Kampfrichter tragen Sakko und Krawatte
Schiri-Serie (1) Michael Wolfgang bewertet die Übungen der Turner
in der Bundesliga. Warum diese Aufgabe derart schwierig ist
Pfuhl Michael Wolfgang ist Leiter der Turnabteilung im TSV Pfuhl sowie erfahrener Kampfrichter in den obersten Klassen. Derzeit ist er wegen der Corona-Krise zwar wenig beschäftigt. Doch auch er hofft, dass die kommende Zweitliga-Saison für die Pfuhler wie geplant Ende Oktober wieder beginnen kann. „Vielleicht gibt es eine kleine Terminverschiebung, aber ich freue mich schon sehr darauf“, sagt der 53-Jährige.
Es ist gar nicht so einfach, die Übungen der einzelnen Turner gerecht zu bewerten. Im Fußball gilt zum Beispiel: Tor oder nicht Tor, notfalls hilft der Video-Assistent. Beim Turnen heißt es nicht nur: Übung ohne Sturz beendet. „Da werden zunächst der Schwierigkeitsgrad und die Ausführung bewertet“, erklärt Michael Wolfgang, der früher selbst ein Klasseturner war. Er fing beim TV Wiblingen an, wechselte später ins Leistungszentrum zum SSV Ulm 1846, bekam dann einen Vertrag beim Bundesligisten WKTV Stuttgart, um schließlich vor gut 20 Jahren seine aktive Karriere beim TSV Pfuhl ausklingen zu lassen. Nun ist er seit Jahren Kampfrichter in den Bundesligen.
Wie schwer es mitunter ist, einen Turner fair zu bewerten, das hat beispielsweise der Wettkampf des TSV Pfuhl gegen den Siegerländer KV (33:42) im November des vergangenen Jahres gezeigt. Gleich dreimal gab es auch wegen technischer Pannen Probleme bei der Ermittlung des Ausgangs eines Duells, in den minutenlangen Unterbrechungen ging es am Kampfrichtertisch recht hektisch zu. Mitten drin war Michael Wolfgang. Er ist Teil eines fünfköpfigen Kampfrichterteams, bestehend aus dem neutralen Oberkampfrichter, zwei weiteren neutralen Kampfrichtern und je einem Kampfrichter der beiden Vereine.
Sie alle sehen aus wie aus dem Ei gepellt. Der Deutsche Turnerbund (DTB) besteht auf Sakko, Krawatte und Hemd mit Verbandssignet. „Auswärts war ich auch schon oft als Oberkampfrichter eingesetzt“, berichtet Wolfgang. Der ist beispielsweise dann gefordert, wenn die Kollegen mit ihren Bewertungen zu weit auseinander liegen.
Dabei orientieren sich die Kampfrichter an den Schwierigkeiten der einzelnen Elemente einer Übung. Wenn etwas nicht klappt, dann gibt es Abzüge und am Ende steht eine Wertungsnote. Die Scorerpunkte werden dann vom Computer errechnet. Es kann ein Unentschieden geben, mal nur ein 1:0, aber auch ein 5:0. Michael Wolfgang hat sich angewöhnt, die Wettkämpfer schon beim Einturnen zu beobachten: „Dann weiß ich, was mich erwartet.“
Der Weg zum Kampfrichter ist ein kurzer. Wolfgang musste an einem Lehrgang teilnehmen, eine schriftliche Prüfung ablegen und eine auf Video aufgezeichnete Übung bewerten. Das hat er so gut hinbekommen, dass er als Inhaber einer A-Lizenz auch in den Bundesligen werten darf.
Die Weiterbildung ist in Bayern eine ziemlich unkomplizierte Angelegenheit: „Bei den Wettkämpfen sind ja sowieso fünf Kampfrichter
Weltklasse-Leute in der deutschen Bundesliga
anwesend und die besprechen an dem Tag intensiv alle Neuerungen und Änderungen. In den langen Wettkampf-Unterbrechungen behält Wolfgang die Entwicklung sowieso immer im Auge: „Ich muss schließlich wissen, was die Weltklasse-Leute drauf haben, denn einige von denen turnen ja in der deutschen Bundesliga. Langweilig wird mir da nie.“