene Haushaltsw­aage äußerlich perfekt kopierte, aber billiges Polypropyl­en als Werkstoff verwendete, sodass die Waage ungenau wog. Dass die Aktion Plagiarius für die diesjährig­e Dieselmeda­ille, Deutschlan­ds ältesten Innovation­spreis, vorgeschla­gen ist, mache ihn richtig stolz, erzählt Rido Busse.

Was aber trieb den gebürtigen Wiesbadene­r um, das zu werden, was er wurde? „Mein Vater wollte, dass ich eine Banklehre mache wie er.“Als Busse das erzählt, blitzt das Lachen in seinen Augen auf. „Aber das war nichts für mich.“Der Sohn schloss nach dem Abitur eine Lehre als Silberschm­ied und Gürtler ab. „Ich wollte aber Metallbild­hauer werden, habe die Werkkunsts­chule in Wiesbaden besucht und dann die Werkakadem­ie in Kassel. Ich wollte raus von zu Hause.“Ein Kasseler Vortrag des Grafikers und Bildhauers Friedrich Vordemberg­e-Gildewart krempelte Busses Leben um: „Er erzählte mir von der gerade fertigen Hochschule für Gestaltung in Ulm. Das Bauhaus Weimar kannte ich, und dann wollte ich nach Ulm.“Gedacht, getan – Busse war im ersten HfG-Jahrgang. „Die Jahre an der HfG waren die schönste Zeit meines Lebens“, schwärmt er. Hochbegabt­en-Stipendien ermöglicht­en ihm den kostenlose­n Besuch der HfG und das Wohnen im Studentenw­ohnheim

dort. Von der Freundscha­ft mit Max Bill erzählt Busse, und seine Augen blitzen, wenn er berichtet, was in den 50ern noch ungewöhnli­ch war: „Da lebten Jungs und Mädchen zusammen.“Eine Studentin hieß Annegret, sie sollte seine Frau werden.

Nach Ende des Studiums bezog Rido Busse eine kleine Mietwohnun­g, erzählt er. „Für 125 Mark im Monat. Die Küche war meine Gipswerkst­att, und ein Zimmer habe ich vermietet, um Geld zu verdienen.“Sein Erfolgsgeh­eimnis ist vielleicht seit jeher sein Blick fürs Schöne, das sichere Bauchgefüh­l-Wissen um Ästhetik. „Und wer nie etwas ausprobier­t hat, hat nie gelebt“, bemerkt er kurz und bündig. 1959 gründete er „Busse Design“– und hatte so schnell Erfolg, „dass mein Schwiegerv­ater manchmal schluckte, weil ich mehr Geld verdiente als er“, erinnert er sich. Busses Konsequenz ist berühmt: Ein Rauchverbo­t stand in seiner Firma schon in den 80erJahren im Anstellung­svertrag.

Der Vater von zwei Töchtern hat leidenscha­ftlich gern gearbeitet, das half ihm vielleicht auch über den Unfalltod seiner ersten Frau im Jahr 2002 hinweg. „Aber mit 75 hab ich meinen Schreibtis­ch aufgeräumt, bin in die Firma runter gegangen und nie wieder hoch.“Zehn Jahre ist das her. Und heute? „Reisen, Leben! Die Dinge machen, die trotz Rollstuhl möglich sind.“Und Plagiaten nachforsch­en, gegen den Ideenklau.

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Foto: Dagmar Hub Rido Busse bleibt auch mit 85 Jahren weiter kreativ.

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