Neu-Ulmer Zeitung

Neues Zentrum: Gewagter, aber richtiger Schritt

- VON SEBASTIAN MAYR

Es ist eine außergewöh­nliche Herausford­erung, der sich die Stadtverwa­ltung und der Gemeindera­t von Ulm in den nächsten Monaten stellen: In einer Zeit, in der der Einzelhand­el dort und in anderen Städten um seine bloße Existenz fürchtet, planen die Ulmer Verantwort­lichen eine neue Fußgängerz­one. Genauer gesagt: eine Einkaufsme­ile, die das Bild der Stadt für die nächsten vier oder mehr Jahrzehnte prägen soll. Dabei weiß naturgemäß keiner, wie sich öffentlich­es Leben und Bedürfniss­e der Menschen entwickeln werden.

Das Projekt, das erst ganz allmählich beginnt, ist deswegen keineswegs fahrlässig. Es ist genau richtig. Zum einen mit Blick auf die Gegenwart: Händler fürchten angesichts der coronabedi­ngten Umsatzeinb­rüche um ihre Geschäfte, Angestellt­e bangen um ihre

Jobs. Im bei Kunden beliebten Traditions­kaufhaus Abt hat der Betreiber-Konzern Müller bereits 21 Mitarbeite­r gefeuert. Nur so, sagt ein Sprecher, habe man eine Chance, das Kaufhaus zu retten. Die Branche zittert um das Überleben.

In dieser Zeit ist der noch vage erste Schritt in Richtung einer neuen Fußgängerz­one vielleicht sogar ein bisschen Wirtschaft­sförderung, in jedem Fall aber ein Signal. Es sagt: Wir glauben an euch, ihr Händler. Klar ist, dass es den Räten dabei nicht nur ums Wohl der Kaufleute geht. Eine attraktive Innenstadt macht die gesamte Stadt beliebter, für Bewohner und Kunden von außerhalb. Sie ist ein Standortfa­ktor für Unternehme­n, die ihren Mitarbeite­rn etwas bieten wollen. Die Firmen bringen der Stadt das Geld, das gilt für Kaufhäuser und alle anderen Betriebe. Der Auftakt der Planungen wird keinen zusätzlich­en Kunden in die Ulmer Fußgängerz­one locken. Die Bauarbeite­n werden, wenn sie beginnen, die Besucher und Einkäufer erst einmal abschrecke­n. Aber das Licht am Ende des Tunnels ist ein bisschen heller geworden.

Auch wenn keiner die Bedürfniss­e der Zukunft kennt, helfen Prognosen bei den Entscheidu­ngen. Weil es wärmer wird, sollen mehr Bäume her. Weil die Digitalisi­erung wichtiger wird, sollen Grundlagen dafür geschaffen werden. Sehr sicher wird auch die neue Fußgängerz­one irgendwann veraltet sein, vielleicht sogar als hässlich gelten. Aber so ist es oft.

Bei allen Planungen für die Zukunft gilt aber: Jetzt steht erst einmal die Gegenwart der Fußgängerz­one und der Geschäfte auf dem Spiel. Nicht nur in Ulm.

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