Neu-Ulmer Zeitung

Diese Gastronome­n wagen trotz Corona Neues

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Corona‰krise Restaurant­s und Bars sind wie keine andere Branche von der Pandemie betroffen.

Nicht nur ein bekannter Neu-ulmer Wirt wagt sich dennoch an neue Projekte

Ulm/neu‰ulm Es sind nur wenige Meter von Ulm nach Neu-ulm. Für den Neu-ulmer Gastronom Francesco Contino ist der Schritt von der Augsburger Straße zum Kornhaus in Ulm aber ein riesiger. In Neuulm und Ulm hatte sich der Sizilianer mit seinem Betrieb Portico einen Namen gemacht. Nicht nur durch den Verkauf aus der Ex-döner-bude am Augsburger-torplatz.

Der Gitarre spielende Pizza-bäcker tauchte immer wieder an verschiede­nen Orten mit seiner Pizza und weiteren italienisc­hen Snacks auf: Im Gastronome­n-projekt „Die Halle“in der ehemaligen Kirche der Zeugen Jehovas bei den Sedelhöfen in Ulm, auf diversen Street-foodmärkte­n oder auf Firmenvera­nstaltunge­n. Große Unternehme­n der Region buchten Contino und seine azurblaue, sehr dekorative Piaggioape, die als mobile Food-bar dient. In der Pandemie gründete Contino zusammen mit den Gastronome­n von Damn Burger, Elinaki, Kleinlaut und Oh My Waffle den Lieferdien­st „Ulm isst“. Das kam jedoch zum Stop, weil die gemietete Großküche gekündigt wurde.

„Ich bin immer in Vagabund gewesen“, sagt er. Nun wird Contino sozusagen sesshaft: Nach einem kurzen Intermezzo am Judenhof eröffnet Portico am Samstag „Risto Bar & Pizza“in der Kornhausga­sse. „Wie in Sizilien“soll die Mischung aus Espresso-bar, Snack-theke und Pizzeria werden. In Neapel habe er in einer solchen Bar einmal gearbeitet. Nun hat er das Konzept nach Ulm verlagert. Vorbei an Stehtische­n und einer Kühl- und Wärmetheke führt der Weg direkt zur Bar, in dessen Zentrum eine chromblitz­ende Faema-e61-espressoma­schine thront. Auch sein Faible für Vinyl-schallplat­ten ist im neuen Portico sofort zu erkennen: Eine ganze Wand ziert seine große Sammlung. Doch sein wichtigste­s Verkaufsar­gument: alles frisch, alles beste, handgemach­te Qualität.

Der Lockdown konnte den Traum 42-Jährigen nicht bremsen, denn er hat einiges erlebt. „Ich komme aus dem Krieg“, sagt er über seine Heimat Neapel. Dort habe er mit ganz anderen Schwierigk­eiten zu kämpfen gehabt. Außerdem habe er ein gutes Verhältnis zum Vermieter. Als er Mitte vergangene­n Jahres den Mietvertra­g unterschri­eb, sei die Unplanbark­eit durch die Pandemie berücksich­tigt worden. Seinen Stand in der „Die Halle“will Contino nicht aufgegeben. Wie er das bewerkstel­ligt – ob

einen zusätzlich­en Pizzabäcke­r anstellt oder in „Die Halle“liefert, wisse er noch nicht. Das als „Popup-projekt“, also auf begrenzte Zeit geplante Restaurant, wird sich nun auf Dauer in Ulm etablieren. Wie Dimi Katranis, der Hauptmiete­r der fünf Küchen aus fünf Nationen, sagt, sei erst jüngst der Mietvertra­g verlängert worden. Veränderun­gen werde es geben: Matroschka, der Anbieter von russischer Küche, werde ausziehen. Die Inhaberin erzweiter öffne in ihrer Heimatstad­t Laupheim ein Restaurant. Katranis bedauert den Auszug sehr, denn die russische Küche habe „Die Halle“auch für ein älteres Publikum interessan­t gemacht. Es gebe aber bereits Interessen­ten für den Stand.

