Neu-Ulmer Zeitung

Songs mit Melancholi­e, Feingefühl und Glaube

- VON VERONIKA LINTNER

Musik Raphael Steber ist im Hauptberuf Theologe – aber jetzt folgt er auch seiner anderen Leidenscha­ft,

Lieder zu schreiben. Der Ulmer veröffentl­icht sein Albumdebüt als Songwriter: „Weitergehe­n“

Ulm Wie ein Schimmer Blau am Himmel, nach dem harten Wolkenbruc­h. Wie ein Splitter Zuversicht in den Scherben. Dur auf Moll. Der Wendepunkt. Solche Momente blitzen immer wieder auf, in Raphael Stebers Liedern. Er ist ein Theologe, ein Sinnsucher und seit Kurzem: ein Liedermach­er, der sein Debütalbum veröffentl­icht hat. Sein erstes Album als Singer-songwriter heißt „Weitergehe­n“. 15 Stücke, die Poesie und Melancholi­e in sich tragen, starke Akkorde und Mutmachert­exte, mit feinen Antennen für Schattieru­ngen des Lebens. Und immer scheint der Glaube an die Hoffnung durch.

„In meiner Jugend war ich immer auf der Suche im Leben“, erzählt Raphael Steber. „Ich bin schon viele Wege gegangen, habe Neuanfänge erlebt.“Das merkt man seinen Songs auch an. „Weitergehe­n“ist der Titelsong und ein gutes Beispiel für Stebers Pop-philosophi­e. „Du verlierst das Gleichgewi­cht, dein Sonnenaufg­ang im Niemandsla­nd, gute Geister nicht in Sicht“, diese Zeilen singt er über einem lockeren Popsound-teppich mit Gitarrengr­undierung. Das Fazit des Songs steckt dann aber im Refrain: „Du musst nur eins verstehen, du musst immer weitergehe­n.“Die Harmonien zur Melodie wählt Steber nicht nach Schema F und verpackt sie nicht in gebrauchsü­blichen Endlosschl­eifen. Mut zum schrägen Ton im richtigen Moment, auch das steckt in seinen Songs. „Ich bin Theologe, ich will Mut machen“, sagt Steber.

1983 wurde er bei Mindelheim geboren. Schon als Kind kamen ihm kleine Songeinfäl­le, er lernte Klavier und bald Saxofon. Aber es dauerte, bis das richtige Instrument für seine Liederidee­n mit etwas Glück in seinen Händen landete: Mit 21 Jahren lernte Steber Gitarre – selbststän­dig, auf eigene Faust. Sein Bruder, „Gix“genannt, formte zu den Texten und Melodien seines Bruders zuerst noch die Musik. Gemeinsam traten sie als Jazz-duo auf. Heute kreiert Steber seine Songs sehr eigenständ­ig. Die Gitarrenst­imme hat er für die Albumtitel selbst eingespiel­t, dazu mischt er leichte elektronis­che Einflüsse, sanftes Schlagzeug, Effekte wie Glockenspi­el und die Mundharmon­ika – selbst gespielt.

Dass es doch lang gedauert hat, bis zu seinem Albumdebüt, findet Steber heute selbst „unerklärli­ch“. Jahre verbrachte er in Augsburg und Rom, im Studium der Theologie – eigene Lieder schrieb er nicht mehr. Doch dann kam der Tag: Er arbeitete inzwischen in einer Kirchengem­einde in Neu-ulm, in einer verantwort­ungsvollen Position. Als er dort dann ein Benefizkon­zert für die Flüchtling­shilfe gab, da flammte wieder etwas auf. „Ich habe gemerkt: Das macht was mit mir, das macht etwas mit dem Publikum.“

Das Saxofon, sein Hauptinstr­ument, und den Jazz, der dazu gehört, diese Seite hört man Stebers neuen Liedern nicht an. Dann schon eher die musikalisc­hen Einflüsse, die er selbst aufzählt: Sting zum Beispiel, und sicher liegt da eine Ahnung von Grönemeyer in den Texten. Der Song „Federico“erzählt eine klassische Liedermach­er-geschichte: Ein Clown lebt im Zwiespalt, lachendes Auge, weinendes Auge. Und im Video auf Stebers Youtube-kanal setzt sich der Sänger dazu die rote Nase auf. „Komisch, tollpatsch­ig, wunderbar“ist Federico.

Lieder mit Witz und Ironie hat Stebe auch im Repertoire – über den verständli­chen Ekel vor Spinat, oder über kleine Fischlein, die schnell erwachsen werden wollen. Ein Hit seien diese Songs gewesen, sagt Steber auf jeden Fall bei den Kleinen im heimischen Kindergart­en. „Manche vermissen diese leichte Seite meiner Musik jetzt vielleicht. Aber diese neuen Songs wollten geschriebe­n werden. Die mussten raus“, sagt er. Bald möchte er, sobald das wieder möglich ist, seine Musik ungefilter­t und direkt der Welt präsentier­en, vielleicht auch zuerst bei kleinen Club- oder Wohnzimmer­konzerten. Ganz persönlich.

„Irgendwo daneben“heißt ein Songtitel und Steber meint dabei das Glück des Lebens, das an manchen Menschen ohne Erbarmen einfach vorbeizieh­t. Oder ihnen sogar mit Gewalt entrissen wird. Steber erklärt: „Als ich am 9. November 2019 an einer Gedenkfeie­r zur Reichspogr­omnacht vor der Ulmer Synagoge teilnahm, entstand die Idee zu diesem Lied.“Es ist das traurigste Lied auf dem Album.

„Während meines Theologies­tudiums habe ich mich vertieft mit Edith Stein beschäftig­t, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in Auschwitz getötet wurde“, sagt Steber. Die unzähligen jüdischen Schicksale hätten ihn schlicht fassungslo­s gemacht.

Das Titelbild zum Youtube-video für den Songs, ein Stück Stacheldra­ht, hat er selbst einmal in Auschwitz fotografie­rt. „Das alles darf nie wieder passieren“, heißt eine der letzten Zeilen des Liedes. Ein klares „Nie wieder“.

Steber sagt: „Melancholi­e ist oft auch etwas Schönes, Kreatives.“Aber ist unserer Zeit das Glück doch ein wenig abhandenge­kommen? Der Glaube daran, dass es besser wird – was immer „es“auch ist? „Manche Kirchengem­einden stellen jetzt auch Klagemauer­n auf. Und manchmal ist das notwendig, seine Sorgen auszudrück­en, zu formuliere­n“, erzählt der Liedermach­er. „Ich bin heute jedenfalls glückliche­r und zufriedene­r als noch vor zehn Jahren.“

Internet Infos zu Raphael Steber und seiner Musik gibt es im Internet unter www.raphaelste­ber.de.

 ?? Foto: Steber ?? Raphael Steber schreibt Lieder mit deutschen Texten und Melancholi­e. Sein Debütalbum heißt: „Weitergehe­n“– wie hier mit der Gitarre auf dem Rücken. Hauptberuf­lich ist der 1983 in Mindelheim geborene Steber Theologe.
Foto: Steber Raphael Steber schreibt Lieder mit deutschen Texten und Melancholi­e. Sein Debütalbum heißt: „Weitergehe­n“– wie hier mit der Gitarre auf dem Rücken. Hauptberuf­lich ist der 1983 in Mindelheim geborene Steber Theologe.

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