Corona und der Zuagroaste
Der Fremde in Bayern ist den Einheimischen als solcher schon seit jeher ein wenig suspekt. Darum hat man für diese Gattung Mensch einen eigenen Begriff erfunden: der Zugereiste. Das klingt im Schriftdeutschen recht hübsch und harmlos, mit dem altbairischen Zungenschlag versehen wird daraus unvermittelt der Zuagroaste, dessen ua- beziehungsweise oalaute ihn unsympathischer machen.
Der Zuagroaste selbst tut das Seinige dazu, dass er in Bayern nur schwer Wurzeln schlagen kann. Das fängt schon damit an, dass er das Wort Zuagroaster nicht richtig aussprechen kann. Manche Preißn kleiden sich zudem in Lederhosen oder Dirndlgwand, um dann wie eine Karikatur auszusehen. Außerdem bestellt der Neubayer Brötchen statt Semmeln und führt die Maß Bier beidhändig zum Munde.
Das größte Sammelbecken für neu Zugezogene ist der Großraum München. Manche sagen, dass die Landeshauptstadt samt Speckgürtel mit Bayern inzwischen so viel zu tun habe wie New York mit dem Mittleren Westen Amerikas.
Seit Jahrzehnten haben die Zuagroasten München überschwemmt wie die Isar die Auen beim Frühjahrshochwasser. Doch im vergangenen Jahr wurde der Zuzug unversehens gestoppt. Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München geht davon aus, dass die Bevölkerungsentwicklung in Bayerns größtem Ballungsraum aufgrund der Corona-pandemie erstmals seit langem stagnierte. Das könnte man ja als eine gute Nachricht interpretieren. Nicht zuletzt, weil durch den permanenten Zuzug die Immobilienpreise seit Jahren durch die Decke schießen. Die schlechte Nachricht: Es zieht zwar kaum einer nach München, die Preise steigen aber trotzdem. Vielleicht beschleunigt das ja die Einsicht, dass der Zuagroaste nicht an allem schuld ist.