Von schweren Entscheidungen in Corona-Zeiten
Hingehen und Mitfeiern oder lieber daheim bleiben? Früher hieß das oft: Doch noch rausgehen oder gemütlich auf dem Sofa bleiben. Dank Corona hat sich diese harmlose Frage zum Gewissenskonflikt entwickelt. Trotz strenger Kontaktbeschränkungen flattern in diesem Lockdown light hin und wieder leichtfertig ausgesprochene verbotene Einladungen ins Haus. Ist es denn so verwerflich, den Geburtstag des Kindes wenigstens ein bisschen feiern zu wollen? In Elchingen kamen kürzlich sieben Menschen aus drei Haushalten zu einem Kindergeburtstag zusammen. Sie wurden angezeigt.
Dabei sind es ja nicht nur freudige Anlässe, zu denen Menschen sich treffen. Und anders als Geburtstage kann man Beerdigungen nicht einfach nächstes Jahr nachholen. Die Polizisten in der Region haben zur Zeit auch Einsätze bei Trauerfeiern und Taufen. Sämtliche Treffen von mehr als zwei Haushalten sind verboten.
Zwei Haushalte. Das ist doch echt wenig. Eltern und zwei gerade so erwachsene Kinder, vielleicht erst kürzlich daheim ausgezogen, dürfen sich nicht mehr treffen – aber wäre das schlimm? Wenn bei zwei Mitbewohnern in einer WG die Partner zu Besuch sind, ist es grenzwertig im Sinne des Infektionsschutzes – aber wäre das so schlimm?
Wir sind gerade alle sehr kreativ, wenn es darum geht, kleinere Übertretungen des Infektionsschutzgesetzes vor uns selbst zu rechtfertigen.
Und dann gibt es noch die Kritiker, die vereinfacht gesagt, so argumentieren: „Was soll’s? Bei den meisten bricht die Krankheit doch gar nicht richtig aus.“Rufen wir uns deshalb in Erinnerung, was diese Pandemie so gefährlich macht: Die Kapazität der Betten sowie das verfügbare Personal auf unseren Intensivstationen könnten nicht mehr für alle Kranken ausreichen. Die aktuellen Zahlen legen nahe, dass der Kollaps des Gesundheitssystems in Deutschland noch nicht unmittelbar bevorsteht. Möglich, dass er dank der derzeit geltendenden Maßnahmen gar nicht eintritt. Die Uniklinik Ulm etwa sieht sich für die zweite Corona-Welle gut gewappnet.
Wie das Worst-Case-Szenario aussieht, zeigt aber ein Blick auf unsere Nachbarländer: In Belgien fürchten die Ärzte, bald vielfach die Triage anwenden zu müssen. Dabei müssen die Mediziner entscheiden, welcher Patient einen der raren Behandlungsplätze erhält und wer von vornherein weniger Überlebenschancen bekommt. Vielleicht weil er zu alt oder gesundheitlich vorbelastet ist. Asthma, eine Krankheit mit der sich heutzutage eigentlich gut leben lässt, könnte in diesem Worst-Case zum Todesurteil werden.
Kritiker führen dabei gern die angeblich allen anderen überlegene Kapazität an Intensivbetten in Deutschland an: Doch auch die kommt an ihre Grenze, wenn man dem Virus freie Bahn lässt.
Überlegen wir uns in Zukunft also genau, welche kleine Feier, welches Treffen unbedingt jetzt stattfinden muss – verboten wäre es bei mehr als zwei Haushalten ja ohnehin. Denn im schlimmsten
Fall stehen unsere Ärzte vor einer viel schwierigeren Entscheidung.