„Einmal Amigo, immer Amigo“
Hintergrund In der Masken-affäre fällt immer öfter ein Wort, das die CSU gerne vergessen wollte. Alfred Sauter wird zum Problem für die Partei. Dass er sich sang- und klanglos durch die Hintertür verabschieden wird, ist eher unwahrscheinlich
München Alfred Sauter ist nicht der Typ, der den Fehler als Erstes bei sich selbst sucht. Das bekommen seine Parteifreunde deutlich zu spüren, als er sich am Mittwoch zur Fraktionssitzung zuschaltet. Stunden zuvor hatten Ermittler begonnen, seine Büros zu durchwühlen – auch im Bayerischen Landtag suchten sie nach Beweisen, die den Verdacht der Bestechlichkeit gegen ihn belegen könnten. Und so stellen sich Sauters Kollegen also brennende Fragen: Welche Rolle spielte er bei dubiosen Masken-geschäften? Hat er dafür tatsächlich mehr als eine Million Euro kassiert? Die CSU erwartet Antworten von einem ihrer dienstältesten Landtagsabgeordneten. Dass die Justiz gegen einen ehemaligen Justizminister ermittelt, macht schließlich Schlagzeilen weit über Bayern hinaus. Doch Sauter trägt wenig zur Stimmungsaufhellung in der Fraktion bei. Er liefert nur ein paar dürre Worte, die seine Kollegen ganz und gar nicht überzeugen.
Im Umgang mit Skandalen gibt es für Politiker im Prinzip nur zwei Optionen: sofort klare Kante zeigen oder die Anschuldigungen erst einmal ins Leere laufen lassen. Beides ist nicht ideal, weil: Der politische Gegner wird nachher wahlweise Aktionismus oder Aussitzen unterstellen. Im aktuellen Fall kommt erschwerend hinzu, dass sich die Csuspitze für die klare Kante entschieden hat, während Sauter die gegenteilige Strategie verfolgt und alle Vorwürfe bislang teflonartig abperlen lässt. Erst am Donnerstagnachmittag meldet er sich öffentlich zu Wort – und bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn in einer Mitteilung, die sein Anwalt verschickt, als „abenteuerlich und konstruiert“.
Hinter den Kulissen fällt in diesen Tagen oft ein Wort, das die CSU gerne für immer in alten Zeitungsartikeln verstauben lassen wollte: Amigos. Ein Begriff als Synonym für Seilschaften, Spezlwirtschaft, Filz, Korruption – und für die wohl größte Glaubwürdigkeitskrise in der Geschichte der Partei. Die Älteren in der CSU erinnern sich daran, wie der damalige Ministerpräsident Max Streibl auf dem Politischen Aschermittwoch 1993 noch Scherze über die Kumpanei von Csu-spitzenleuten und Unternehmern machte – samt Freundschaftsdiensten und gemeinsamen Reisen. „Freunde zu haben, ist das eine Schande bei uns in der CSU?“, fragte Streibl, und rief in den Bierdunst der Passauer Nibelungenhalle jene verhängnisvollen Worte hinein: „Saludos Amigos!“Wenige Wochen später war seine Karriere zu Ende.
Alfred Sauter hat aus nächster Nähe miterlebt, wie das Amigo-etikett fortan an wie ein alter Kauguman den Fußsohlen von Streibls Nachfolgern haftete. Er saß schon damals im Landtag, und keiner konnte ahnen, dass dieser junge schwäbische Abgeordnete Jahrzehnte später eine neue Amigo-debatte auslösen würde. Die Grünenfraktionschefin im Landtag lässt sich die Vorlage jedenfalls nicht entgehen. „Je tiefer man gräbt, desto mehr Abgründe tun sich auf. Einmal Amigo, immer Amigo“, sagt Katharina Schulze und trifft den wunden
Punkt der CSU. Zwar mögen die Masken-geschäfte nicht mit den Machenschaften früherer Jahre gleichzusetzen sein – in der öffentlichen Wahrnehmung steht die Partei aber jetzt wie damals im Zwielicht. Hinzu kommt, dass man Politikern heute viel weniger durchgehen lässt als zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Max Streibl. Dementsprechend groß ist die Nervosität.
Dass ein langjähriger Abgeordneter, der als Minister und Mitglied des Parteivorstands über Jahrzehnte zum engsten Führungszirkel gehörte, von einem Tag auf den anderen zur unerwünschten Person erklärt wird, spiegelt den Druck wider, unter dem der Csu-vorsitzende Markus Söder steht. Der Ministerpräsident, dessen Umfragewerte zuletzt ohnehin in den Sinkflug gegangen waren, will gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, die Vorwürfe gegen Sauter nicht ernst genug zu nehmen. Das liegt daran, dass in diesem Jahr noch eine Bundestagswahl stattfindet und es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass Söder selbst als Kanzlerkandidat ins Rennen geht. Es liegt aber auch an der schieren Dimension der Ermittlungen, in denen die Generalstaatsanwaltschaft München mit Alfred Sauter, Georg Nüßlein und Manfred Krautkrämer nun schon drei Männer als Beschuldigte führt, die der CSU angehören oder bis vor kurzem angehört haben. Selbst Parteifreunde, die den schwäbischen Strippenzieher Sauter seit Jahrzehnten gut kennen und um seinen ausgeprägten Geschäftssinn wussten, reagieren fassungslos, als sie erfahren, dass es um Zahlungen von rund 1,2 Millionen Euro gehen soll.
Dass die Ermittler gerade erst ihre Arbeit aufgenommen haben und der Ausgang des Verfahrens offen ist, spielt vor diesem Hintergrund nur eine nachrangige Rolle. „Wenn eine solche Summe im Raum steht, geht es doch nicht mehr um Unschuldsvermutung im strafrechtlichen Sinne, sondern darum, welcher Eindruck und welcher Schaden dadurch entsteht“, sagt ein erfahrener CSU-MANN im Gespräch mit unserer Redaktion und gibt zu bedenken: „Wenn das alles nicht stimmi men würde, wäre es doch ein Leichtes, die Vorwürfe zu entkräften.“Bislang hat Sauter wenig zur Aufklärung beigetragen. Doch in der Partei wird längst über mögliche Maßnahmen nachgedacht. Genau darum wird es in einer Sondersitzung des Bezirksvorstandes am Sonntag gehen. Schwabens CSUCHEF Markus Ferber verfolgt die immer neuen Enthüllungen in der Masken-affäre mit Sorge. Ihm geht es nun um einen „glaubwürdigen Neuanfang“. Bleibt die Frage: mit oder ohne den in Ungnade gefallenen Sauter? Unter Tagesordnungspunkt 4 der Sitzung des Bezirksvorstandes heißt es: „Gegebenenfalls Beschlussfassung über Einleitung von Ordnungsmaßnahmen gegen Staatsminister a. D. Sauter“. Für Ferber steht fest, dass kein Parteiausschlussverfahren gegen den 70Jährigen eingeleitet wird. Um ein Parteimitglied gegen dessen Willen loszuwerden, gibt es hohe Hürden. Das haben schon SPD und AFD mit Thilo Sarrazin und Björn Höcke erleben müssen. Möglich wäre aber, Sauter seine Parteiämter zu entziehen, wenn er sie nicht freiwillig niederlegt, wie es Generalsekretär Markus Blume am Mittwoch gefordert hatte.
Die Lage ist unübersichtlich. Nur in einem sind sich die meisten Csuleute einig: Alfred Sauter wird sich nicht sang- und klanglos durch die Hintertür verabschieden.
Die Dimension macht Parteifreunde fassungslos