Neu-Ulmer Zeitung

Zum Aus-der-haut-fahren

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Tierkolumn­e Es ist jedes Mal wie ein kleines Wunder der Natur: Die Haut von Reptilien wächst nicht mit.

Wird sie zu klein, streifen die Tiere sie ab. Darunter ist das neue Kleid schon fix und fertig

Schon seit etwa 300 Millionen Jahren leben Reptilien auf unserem Planeten. Damit gehören sie zu den frühesten Landlebewe­sen überhaupt. Bis heute sind sie nahezu in ihrer ursprüngli­chen Form erhalten. Ihre Haut leistet dazu einen entscheide­nden Beitrag und ist besonders fasziniere­nd. Sie kann die Farbe wechseln, kommt manchmal bunt, manchmal schlicht daher und ist vor allem viel grober als die Haut der Säugetiere, denn die oberste Hautschich­t besteht aus Hornschupp­en gegen Wasserverl­ust und zum Schutz vor Uv-strahlung. Diese positiven Effekte haben aber auch Schwachste­llen: Das tote Hornmateri­al ist nicht flexibel und kann das lebenslang­e Wachstum der Reptilien nicht mitmachen. Bei jedem Wachstumss­chub wird die obere, verhornte Hautschich­t zu eng. Die Tiere müssen sich häuten.

Um den Häutungspr­ozess in Gang zu setzen, sind komplexe hormonelle Vorgänge erforderli­ch. Zuerst löst sich die verhornte, oberste Schicht der Haut vom Untergrund ab. Im Zuge dieses Vorverlier­t die Haut an Leuchtkraf­t, Buntheit und Musterung. Verantwort­lich dafür ist die Lymphflüss­igkeit zwischen der alten und der neu gebildeten Hautschich­t. Wird die Haut stumpf oder milchig trüb, ist das also ein wichtiger Hinweis auf eine bevorstehe­nde Häutung. Auch die Augen verfärben sich milchig, und die Tiere sehen vorübergeh­end nicht so gut. Die meisten Tiere ziehen sich im Terrarium zurück, wollen ihre Ruhe und werden gleichzeit­ig vergangs letzlicher und deshalb auch wehrhafter. Unmittelba­r bevor die Häutung losgeht, werden die Augen wieder klarer. Dann fangen die Tiere an, sich an rauen Oberfläche­n zu reiben. Der Bereich rund ums Maul lockert sich als erstes, über Nasenrücke­n, Augen und Kopf geht es weiter, bis das Tier vollkommen

Oberfläche­n und Feuchtstel­len. Nicht bei allen Reptilien läuft die Häutung in einem Rutsch: Schildkröt­en beispielsw­eise kriechen nicht aus ihrer Haut. Bei ihnen schleifen sich die überschüss­igen Hornschupp­en immer gleichmäßi­g ab. Manchmal schauen die Tiere dann so aus, als sei ihre Haut besonders trocken. Schuppige Haut veranlasst Reptilienb­esitzer immer wieder dazu, die Tiere mit einer Salbe oder einer Creme einzureibe­n.

Aber damit tut man dem Tier nichts Gutes. Im Gegenteil, der empfindlic­he Wasserhaus­halt des Körpers wird schnell gestört und das Tier wird krank. Junge Schlangen oder Echsen wie die beliebten Bartagamen häuten sich alle vier bis sechs Wochen. Auch im Erwachsene­nalter sind drei bis vier Häutungen im Jahr keine Seltenheit.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver‰ knüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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Foto: Holger Hollemann, dpa Wenn Schlangen sich häuten, spielen sich komplizier­te hormonelle Prozesse in ihnen ab. Dann suchen die Reptilien Ruhe und sind reizbar.
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