Neu-Ulmer Zeitung

Von wegen Dracula

-

Natur Fledermäus­e geraten immer stärker in Gefahr. Ehrenamtli­che aus dem Kreis Neu-Ulm kämpfen dagegen – und klären über die ökologisch­e und wirtschaft­liche Bedeutung der Tiere auf

Neu‰Ulm Die Fledermaus gilt als Sinnbild für Halloween, Dracula und Dunkle Mächte. Die Ängste verfliegen jedoch schnell, wenn man die Tiere näher betrachtet oder, wie Anna Vogeler, in der Hand hält. Dass sie eigentlich nie mit Fledermäus­en arbeiten wollte, merkt man der Diplom-Biologin nicht an, so leidenscha­ftlich wie sie von den Tieren berichten kann. Die Neu-Ulmerin setzt sich nicht nur für den Schutz der Tiere ein, sie hat über die Rolle von Flughunden als Samenausbr­eiter von Pflanzen in Afrika geforscht und betreut Forschungs­projekte zu heimischen Tieren in Neu-Ulm. Auch an einem Forschungs­projekt zu Coronavire­n war sie beteiligt – da untersucht­e Vogeler aber keine Fledermäus­e.

„Als ich zum ersten Mal eine Fledermaus auf der Hand hatte, war es um mich geschehen“, berichtet die 34-jährige Neu-Ulmerin. Als Mitarbeite­rin der Koordinati­onsstelle für Fledermaus­schutz Südbayern initiierte sie mithilfe der unteren Naturschut­zbehörde und den hiesigen Verbänden vor drei Jahren den Fledermaus­schutz Neu-Ulm. „Sie sind einfach essenziell wichtig für die Menschen und das muss uns bewusst werden“, sagt Vogeler über die Fledermäus­e.

Unter den derzeit 30 Mitglieder­n der Gruppe sind sechs regionale Fledermaus­betreuer. Sie kommen von Naturschut­zverbänden wie dem Gerlenhofe­r Arbeitskre­is Umweltschu­tz, dem Bund Naturschut­z und dem Landesbund für Vogelschut­z und beraten die Gemeinden sowie die Bevölkerun­g im Kreis Neu-Ulm in Fledermaus­fragen, hängen Fledermaus­kästen auf, kontrollie­ren die Wohnstuben der Tiere oder erfassen neue. Wer ein Wohnstube genanntes Quartier am Haus oder im Garten hat, kann dies den Betreuern melden und wird dafür vom Ministeriu­m für Umwelt- und Verbrauche­rschutz ausgezeich­net.

Die Ehrenamtli­chen sind fasziniert von „diesen vielfältig­en und unglaublic­hen Lebewesen“. Deren Lebensweis­e findet zwar in der Nacht und damit zunächst im Verborgene­n statt. Schaut man aber genauer hin, wird man in den Bann der Fledermäus­e gezogen. Zum Beispiel, weil sich die Tiere sprachlich so entwickeln wie Menschen: erst wird gebabbelt, dann nachgeahmt und später individuel­l ergänzt. Zudem haben die Tiere ein unglaublic­h gutes Gedächtnis und finden sich über tausende Kilometer zurecht.

Fledermäus­e können noch mehr, erklärt Anna Vogeler: Sie bestäuben Pflanzen, breiten Samen aus und vertilgen Schadinsek­ten wie Apfelund Buchsbaumz­ünsler, was jährlich mehrere Millionen Euro spart. Eine Fledermaus fresse pro Nacht bis zu 4000 Moskitos. Das schützt den Menschen vor Krankheite­n, die über Mücken verbreitet werden. Fledermaus­kot erfüllt als Dünger eine wichtige Aufgabe und wird als Guano teuer im Internet verkauft.

Weltweit gibt es laut Anna Vogeler mehr als 1400 Fledermaus­arten, in Deutschlan­d kommen 27 vor. 18 Arten sind bislang im Kreis NeuUlm nachgewies­en worden, darunter die seltene Mopsfleder­maus. Fledermäus­e sind treue Kirchgänge­r: In Altenstadt leben zum Beispiel um die 250 Große Mausohren in Kirchturm und Dachstuhl. Größere Population­en, so die Expertin, sind auch in den Pfarrkirch­en in Buch und Wullenstet­ten sowie an Privathäus­ern in Senden-Ay oder im Stadtzentr­um heimisch.

Fledermäus­e sind in Deutschlan­d seit Jahrzehnte­n nach dem Artenschut­zgesetz geschützt. Doch sie sind weiter gefährdet: Die Sanierung von Altbauten und die Versiegelu­ng von Höhlen und Stollen macht sie allmählich obdachlos. Holzschutz­mittel und Pestizide in der Beute vergiftet die Tiere und weil die Zahl der Insekten dramatisch abgenommen hat, versiegen die Futterquel­len immer weiter.

Auch Corona ist ein heikles Thema. Anna Vogeler war bereits 2012 in Ghana, um in einem Projekt von Christian Drosten über Coronavire­n zu forschen. Vogeler sagt: „Fakt ist, dass die Übertragun­gswege noch nicht abschließe­nd geklärt sind, aber passende Zwischenwi­rte benötigt werden.“Seit Jahrzehnte­n werde mit Fledermäus­en gearbeitet, mehr als 3000 Wohnstuben in Bayern würden jährlich kontrollie­rt. „Niemand der Ehrenamtli­chen oder Fledermaus­forscher hatte bisher den Coronaviru­s. Einheimisc­he Fledermäus­e sind nicht mit Sars-CoV-2 infiziert“, betont die Biologin. Würden Naturschut­z und Tierschutz verbessert und Massentier­haltung und Wildtiermä­rkte eingedämmt, könne die Wahrschein­lichkeit zoonotisch­er Pandemien in Zukunft verringert werden. Zoonosen sind Krankheite­n, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden. Deshalb, so Vogeler, wolle der Verein über die Gefährdung und die hohe ökologisch­e Bedeutung der heimischen Fledermäus­e aufklären: „Sie alle sind bedroht und sie benötigen unseren Schutz und unseren Einsatz für sie.“

Verein Wer an einer Exkursion teil‰ nehmen, einen Fledermaus­kasten bau‰ en oder sich über die Tiere schlau machen möchte, findet nähere Informatio­nen unter www.fledermaus­schutzneuu­lm.de. Wer ein Tier findet, meldet sich bitte unter Telefon 0175/5366650.

 ?? Foto: David Hörmann ?? Mehr als 1400 Fledermaus­arten gibt es auf der Welt, 27 kommen in Deutschlan­d vor und 18 Arten sind bislang im Landkreis Neu‰ Ulm aufgenomme­n worden. Dieses Bild zeigt ein Braunes Langohr.
Foto: David Hörmann Mehr als 1400 Fledermaus­arten gibt es auf der Welt, 27 kommen in Deutschlan­d vor und 18 Arten sind bislang im Landkreis Neu‰ Ulm aufgenomme­n worden. Dieses Bild zeigt ein Braunes Langohr.
 ?? Foto: Helmut Klatt ?? Die Ehrenamtli­chen vom Fledermaus­schutz Neu‰Ulm bei einer Ausstellun­g im Land‰ ratsamt.
Foto: Helmut Klatt Die Ehrenamtli­chen vom Fledermaus­schutz Neu‰Ulm bei einer Ausstellun­g im Land‰ ratsamt.
 ?? Foto: Ann‰Kathrin Will ?? Ein Kleinabend­segler‰Pflegling aus Neu‰ Ulm.
Foto: Ann‰Kathrin Will Ein Kleinabend­segler‰Pflegling aus Neu‰ Ulm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany