Bub will nach Vorfall nicht mehr in die Kita
Erziehung Eine Mutter erhebt schwere Vorwürfe gegen den Kindergarten St. Laurentius in Attenhofen.
Die Einrichtung schildert die Ereignisse etwas anders. Wie es jetzt für das Kind weitergeht
Weißenhorn Auf einmal wollte ihr Sohn nicht mehr in den Kindergarten gehen. Ein Theater habe er gemacht, erzählt die 28-Jährige, wollte gar nicht aus dem Auto aussteigen. Dann habe er geweint, gutes Zureden habe nicht mehr geholfen. Erst bei einem persönlichen Gespräch erfuhr die Mutter, was der Grund für das Verhalten des Buben war: Er hatte Angst, dass man ihm im Kindergarten wehtut.
Als sehr verstörend bezeichnet die Mutter im Gespräch mit unserer Redaktion den Vorfall, der sich Ende November 2020 im katholischen Kindergarten St. Laurentius in Attenhofen zugetragen haben soll. Eine Fachkraft des Kindergartens habe das Kind so fest am Arm gepackt, dass es blaue Flecken bekam. Ihr Sohn habe zunächst nichts davon erzählt. Zwei Tage sei er noch in den Kindergarten gegangen, dann habe er sich geweigert. Nachdem er geschildert hatte, was passiert war, und die Mutter die blauen Flecken am Arm gesehen hatte, stellte sie die Leiterin des Kindergartens zur Rede. „Doch passiert ist nichts“, sagt die Frau aus Pfaffenhofen, die anonym bleiben möchte. Die Leiterin selbst und die Betreiber des Kindergartens stellen die Angelegenheit etwas anders dar.
Knapp drei Monate nach dem Vorfall, am 24. Februar 2021, hat die Familie den Betreuungsvertrag mit dem Kindergarten gekündigt. Der Fünfjährige war in der Zwischenzeit gar nicht mehr in den Kindergarten gegangen. Für die Betreuung sitze sie jetzt gezwungenermaßen daheim, der Vertrag für ihren Bürojob werde nicht verlängert, sagt die 28-Jährige. „So wie es aussieht, bekommen wir vor September keinen Kita-platz mehr.“
Die Leitung des Kindergartens beurteilt den Vorfall anders. Als Antwort auf unsere Nachfrage beim Kindergarten geht eine E-mail aus Augsburg ein. Günter Groll, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Kita-zentrum St. Simpert, äußert sich in Abstimmung mit der Kindergartenleiterin Tanja Reckert-weltle zu den Vorwürfen. Die Stiftung mit Sitz in Augsburg kümmert sich um 160 katholische Kindertageseinrichtungen in der Diözese Augsburg im Rahmen einer Amtshilfe. Ihre 100 Mitarbeiter sind quasi die zentrale Verwaltung für 13.000 Kinder und 2800 Beschäftigte der Horte, Krippen und Kindergärten in der Diözese, darunter auch St. Laurentius in Attenhofen.
Groll verweist auf eine umfassende Überprüfung und schildert die Ereignisse so: Der Bub habe an jenem Tag fortwährend die übliche Mittagsruhe gestört. Daran habe auch die wiederholte Ermahnung durch das Personal nichts geändert. Daraufhin sei die besagte Fachkraft
den Ruheraum gegangen und habe nach eigener Darstellung das Kind am Arm herausgeführt, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen und um ihm einen anderen Schlafplatz zuzuweisen. Die folgenden beiden Tage sei das Kind wie gewohnt in den Kindergarten gekommen.
„Weder dem Team, noch der Kita-leitung war aufgefallen, dass das Kind auf einmal nicht mehr gerne in die Einrichtung gekommen wäre, geschweige denn, dass ihm wehgetan worden wäre oder es Angst gehabt hätte“, schreibt Groll.
