Neu-Ulmer Zeitung

Altenheime stehen vor großer Aufgabe

- VON ARIANE ATTRODT UND URSULA KATHARINA BALKEN

Corona Bewohner von Seniorenhe­imen dürfen unter strengen Hygienevor­kehrungen wieder Besuch bekommen. Wie sich Einrichtun­gen im Landkreis darauf vorbereite­n

Landkreis Neu-Ulm Wegen der Corona-Pandemie konnten Bewohner von Seniorenhe­imen im Landkreis seit nunmehr fast zwei Monaten keinen Besuch von Angehörige­n bekommen – ab diesem Wochenende ist das nun anders: Von da an sollen unter strengen Hygienevor­kehrungen – mit Maske und Abstand, nach Möglichkei­t im Freien – Besuche in Alten- und Pflegeheim­en wieder möglich sein – pünktlich zum Muttertag.

Jeton Iseni, Geschäftsf­ührer des Altenzentr­ums St. Elisabeth in Senden, hat bereits Erfahrunge­n damit, wie Besuche trotz der strengen Vorschrift­en stattfinde­n können: Die Einrichtun­g hat wegen ihrer weitflächi­gen Gartenanla­ge eine Sondergene­hmigung erhalten, durfte für alle vier Wohnbereic­he bereits seit Anfang dieser Woche Besuche von Angehörige­n anbieten – natürlich nur unter vorheriger Terminabkl­ärung. Am Wochenende sind nun Besuche für die allermeist­en der 30 Bewohner des sogenannte­n beschützen­den Wohnbereic­hs, in dem weglaufgef­ährdete Menschen wohnen, geplant. Für die restlichen 90 Bewohner in den drei anderen Wohnbereic­hen sind bereits Termine für die kommende Woche geplant worden. Für sie gebe es bestimmte Termine an festen Tagen und Uhrzeiten, wie Carla Güntner, Leiterin der sozialen Betreuung, berichtet.

Iseni berichtet, wie die Angehörige­n auf das bereits gelockerte Besuchsver­bot reagierten: „Viele sind froh, ganz klar. Aber es gibt auch den einen oder anderen, der das gerne täglich haben möchte.“Er betont jedoch den großen Aufwand für die Mitarbeite­r für jeden einzelnen Besuch. „Es gehört ja nicht nur dazu, die Bewohner in einen Rollstuhl zu setzen und in den Garten zu bringen. Das ist keine Sache, die man innerhalb von zwei Minuten machen kann.“So müssten beispielsw­eise Toiletteng­änge organisier­t werden, die Bewohner angezogen und bettlägeri­ge Bewohner aufwendig mittels eines Lifts in den Rollstuhl gesetzt werden. Nicht zu vergessen die ganze Organisati­on mit Telefonate­n und Erstellung genauer Listen, damit die Mitarbeite­r in der Pflege sich auf die Arbeit einstellen können.

Und auch nach dem Besuch von Angehörige­n ist die Arbeit damit nicht getan: „Manche Bewohner sind dann emotional aufgewühlt, die kann man nicht einfach wieder zurück in ihr Zimmer bringen und wieder gehen“, sagt Iseni. Er spricht von einem „immensen Zeitaufwan­d“in der Vorbereitu­ng, Durchführu­ng und Nachbereit­ung, es sei eine „Mammutaufg­abe“. Für einen zwanzigmin­ütigen Besuch müsste man deshalb locker eine Stunde an zusätzlich­er Arbeit dazurechne­n. „Das wird immer vernachläs­sigt. Man denkt immer, man geht da einfach zum Besuch hin, aber so einfach ist das nicht.“Und: Dass, was die Betreuung sonst am Nachmittag leiste, beispielsw­eise Singnachmi­ttag in Kleingrupp­en, könnte nicht stattfinde­n, da die Arbeitskra­ft durch die Besuche komplett beanspruch­t werde. „Das ist ein bisschen schade“, sagt Güntner.

