„Ich bin allen davongelaufen“
Jane Birkin spricht über Trauer und Liebe – und darüber, warum sie neidisch wird, wenn sie alte Paare Händchenhalten sieht
Texte. Etienne sagte, er liebe mein Theaterstück „Oh! Pardon Tu Dormais“, das später auch zu einem Film verarbeitet wurde.
Die Lieder sind sehr persönlich. Wie eng sind Ihr veröffentlichtes Tagebuch und dieses Album miteinander verwandt?
Birkin: Sie sind sich vordergründig nicht so nah. Aber irgendwie sind sie es doch. Etienne und ich haben zum Beispiel das Thema Eifersucht aufgegriffen, über das ich in meinen Aufzeichnungen schreibe, und daraus das Stück „Telle est ma maladie envers toi“gemacht.
Ist Ihnen die Eifersucht gut bekannt? Birkin: Eifersucht ist die dunkle Seite der Medaille. Du bist furchtbar verliebt und furchtbar glücklich, und im selben Augenblick bist du furchtbar eifersüchtig. Ich kenne dieses schreckliche Gefühl sehr gut. Aber Gott sei Dank ist das vorbei. Heute habe ich niemanden mehr in meinem Leben, auf den ich eifersüchtig sein könnte.
Sie haben einmal eine Liebesbeziehung mit einer Sucht verglichen. Birkin: Ich hatte unglaublich bereichernde, aber eben auch unvorstellbar dramatische Liebesverbindungen in meinem Leben. Ich muss das nicht mehr haben. Einige der Menschen, die ich liebte, sind Freunde geblieben. Ich habe es gut erwischt, ich empfinde Zufriedenheit und Dankbarkeit. Doch ich muss zugeben: Wenn ich alte Paare sehe, die auf der Straße Händchen halten, dann werde ich neidisch. In diesen Momenten wünschte ich, das wäre ich. Aber ich war einfach nie die Art von Person, die es dauerhaft geschafft hat zu lieben. Ich bin sogar Serge Gainsbourg davongelaufen. Was soll ich sagen? Meine Lieben hielten nie.
Wissen Sie, woran das lag?
Birkin: Damit eine Ehe oder eine Beziehung funktioniert, musst du Konzessionen eingehen, immerzu Kompromisse machen. Das lag mir nicht. Meine Schwester, die kann das. Linda ist so ein glückliches Mädchen. Nie scharf auf Dinge, die andere haben. Glück mit dem, was sie hat. Sie liebt ihren Ehemann noch immer. Linda ist ein Mensch, mit dem jeder gern verheiratet wäre. Dagegen ich? Nein. Wirklich nicht.
Ihre jüngste Tochter Lou lebt in Paris, aber Charlotte wohnt mit ihrer Familie seit vielen Jahren in New York. Oft gesehen haben Sie Ihre Familie in diesem Jahr vermutlich nicht, oder? Birkin: Der zweite Lockdown jetzt war nicht so schwer. Ich habe mich weiter mit den alten Ladies getroffen, die ich liebe. Wir sind ein großer Freundeskreis. Ich habe auch meine Kinder gesehen. Ich habe gar nicht gelitten. Aber beim ersten Lockdown war es richtig schlimm. Ich liebe es, unter Menschen zu sein, mehr als alles brauche ich Gesellschaft. Aber ich war brav und klatschte jeden Abend den Krankenschwestern Beifall von meinem Balkon aus.
Sind Sie in Paris geblieben?
Birkin: Ja. Ich saß zu Hause, war einsam und wartete auf einen Anruf von Charlotte oder Lou. Charlotte meldete sich fast jeden Tag, und Lou machte lustiges Zeug auf Instagram. Aber alle waren weg, raus aufs Land gegangen. Während ich doof war und in der Stadt ausharrte. Ich dachte, das macht mich solidarischer. So nach dem Motto „Wir halten jetzt alle hier zusammen aus“. Aber habe ich etwas Spannendes erlebt? Nein. Man hockt rum wie im Krankenhaus, ist gelangweilt und null kreativ, und wartet darauf, dass sie einen wieder rauslassen.
Immerhin hatten Sie Ihren Hund ... Birkin: Oh, Dolly. Meine süße Bulldogge. Der Lockdown hat sie das Leben gekostet. Sie wurde so traurig und niedergeschlagen, weil ihr niemand mehr ein „Hallo, Dolly“zurief und sie auf der Straße auch nicht mehr getätschelt wurde. Dolly war sehr depressiv, und dann starb sie.
Das tut mir leid. Im Hintergrund hört man aber doch einen Hund bei Ihnen. Birkin: Das ist Bella. Sie ist noch ein Welpe. Wenn du allein lebst, brauchst du einen Hund. Sonst ist es zu trist. Interview: Steffen Rüth