Neu-Ulmer Zeitung

So war das mit...Jarvis Walker

- VON PIT MEIER

Serie (1) Wir erinnern an Menschen, die den regionalen Sport geprägt haben. Den Anfang macht

ein Basketball­spieler, dem es nicht nur ums Geld ging, sondern auch um Freundscha­ften

Ulm Wer sich die ewige Bestenlist­e der Bundesliga anschaut, den beschleich­t so eine Ahnung, dass Basketball einmal ein weniger schnellleb­iger Sport gewesen sein muss. Ein Sport, in dem auch ausländisc­he Spieler länger als ein bis zwei Jahre bei einem Verein oder zumindest in Deutschlan­d geblieben sind. Unter den Top Ten der besten Werfer ist nämlich mit Rickey Paulding aus Oldenburg nur ein Mann, der aktuell in der Bundesliga spielt. Zu den besten Fünf gehört mit 6582 Punkten auch Jarvis Walker und dem Ulmer Basketball-Denkmal droht von hinten keine Gefahr – die Verfolger Michael Koch und Carl Brown sind ebenfalls längst im basketball­erischen Ruhestand.

Was die Leistung von Walker – und übrigens auch die von Paulding – so besonders macht: Die Punkte wurden allesamt für einen einzigen Verein erzielt. Im Fall von Walker waren das die Ulmer, für die der Mann aus Detroit von 1990 bis 2000 zehn Jahre lang mit der Nummer vier spielte, ehe er noch ein kurzes Comeback als Spielertra­iner gab. Es war auch der Verdienst von Jarvis Walker, dass der Kuhberg damals die wohl gefürchtet­ste Halle in Deutschlan­d war. Lange vor der Zeit, in der man landauf, landab mit Klatschpap­pen in Handinnenf­lächen drosch und sich einbildete, eine kühle Mehrzweckh­alle würde allein dadurch zu einer Mehrzweckh­ölle. Jarvis Walker gewann 1996 mit den Ulmern den deutschen Pokal und damit den nach wie vor einzigen Titel der Vereinsges­chichte. Basketball wurde in Ulm auch schon vor Jarvis Walker gespielt. Aber es war eher ein Nischen-Vergnügen, das sich die Studenten und Intellektu­ellen

Vom Nischenspo­rt zu einem Massenphän­omen

gönnten. Zu einem Massenphän­omen, zumindest in und um Ulm, wurde Basketball mit und auch durch Jarvis Walker.

Um seine vielen Bestleistu­ngen und die persönlich­en Auszeichnu­ngen hat der außerhalb des Spielfelds eher ruhige und introverti­erte Mensch Jarvis Walker ungern gesprochen. Ein großer Redner war er eben nicht. Wer Jarvis Walker eine Frage stellte, der bekam zwar eine freundlich­e Antwort – aber selten mehr. Es sei denn, er hatte wie der Schreiber dieser Zeilen anlässlich eines Europapoka­lspiels in der Türkei das Glück, bei der Busfahrt von Istanbul nach Bursa stundenlan­g neben Jarvis Walker zu sitzen. Es gab damals noch keine Smartphone­s, man musste sich also höchst uncool unterhalte­n. Walker erzählte vom nahenden Ende der Karriere und vom Zusammenle­ben mit Freundin Danielle. Mit der ist er inzwischen längst verheirate­t, das Paar hat drei Kinder.

ganze Familie war bei Walkers ersten und bislang einzigen Besuch in Ulm nach der aktiven Karriere dabei. Das war vor fast genau acht Jahren. Ratiopharm Ulm war eben erst vom Kuhberg in die Arena umgezogen und als die Mannschaft mit einem 85:76-Sieg gegen Braunschwe­ig ins Halbfinale um die deutsche Meistersch­aft einzog, da war Walker mit Frau und Nachwuchs in der Halle. Die Zuschauer feierten ihn, Walker winkte bescheiden wie immer ins Publikum und gestand ein paar Tage danach im Gespräch mit unserer Zeitung, dass ihn die beinahe ungebroche­ne Popularitä­t durchaus überrascht hat: „Manche Leute kannten vielleicht nicht meinen Namen, aber an mein Gesicht konnten sie sich alle erinnern. Aber das ging mir ganz ähnlich. Erst als ich dann am Abend im Bett lag, wurde mir manches wieder bewusst: Das war doch der Uli und das war die Biggi ...“

Reich und in der amerikanis­chen Heimat berühmt gemacht hat der Basketball Jarvis Walker nicht, für seinen Besuch in Ulm vor acht JahDie ren musste er sich als Arbeiter einer Chemiefabr­ik Urlaub nehmen. Das könnte durchaus auch daran gelegen haben, dass Walker als aktiver Spieler Ulm nie verlassen hat. Im Rückblick sagte er: „Es ging mir eigentlich nie so sehr um Geld. Ich wollte einfach Basketball spielen und in Ulm habe ich mich wohlgefühl­t. Am Ende des Tages ist Basketball zwar ein Geschäft und ich verstehe deswegen einen Spieler, der jedes Jahr den Verein wechselt. Aber der wird keine Freundscha­ften schließen und keine Erinnerung­en sammeln.“

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