Mal wieder ein Wunderkind
Fußball
Die Dortmunder behüteten Youssoufa Moukoko so gut es ging. Nun aber macht sich der 16-Jährige bereit für die große Bühne – wie schon etliche andere vor ihm
Dortmund Würden aus all diesen Wunderkindern doch auch nur Wundererwachsene – diese Welt wäre eine bessere. Kein Jahr, in dem nicht von einem noch nie da gewesenen Geigentalent im Körper eines Sechsjährigen berichtet wird. Wenige Jahre später fiedelt der angekündigte Paganini in der Fußgängerzone Oberhausens. Besonders reich an außergewöhnlich Begabten ist von jeher der Sport. Schon oft wurde gekündet von der neuen Steffi Graf, dem nächsten Michael Phelps, diesem Wahnsinnstalent, das in den Bergen Nepals den Marathon-Weltrekord pulverisiert. Letztlich bleiben die Rekorde der Besten der Besten vor allem deshalb bestehen, weil nicht jedes Jahrhunderttalent die Reifejahre zwischen Akne, Disco und hormonellem Erwachen schadlos übersteht.
Die Verantwortlichen der Dortmunder Borussia taten auch deshalb gut daran, das beeindruckendste Talent des deutschen Fußballs weitgehend aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Aber selbstverständlich sprachen sich die Wundertaten Youssoufa Moukokos schleunigst herum. Mögen Geldströme seltsam unerkannt Steueroasen zugeführt werden, auf der Suche nach talentierten Kickern ist der entlegenste Ascheplatz der Welt hell ausgeleuchtet. Dortmund freilich ist nicht fußballerische Diaspora, vielmehr gedeihen Nachwuchsfußballer an wenigen Orten besser als hier. Lars Ricken, Nuri Sahin und Mario Götze entwuchsen der Jugendabteilung. Dembélé, Robert Lewandowski oder Erling Haaland sahen im Zentrum des Ruhrgebiets die besten Möglichkeiten, sich auf großer Bühne zu präsentieren.
Geht es nach dem BVB, wird aber jener Moukoko all die Genannten hinter sich lassen. Das würden sie so selbstredend nicht erzählen. Zu groß sind jetzt schon die Erwartungen an den Jugendlichen, der am heutigen Freitag seinen erst 16. Geburtstag feiert. Wie aber soll denn die Fantasie gezügelt werden, wenn all diese Rekorde bekannt sind? Moukoko schoss als 13-Jähriger 40 Tore für die B-Jugend Dortmunds. Seine Gegenspieler waren bis zu vier Jahre älter. Ein Jahr später traf er 46 Mal und brach somit den bestehenden Rekord von Donis Avidjaj. Mit den 34 Treffern in der A-Jugend 2019/20 stellte er ebenfalls eine Bestmarke auf – als 15-Jähriger unter 19-Jährigen.
Der Ex-Rekord von Haluk Türkeri: natürlich gebrochen. Avidijaj und Türkeri aber sind den Dortmundern genehme Mahnungen. Auch sie galten als außerordentlich begabt. Avidjaj versucht gerade beim niederländischen Mittelklasseklub FC Emmen seinen x-ten Neuanfang. Türkeri lässt mit 34 Jahren nach 15 Wechseln seine Karriere in der dritten türkischen Liga ausklingen.
Was Moukoko schon jetzt von den beiden unterscheidet: noch viel höhere Erwartungen. Wegen ihm änderte der Deutsche Fußball-Bund seine Statuten. Wegen ihm dürfen nun auch schon 16-Jährige in den Profiligen eingesetzt werden. Wenn die Dortmunder am Samstag gegen Hertha BSC antreten, ist der Weg für Moukoko frei.
Der Fußball wurde schon zu oft von vermeintlichen Wunderkindern enttäuscht, als dass er sich ihnen mittlerweile frei von Skepsis hingeben könnte. Früh in der Karriere Moukokos – die damals noch kindlicher Spieltrieb war – äußerten die ersten Experten (die meistens Verantwortliche der gegnerischen Teams waren) nicht nur hinter vorgehaltener Hand den üblichen Verdacht: Stimmt denn das alles mit dem Geburtsdatum? Es ist ja auch wirklich schwer zu glauben, dass da einer sämtliche Ligen dominiert, obwohl er viele Jahre jünger ist.
Vater Joseph versuchte aufzuklären. Sein Sohn habe die ersten zehn Jahre seines Lebens in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé bei seinen Großeltern verbracht. Dann habe er ihn nach Deutschland geholt. Aber kann man einer Geburtsurkunde aus Kamerun Glauben schenken? Oder einer Nachbeurkundung in Hamburg? Viele taten es nicht. Was möglicherweise mehr über Vorurteile als das Arbeiten afrikanischer Behörden verrät.
In der Tat ist Moukoko körperlich weit für einen 16-Jährigen, seinen Altersgenossen aber nicht um etliche Kilos an Muskelmasse enteilt. Wer einmal ein Spiel der A-Jugend-Bundesliga gesehen hat, wird kaum schmächtige Spieler sehen. So begründet auch nicht vorwiegend Moukokos Wachstum den Unterschied zu seinen Gegenspielern. „Er macht seine vielen Tore nicht aufgrund seiner Körperlichkeit, sonOusmane dern mit fußballerischer, spielerischer Überlegenheit“, erzählte Dortmunds Nachwuchsboss Lars Ricken der Süddeutschen Zeitung.
Er muss es wissen. Ricken war selbst eines dieser Wunderkinder und brachte es dafür relativ weit. Entscheidendes Tor im ChampionsLeague-Finale, drei Meisterschaften, Teilnahme an der WM 2002 – letztlich aber ein Stück weit von einer Weltkarriere entfernt. Moukoko steht sie noch offen. Die Entscheidung, ob sie auch wirklich eintritt, fällt nicht im Alter von 16 Jahren.
BUNDESLIGA, MÄ. V. DONNERSTAG
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