Neu-Ulmer Zeitung

Kampfricht­er tragen Sakko und Krawatte

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Schiri-Serie (1) Michael Wolfgang bewertet die Übungen der Turner

in der Bundesliga. Warum diese Aufgabe derart schwierig ist

Pfuhl Michael Wolfgang ist Leiter der Turnabteil­ung im TSV Pfuhl sowie erfahrener Kampfricht­er in den obersten Klassen. Derzeit ist er wegen der Corona-Krise zwar wenig beschäftig­t. Doch auch er hofft, dass die kommende Zweitliga-Saison für die Pfuhler wie geplant Ende Oktober wieder beginnen kann. „Vielleicht gibt es eine kleine Terminvers­chiebung, aber ich freue mich schon sehr darauf“, sagt der 53-Jährige.

Es ist gar nicht so einfach, die Übungen der einzelnen Turner gerecht zu bewerten. Im Fußball gilt zum Beispiel: Tor oder nicht Tor, notfalls hilft der Video-Assistent. Beim Turnen heißt es nicht nur: Übung ohne Sturz beendet. „Da werden zunächst der Schwierigk­eitsgrad und die Ausführung bewertet“, erklärt Michael Wolfgang, der früher selbst ein Klasseturn­er war. Er fing beim TV Wiblingen an, wechselte später ins Leistungsz­entrum zum SSV Ulm 1846, bekam dann einen Vertrag beim Bundesligi­sten WKTV Stuttgart, um schließlic­h vor gut 20 Jahren seine aktive Karriere beim TSV Pfuhl ausklingen zu lassen. Nun ist er seit Jahren Kampfricht­er in den Bundeslige­n.

Wie schwer es mitunter ist, einen Turner fair zu bewerten, das hat beispielsw­eise der Wettkampf des TSV Pfuhl gegen den Siegerländ­er KV (33:42) im November des vergangene­n Jahres gezeigt. Gleich dreimal gab es auch wegen technische­r Pannen Probleme bei der Ermittlung des Ausgangs eines Duells, in den minutenlan­gen Unterbrech­ungen ging es am Kampfricht­ertisch recht hektisch zu. Mitten drin war Michael Wolfgang. Er ist Teil eines fünfköpfig­en Kampfricht­erteams, bestehend aus dem neutralen Oberkampfr­ichter, zwei weiteren neutralen Kampfricht­ern und je einem Kampfricht­er der beiden Vereine.

Sie alle sehen aus wie aus dem Ei gepellt. Der Deutsche Turnerbund (DTB) besteht auf Sakko, Krawatte und Hemd mit Verbandssi­gnet. „Auswärts war ich auch schon oft als Oberkampfr­ichter eingesetzt“, berichtet Wolfgang. Der ist beispielsw­eise dann gefordert, wenn die Kollegen mit ihren Bewertunge­n zu weit auseinande­r liegen.

Dabei orientiere­n sich die Kampfricht­er an den Schwierigk­eiten der einzelnen Elemente einer Übung. Wenn etwas nicht klappt, dann gibt es Abzüge und am Ende steht eine Wertungsno­te. Die Scorerpunk­te werden dann vom Computer errechnet. Es kann ein Unentschie­den geben, mal nur ein 1:0, aber auch ein 5:0. Michael Wolfgang hat sich angewöhnt, die Wettkämpfe­r schon beim Einturnen zu beobachten: „Dann weiß ich, was mich erwartet.“

Der Weg zum Kampfricht­er ist ein kurzer. Wolfgang musste an einem Lehrgang teilnehmen, eine schriftlic­he Prüfung ablegen und eine auf Video aufgezeich­nete Übung bewerten. Das hat er so gut hinbekomme­n, dass er als Inhaber einer A-Lizenz auch in den Bundeslige­n werten darf.

Die Weiterbild­ung ist in Bayern eine ziemlich unkomplizi­erte Angelegenh­eit: „Bei den Wettkämpfe­n sind ja sowieso fünf Kampfricht­er

Weltklasse-Leute in der deutschen Bundesliga

anwesend und die besprechen an dem Tag intensiv alle Neuerungen und Änderungen. In den langen Wettkampf-Unterbrech­ungen behält Wolfgang die Entwicklun­g sowieso immer im Auge: „Ich muss schließlic­h wissen, was die Weltklasse-Leute drauf haben, denn einige von denen turnen ja in der deutschen Bundesliga. Langweilig wird mir da nie.“

 ?? Foto: Stefan Kümmritz ?? Wie aus dem Ei gepellt: Michael Wolfgang in der vom Verband vorgeschri­ebenen Kleidung eines Kampfricht­ers vor dem Pfuhler Turnzentru­m.
Foto: Stefan Kümmritz Wie aus dem Ei gepellt: Michael Wolfgang in der vom Verband vorgeschri­ebenen Kleidung eines Kampfricht­ers vor dem Pfuhler Turnzentru­m.

Newspapers in German

Newspapers from Germany