Erst am dritten Tag nach diesen Ereignissen sei die Beschwerde der Mutter eingegangen, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Wir haben daraufhin umgehend den Vorfall am 10. Dezember 2020 pflichtgemäß dem Landratsamt Neu-ulm gemeldet“, berichtet der Vorsitzende des Stiftungsvorstands. „Ein klärendes Gespräch, um das sich die Kita-leitung vor Ort auch in unserem Auftrag mehrfach bemüht hatte, sagte die Familie leider ohne Angabe von Gründen ab.“
Dazu sagt die Mutter: „Am Anfang wollten wir kein Gespräch, weil wir zu geladen waren. „Doch nach etwas Bedenkzeit hätten sie und ihr Mann über den Vorfall sprechen wollen. Die Kita-leitung sei aber nicht mehr auf sie zugekommen, erst im Januar habe die Leiterin auf den Anrufbeantworter der Familie gesprochen. Da sei aber schon festgestanden, dass es keine andere Lösung gebe, als den Buben vom Kindergarten abzumelden. „Wir wollten auch mit dem Pfarrer sprechen. Aber da gab es wohl ein Missverständnis und ein Termin kam nie zustande“, erzählt die 28-Jährige.
Weißenhorns Stadtpfarrer Lothar Hartmann war schon über die Angelegenheit informiert, da die katholische Kirchenstiftung St. Laurentius in Attenhofen Träger des Kindergartens ist. Er habe mit der Mutter ein einziges Mal persönlich am Telefon gesprochen, sagt Hartmann auf Nachfrage unserer Redaktion. Kurzfristig habe sie einen vereinbarten Gesprächstermin abgesagt. Später habe er noch einmal versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, allerdings ohne Erfolg, berichtet der Stadtpfarrer.
Auch wenn kein klärendes Gespräch der Beteiligten zustande kam: Der Träger und das Kita-zentrum St. Simpert nahmen den Vorin fall ernst. Wie Günter Groll berichtet, fanden nach einem Gespräch mit Pfarrer Hartmann Anfang Januar in Augsburg „deutliche Gespräche“mit der entsprechenden langjährigen Fachkraft sowie mit der Leitung statt. „Wir dulden keinerlei Form von Gewalt in unseren Kindertageseinrichtungen. Auch am Arm ziehen oder zerren tolerieren wir grundsätzlich nicht“, betont Groll. Er verweist an dieser Stelle auf ein spezielles Seminar, das seit zwei Jahren für alle Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen und in der Verwaltung des Kita-zentrums St. Simpert angeboten werde. „Damit wollen wir rund ums Thema Gewalt sensibilisieren“, sagt der Vorsitzende des Stiftungsvorstands. „Ohne Corona hätten alle Angestellten daran bis zum Jahresende 2020 teilgenommen.“
Groll kennt den Kindergarten St. Laurentius nach eigenen Angaben seit mehr als 20 Jahren. In dieser Zeit habe es bis zu dem genannten Vorfall keine einzige Beschwerde über die Einrichtung wegen Übergriffen oder Gewalt gegeben, sagt er. Über die Kindergartenleitung sagt die Mutter: „Sie beschönigt immer alles.“Inzwischen bereue sie es, nicht zur Polizei gegangen zu sein. „Das wollte ich zum Schutz meines Sohnes nicht“, sagt sie. Sie habe verhindern wollen, dass der Bub, der wegen des Vorfalls, ihren Angaben nach, nachts nicht mehr allein in seinem Zimmer sein wollte, noch mal über die Angelegenheit reden muss.
Die Familie fühlt sich nun im Stich gelassen, weil sie ihrer Ansicht nach gezwungen ist, einen neuen Kindergartenplatz für den Buben zu suchen. Anfragen bei anderen Einrichtungen in Pfaffenhofen und Weißenhorn brachten dieselbe Antwort: alles schon voll. Bei der Weißenhorner Stadtverwaltung habe sie die Aussage bekommen, dass Kinder aus Weißenhorn in städtischen Kitas Vorrang haben, erzählt die Pfaffenhoferin, die noch ein weiteres Kind im Grundschulalter hat. Mit Unterstützung ihrer Mutter und der Schwiegermutter hätten sie und ihr Mann zuletzt die Betreuung gemanagt.
„Das war schwierig, jeder ist berufstätig“, sagt die 28-Jährige. Für sie selbst läuft der Job jetzt aber aus, weil der Vertrag nicht verlängert wird. „Solange ich keine Betreuung für mein Kind habe, kann ich nicht arbeiten“, betont sie.