Das war’s mit der Harmonie
Fußball Als eine der Lehren der Corona-Krise galt die Rückbesinnung auf angestaubte Tugenden.
Karl-Heinz Rummenigge hält davon wohl wenig und attackiert den DFB-Präsidenten
Berlin Die zuletzt in Corona-Krisenzeiten viel beschworene Solidarität und Harmonie im deutschen Profifußball hielt nicht einmal bis zum Ende des ersten Bundesliga-Spieltages. Noch vor der Montagspartie zwischen Werder Bremen und Bayer Leverkusen war es mit dem Einvernehmen endgültig vorbei, als Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag unter Wahrung aller Hygiene- und Abstandsregeln vor das von Plastikfolien umhüllte Mikrofon des TV-Senders trat – und die Kritik von DFB-Präsident Fritz Keller konterte.
Rummenigge bedankte sich bei der Politik, äußerte sich zu den Vertragsverhandlungen mit Torwart Manuel Neuer. Und sprach dann wenige weitere Sätze, die dem Deutschen Fußball-Bund überhaupt nicht gefallen dürften. Eine Stellungnahme gab es zunächst nicht. Er sei „irritiert über die – meiner Meinung nach populistische – Wortwahl von Fritz Keller“, sagte Rummenigge als Replik auf die Kritik des DFB-Chefs an einer „Großkotzigkeit“im deutschen Profifußball. Und weiter: „Vielleicht sollte man sich beim DFB mal einen Besen kaufen, um vor der eigenen Tür zu fegen, das wäre in dem Fall auch angebracht.“Rumms. Das saß.
Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes hatte in einem
gesagt, man sehe nun, „wozu es führt, wenn die Neureichen, von denen einige auch in der Bundesliga am Ball sind, mit ihrem Geld herumprotzen.“Diese „Großkotzigkeit“falle „uns allen auf die Füße. Das ist eine Katastrophe für das Image des Fußballs. Wir müssen uns damit befassen, wie es nach der Krise weitergeht. Mit mehr Demut, nah bei den Menschen“, sagte Keller.
Wen oder was Keller mit seinen Aussagen genau meinte, blieb unklar, dürfte sich aber auf öffentlich gemachte Fotos mit Goldsteaks, Luxuskarossen oder teuren Uhren bezogen haben. Alles andere als unklar dagegen die Worte Rummenigges. „Wenn wir eine Krise in den letzten Jahren im deutschen Fußball hatten, dann war sie beim DFB zu suchen.“Er würde sich wünschen, dass der DFB in der Corona-Krise seine „Hausaufgaben“mache, betonte der 64-Jährige vor dem Spiel seines FC Bayern München beim 1. FC Union Berlin (2:0). Der Rekordmeister habe „gleich doppelt deutlich gemacht, wer im deutschen Fußball nach bayerischem Selbstverständnis als absolute Nummer eins zu gelten hat: sportlich, aber auch sportpolitisch“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach Rummenigges Verbalattacke.
Nun könnte man die bayerische Breitseite nur als weitere Wendung im immer wieder aufflammenden Konflikt zwischen Großklubs und Verband abtun. Doch schon am Montag pflichteten andere Vereine der Rummenigge-Replik bei. Denn hinter dessen Worten steckte auch die Aufforderung an den DFB, nun auch wieder Spiele in der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga zu ermöglichen. In den beiden Ligen ruht der Spielbetrieb. Wann und wie es dort mit Geisterspielen weitergeht, hängt allerdings (auch) noch an der Zustimmung der Politik.
„Ich würde mich freuen, wenn nach dem erfolgreichen Re-Start der Bundesliga weitere Ligen wie die 3. Liga und die Frauen-Bundesliga möglichst bald wieder loslegen würden. Insofern stimme ich KarlHeinz Rummenigge zu“, sagte RB Leipzigs Vorstandschef Oliver Mintzlaff. Der Solidartopf der Deutschen Fußball Liga, aus dem 25 Vereine aus der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga je 300000 Euro erhalten, sei auch dafür gedacht, dass diese ihren Spielbetrieb fortsetzen können, erläuterte Rummenigge. „Das wäre etwas, dass nicht nur die Männer-Bundesliga jetzt spielt, sondern auch die 3. Liga. Das ist ein Anspruch, dem der DFB jetzt gerecht werden muss.“
»Randbemerkung
Fritz Keller prangert „Großkotzigkeit“an
und forderte den DFB-Präsident seinerseits wenig filigran auf, sich einen Besen zu besorgen, um vor der eigenen Haustür zu kehren. Der Verband solle erst mal die Frauen-Bundesliga wieder zum Laufen bringen, ehe er sich in andere Angelegenheiten einmischt. Ein Vorwurf, der nicht verfängt. Der DFB und seine Regionalverbände sind nicht nur für ein paar Großverdiener verantwortlich – wie die DFL –, sondern für hunderttausende Jugend- und Amateurspieler.
Die Profikicker erhielten von Politik und Gesellschaft einen enormen Vertrauensvorschuss. Ihnen wird erlaubt, was anderen verboten ist. DFL-Boss Christian Seifert deutete die Zeichen der Zeit richtig, als er eine Rückbesinnung auf Demut und Solidarität im Profigeschäft forderte. Viele Vereinsvertreter pflichteten ihm öffentlichkeitswirksam bei.
Nun ist es an der Zeit, die Worte mit Leben zu füllen. Es gilt, nicht nur bei der Ausverhandlung milliardenschwerer TV-Verträge Seite an Seite aufzutreten, sondern auch ein vollkommen entkoppeltes Geschäft und seine frei schwebenden Protagonisten wieder der Realität näher zu bringen. Bei der ersten zarten Kritik beleidigt um sich zu schnappen, steht dem FC Bayern nicht gut. Der wichtigste deutsche Verein sollte vielmehr als gutes Beispiel vorangehen. Das hat bis zu Rummenigges Äußerungen gut geklappt – und das kann es auch anschließend wieder.