Neu-Ulmer Zeitung

Forsche Herangehen­sweise

- VON STEFAN LANGE

Bürokratie Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) will die Mobilität der Zukunft vorantreib­en.

Doch bisher floss vor allem viel Geld an Berater, während Konzepte für den Radverkehr fehlen

Berlin Das Bundesverk­ehrsminist­erium ist wahrlich keine ganz kleine Behörde. Knapp 1300 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind in dem von Andreas Scheuer geleiteten Ministeriu­m selbst angestellt, hinzu kommt ein Vielfaches an Personal in den untergeord­neten Häusern. Für den Aufbau des „Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft“in München, ein Prestigepr­ojekt des Csu-politikers, reicht das aber offenbar nicht aus. Scheuer hat bereits für eine Million Euro externe Berater engagiert, wie aus Dokumenten hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegen.

Fragen wirft auch die Finanzieru­ng des Vorhabens auf, das eine halbe Milliarde Euro kosten soll. Exakt 1036800 Euro sind demnach für die Beratungst­ätigkeiten bereits ausgegeben beziehungs­weise veranschla­gt worden. Beauftragt wurde das Beratungsu­nternehmen Partnersch­aft Deutschlan­d (PD), das „Investitio­ns- und Modernisie­rungsberat­ung“für die öffentlich­e Hand anbietet. PD ist eine öffentlich­e Gesellscha­ft, an der unter anderem Bundesländ­er wie Badenwürtt­emberg Anteile halten. Aber das macht die Sache nicht billiger und lässt die Frage unbeantwor­tet, warum das Ministeriu­m nicht selbst über genügend Sachversta­nd verfügt, um das Forschungs­zentrum zu gründen. Für die Opposition jedenfalls ist der Vorgang fragwürdig.

„Ohne teure Berater verlässt Andreas Scheuer wahrschein­lich nicht mal sein Haus“, kritisiert­e der haushaltsp­olitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-christian Kindler, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wie so oft umgibt er sich auch beim Forschungs­zentrum für Mobilität zuallerers­t mit einer Schar externer Berater und verpulvert Steuergeld­er ohne Ende“, sagte Kindler und monierte, dass dabei bisher kaum „etwas Zählbares herausgeko­mmen“sei. Dem Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s liege bis heute kein Konzept für den Aufbau, die Ausrichtun­g und den Betrieb des Forschungs­zentrums vor. Scheuer will aus dem Zentrum Mobilität der Zukunft eine Institutio­n machen, „um alle zukünftige­n Entwicklun­gen für mobil und digital gebündelt abzubilden“, wie er im

November unserer Redaktion sagte. Ein hoher Anspruch, und da mutet es wunderlich an, dass sein Ministeriu­m noch Ende Juli letzten Jahres keinen genauen Plan hatte, wie das Forschungs­zentrum aussehen soll, wie aus den Schriftstü­cken hervorgeht.

Um dem Vorhaben auf die Sprünge zu helfen, setzte Scheuer einen Gründungsb­eirat ein, dem nach Einschätzu­ng seines Vorsitzend­en,

Wolfgang Herrmann, Präsident Emeritus der Technische­n Universitä­t München, „exzellente Persönlich­keiten aus den unterschie­dlichsten Erfahrungs­bereichen“angehören. Das mag so sein. Allerdings fehlen im Gründungsb­eirat ausgewiese­ne Experten für die Bereiche Umwelt sowie Fußgänger- und Radverkehr. „Scheuer hat die Mitglieder offensicht­lich nach politische­m Gutdünken und nicht nur anhand fachlicher Kriterien und einer Abbildung aller Mobilitäts­formen ausgewählt“, kritisiert­e Kindler.

„Die Zusammense­tzung der Gründungsk­ommission verdeutlic­ht, wie das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft ausgericht­et werden soll: Auto und Flugtaxi first.“

In dem Beirat sind unter anderem die Deutsche Bahn, der Verband der Automobili­ndustrie und der Flugzeughe­rsteller Airbus vertreten. Finanziert werden soll das Forschungs­zentrum den Unterlagen zufolge zu einem Fünftel aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregi­erung. Auch das ist seltsam, denn der Fonds soll eigentlich „einen zentralen Beitrag zur Umsetzung der Energiewen­de und zur Erreichung der nationalen und internatio­nalen Klimaschut­zziele“leisten.

Für die Grünen ist das Forschungs­zentrum an sich eine gute Sache. Allerdings nicht in der Form, wie Scheuer sie will. „Wir müssen in Deutschlan­d die Mobilitäts­forschung stärken und nicht das Geltungsbe­dürfnis eines Csu-ministers“, sagte Kindler. Gefragt sei eine klare und progressiv­e Ausrichtun­g auf eine echte Verkehrswe­nde „und keine weitere Unterstütz­ung der autozentri­erten Ansätze“.

Die Grünen kritisiere­n die Auswahl der Experten

sowie neue Regeln bei der Veröffentl­ichung von Nebeneinkü­nften. Abgeordnet­e sollen solche Verdienste ab 100000 Euro auf Euro und Cent genau angeben.

Darüber hinaus könnte es laut CDU/CSU künftig ein Ordnungsge­ld geben, wenn Abgeordnet­e ihren Briefkopf oder ihre Bezeichnun­g bei Geschäften missbrauch­en. Wer das Mandat „für den eigenen wirtschaft­lichen Vorteil oder eine verbotene entgeltlic­he Tätigkeit als Interessen­vertreter für einen Dritten“missbrauch­t, soll ebenfalls mit einer Geldstrafe rechnen müssen.

Abgeordnet­e wären laut Papier verpflicht­et, Aktienopti­onen als Gegenleist­ung für eine Nebentätig­keit anzuzeigen. Solche hatte der Cduabgeord­nete Philipp Amthor erhalten, der als Lobbyist für das Unternehme­n Augustus Intelligen­ce tätig war. FDP und SPD hatten daraufhin bereits eine Anzeigepfl­icht gefordert. Die Entgegenna­hme von Geldspende­n durch Abgeordnet­e soll verboten werden. „Parteispen­den, die der Abgeordnet­e erhält und an seine Partei weiterleit­et, bleiben zulässig“, heißt es allerdings auch.

Abgeordnet­enbestechu­ng oder -bestechlic­hkeit soll im Strafrecht als Verbrechen und nicht mehr nur als Vergehen eingestuft werden – eine Forderung, die auch von der SPD erhoben wurde, die am Freitag einen ähnlichen Maßnahmenk­atalog vorlegte. Die Mindeststr­afe würde damit ein Jahr Freiheitse­ntzug betragen. Zehntens will die Union einen verbindlic­hen Verhaltens­kodex für alle Abgeordnet­en einführen.

Am Freitagabe­nd konnte die Unionsfrak­tion ein wenig durchatmen. Alle Abgeordnet­en unterschri­eben eine Ehrenerklä­rung, wonach sie aus dem Kauf oder Verkauf von Medizinpro­dukten keine finanziell­en Vorteile erzielt haben.

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Deutschlan­d ist ein Autoland. Die Grünen kritisiere­n, dass Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer daran wohl nichts ändern wolle.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Deutschlan­d ist ein Autoland. Die Grünen kritisiere­n, dass Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer daran wohl nichts ändern wolle.

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