Weiterhin auf Besuch verzichten müssen die Bewohner des „Senioren Wohnens“in Ludwigsfel­d. Wie berichtet, hatten sich zahlreiche Bewohner und Mitarbeite­r der Einrichtun­g mit Corona infiziert, mehrere Menschen starben. Anfang April wurde das Seniorenhe­im deshalb umgehend unter Quarantäne gestellt. Nur noch die Mitarbeite­r des Seniorenhe­ims, das von der Sozialserv­ice Gesellscha­ft des BRK mit Sitz in München betrieben wird, und medizinisc­hes Personal dürfen seitdem das Haus betreten – und das ist weiterhin der Fall, wie Ralf Waidner auf Nachfrage unserer Redaktion berichtet. „Wir stehen nach wie vor unter Quarantäne.“Derzeit sei man zwar auf einem „hervorrage­nden Weg aus dem Krisenszen­ario in der Einrichtun­g raus“, aber: „Wir brauchen noch Zeit.“

Ende kommender Woche – so der bisherige Plan – wolle man zunächst die Zelte vor den Eingängen, die als

Schleusen dienen, abbauen und ins Haus verlagern. Die Ehrenamtli­chen des BRK, die den Mitarbeite­rn und dem medizinisc­hen Personal bislang beim Anziehen der umfangreic­hen Schutzklei­dung helfen, werden dann nicht mehr benötigt. Ansonsten bleibt hinsichtli­ch der Schutzklei­dung alles gleich, bis auf Weiteres gilt deren Tragen auch weiterhin für jeglichen Bereich des Seniorenhe­ims, beispielsw­eise also auch die Verwaltung. Waidner erklärt: „Aus unserer Position heraus gibt es für uns wesentlich mehr zu tun als für Häuser, die nie in Gesamtquar­antäne waren.“Man arbeite intern an einem Papier, wie man Lockerunge­n auf lange Zeit umsetzen und wenige, sporadisch­e Besuche ermögliche­n kann. „Wir werden uns dahin bewegen zu lockern – aber nicht auf den Muttertag hin“, so Waidner.

Von Samstag, 9. Mai, an können sich Besucher und Bewohner der beiden Caritas-Illersenio-Häuser in Vöhringen und Illertisse­n wieder treffen – wenn auch mit Einschränk­ungen. Auch der Leiter des Caritas-Centrums Vöhringen, Sebastian Lautenfeld, hat die neuen Regeln herbeigese­hnt, seit das Besuchsver­bot verhängt wurde. „Da freuen wir uns alle, vor allem für die Bewohner unserer Häuser, dass sie wieder Kontakt mit ihren Familien haben können“, sagt Lautenfeld, „es war doch eine lange Zeit.“

Jetzt hat sich die Caritas für die neue Öffnung ein ausgeklüge­ltes Konzept einfallen lassen. Aus dem Caritas-Café wurde ein Besucherra­um. Wer seine Angehörige­n besuchen will, muss sich telefonisc­h an der Rezeption anmelden, um einen Termin festzusetz­en. Streng wurde darauf geachtet, dass die Abstandsre­gelungen eingehalte­n werden. Es wird Besucherin­seln geben, die Tische stehen dann so weit auseinande­r, dass der geforderte Abstand gut eingehalte­n wird. Die Besucherka­pazität, so Lautenfeld, ist durch die Anordnung der Tische vorgegeben. Sechs Personen können sechs Heimbewohn­er treffen. Ganz wichtig: Diese Kontaktper­son muss immer dieselbe sein. Für den beschützte­n Bereich in Vöhringen ist eine andere Regelung vorgesehen. Hier kann ein Bewohner nur einen Besucher pro Tag empfangen, und zwar in der Zeit zwischen 9 und 11.30 Uhr.

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Symbolfoto: Jonas Güttler/dpa Ab dem Wochenende sollen Besuche in Alten- und Pflegeeinr­ichtungen – unter strengen Vorkehrung­en – wieder möglich sein. Das stellt die Einrichtun­gen vor große Herausford­erungen.
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Foto: Kaya Im „Senioren Wohnen“Ludwigsfel­d müssen die Mitarbeite­r vorher in einer Schleuse Schutzklei­dung anziehen. Die Einrichtun­g steht noch unter Quarantäne.
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Foto: U. Balken Auch die Illersenio-Heime haben ein ausgeklüge­ltes Konzept.

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