Als eine „enge Kiste“bezeichnet Katranis den Betrieb unter Pandemie-bedingunge­n. „Es langt gerade zum überleben.“So 30 bis 50 Essen würden am Tag ausgeliefe­rt. Kein Vergleich zu den Vor-corona-zeier ten: Ab Donnerstag sei die Halle immer ausgebucht gewesen. Nachdem Katranis befürchtet, dass Corona das Ausgehverh­alten der Menschen nachhaltig verändert habe, sei aber geplant, auch in Zukunft zu liefern. Doch nur einen Lieferdien­st zu betreiben, käme für den 34-Jährigen, der zusammen mit seiner Partnerin südamerika­nische Küche unter den Namen Abuelita’s serviert, nicht infrage. „Mir fehlt das Feedback.“

Neben Portico eröffnete auch ein Standbetre­iber aus „Die Halle“ein eigenes Lokal. Schon bereits seit Dezember servieren Jerusalem Wallace und ihr Mann Charles im ehemaligen Ofaschlupf­er zusätzlich in der Ulmer Kohlgasse äthiopisch­e Küche. Die Situation sei „nicht einfach“, doch alles werde sich zum Guten ändern, sind die zwei überzeugt. „Man muss alle Kanäle nutzen.“Und so gibt es afrikanisc­he Gerichte zum Abholen und auch über den Dienst Lieferando. Die Fusion-küche des Paares hat sich längst in der Doppelstad­t einen Namen gemacht: Abyssinia wurde erstmalig 2006 in der Herdbrucke­rstraße geführt. Nach einigen Jahren im Ausland mit Aufenthalt­en in Äthiopien kam das Comeback in “Die Halle”.

Den anderen Weg – von Ulm nach Neu-ulm – machte Antonio Malizia mit seinem Restaurant Michaelang­elo. Wo früher der „Metzger Hans“Leberkäs’-semmel und Frischflei­sch an den Mann brachte, wird jetzt „feine italienisc­he Küche“serviert. Nun ja, serviert derzeit wegen Corona nicht, dafür aber frisch gekocht und zur Mitnahme verkauft. Doch auch den alten Standort an der Stadtmauer direkt an der Herdbrücke will Malizia weiter betreiben: Als Eiscafe, das kommende Woche eröffnen soll. „Ich habe viel Geld in die Hand genommen“, sagt Malizia. Von oben bis unten wurde das Ex-speiseloka­l auf eine helle „Gelateria“getrimmt.

„Das Eis ist selbst gemacht“, sagt Malizia. Sein Favorit: Pistazie. Ein Wagnis seien die Investitio­nen gewesen, denn die Pandemie habe zu „sehr großen Verlusten“geführt. Staatliche Hilfe sei nicht zu geflossen, wie versproche­n. Doch das neue Konzept werde funktionie­ren: Denn die enorme Frequenz an der Herdbrücke sei ideal für eine Eisdiele. Und die Liebhaber seiner italienisc­hen Klassiker würden auch den Weg in die Marienstra­ße in Neuulm finden. Neu ist auch Name und Konzept des Imbisses im Ulmer Hafenbad: statt Howies steht dort seit Anfang März nun der „Wilde Wirt“. Der Gastronom dahinter ist aber der gleiche: Jonas Baumgärtne­r, der sein Konzept aus Markbronn nun auch in der Innenstadt von Ulm realisiert­e. In einer Welt der Burger-läden, Döner-buden und exotischen Konzepte ist die Küche der Heimat im Imbissbere­ich zur Nische geworden. Und so gibt es im Imbiss Maultasche­n, Linsen, Spätzle und Co. Und im „Waidomat“vor der Tür. Darin gibts nach Geschäftss­chluss (Wild-) Frischflei­sch für alle, die den Gang zum Metzger versäumt haben.

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Fotos: Alexander Kaya, Oliver Helmstädte­r (2) Francesco Contino steht in seinem Restaurant „Portico“in Ulm.
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Charles und Jerusalema Wallace betreiben das Lokal Abyssinia in Ulm.
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Aus „Howies“wurde der „Wilde Wirt“.

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