Kein Platz mehr für Luxusschlitten
Landeshauptstadt In der Münchner Maximilianstraße sollen Parkplätze gestrichen werden. Doch teure Autos gehören
für viele Passanten zum Lebensgefühl auf der Prachtmeile. Sie zu verbannen, kommt nicht überall gut an
München Knapp 2000 Menschen flanieren normalerweise pro Stunde über die Münchner Maximilianstraße mit ihren knapp 70 luxuriösen Ladengeschäften von Gucci über Cartier zu Chanel. Die Reichen und Schönen sowie die Schaulustigen spazieren auf dem teuersten Pflaster in München entlang, das gesäumt ist von Luxusschlitten wie Porsche, Ferrari und Lamborghini. Doch einen Teil dieses Spektakels möchte die Stadt abschaffen.
Die grün-rote Münchner Rathauskoalition möchte die Autos weitgehend von der Maximilianstraße verbannen. Etwa ein Drittel der Parkplätze sollen dieses Jahr gestrichen werden, um mehr Raum mit Aufenthaltsqualität zu schaffen. Anwohner, Ladenbesitzer und der Bezirksausschuss Altstadt-lehel sollen gemeinsam den Raum gestalten, der für den Fuß- und Radverkehr, neue Mobilitätsformen sowie Freischankflächen und Anlieferung genutzt werden könnte. Doch auf der Luxusmeile sind Kunden, Mitarbeiter und Passanten, die an einem sonnigen Mittag unterwegs sind, geteilter Meinung über die Pläne.
„Das ist unmöglich“, sagt eine
Frau, die ein Ensemble in Blau trägt und ein wenig bummelt. Nur ab und zu komme sie her, schlendere an den Schaufenstern vorbei oder kaufe mal ein Tuch von Hermès, sagt die 80-Jährige. Für sie ist klar: „Der Glanz in der Prachtstraße muss bleiben.“Inklusive der Autos.
Einige Schritte entfernt stechen zwei Gestalten ins Auge, die auf dem Asphalt vor dem Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München knien. Ihr Objekt der Begierde: „Ein Ferrari SF90 Stradale“, weiß Nico, der in einem verwaschenen Kapuzenpulli den schwarzen glänzenden
Sportwagen mit 1000 PS filmt. Mehrmals die Woche kommt der 21-Jährige in die Maximilianstraße, um die Autos zu bewundern, und für die sozialen Medien zu filmen. Weniger Parkplätze hält er für „kompletten Quatsch“. Helge, der neben ihm mit seiner Spiegelreflexkamera steht, fände mehr Platz für Fahrradfahrer nicht falsch. „Doch die Autos gehören hier einfach dazu“, fügt der 15-Jährige dann hinzu.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht Martin, der nur seinen Vornamen in der Zeitung lesen möchte, da er als Türsteher für das Luxuslabel Cartier arbeitet. Aktuell huschen nur vereinzelt Kunden an dem Mann im Anzug vorbei, um schnell bei der französischen Schmuck- und Uhrenmarke etwas abzuholen. Hinter seiner Pilotenbrille hat der 28-Jährige die Maximilianstraße den ganzen Tag im Blick: „Die Parkplätze sind schon so knapp.“Politessen diskutierten regelmäßig mit Autofahrern und Lieferanten müssten oft auf dem Bürgersteig parken.
Mehr Platz für Fußgänger findet er aber nicht schlecht. „Vor Corona war es an sonnigen Tagen am Wochenende schon sehr eng auf den Gehwegen“, sagt Martin. Er denkt nicht, dass weniger Parkplätze bedeuten, dass weniger Kunden kommen. „Parkhäuser gibt es doch auch in der Nähe. Zudem habe ich einige Milliardäre kennengelernt, die hier auf dem Fahrrad vorbeikommen“, entgegnet er mit einem Grinsen.
Vor dem Laden einer italienischen Modemarke steht Laura Obergfell, die einen beigen Trenchcoat und den passenden Schal einer Luxusmarke trägt. Durch die gläsernen Ladentüren zeigt eine Verkäuferin ihr Taschen in den Farben „Almond“und „Porridge“, beides
Beigetöne. Die Münchner Lehrerin ist mit dem Auto hergefahren, geparkt hat sie aber woanders. „Für mich gehören zu so einer schönen Straße auch schöne Autos“, sagt die 34-Jährige.
Die Maximilianstraße sei der Mittelpunkt der Stadt, an dem sich die Schickeria treffe. Sie findet, dass man es nicht verstecken müsse, wenn man etwas im Leben erreicht habe. Die knapp 3000 Euro teuren Taschen, auf die sie ein Auge geworfen hat, sind schon reserviert.
Zur Mittagszeit bildet sich eine Schlange vor dem Operngrill Brenner. Verkauft wird aktuell nur über einen Tresen an den geöffneten Glastüren. Eine Mitarbeiterin kassiert Spaghetti aglio e olio oder einen Chai-latte mit Sojamilch ab. „Entweder es wird mehr Laufkundschaft geben oder die Gäste, die mit dem Sportwagen vorfahren, schnell einkaufen und bei uns etwas essen, kommen nicht mehr“, schätzt die 25-Jährige hinter dem Tresen mit Blick auf die Pläne der Stadtregierung. Erst kürzlich sei die Entscheidung des Münchner Stadtrats auch Thema in einer Teambesprechung gewesen. Letztendlich sei es zwar gut für die Umwelt, aber schlecht für die Geschäfte.