Was hinter den Ortsnamen steckt
Sprache Ein Online-projekt widmet sich der Herkunft und Bedeutung von Ortsnamen und
ihrer Aussprache in Mundart. Jetzt ist auch der Landkreis Neu-ulm mit dabei
Neuulm Im Osterbachtal liegt ein Ort, dessen Geländeform der Giebelseite eines Gebäudes vergleichbar ist. Nichts anderes soll nämlich das mittelhochdeutsche Wort „schieze“bedeuten, worauf sich im Laufe der Jahrhunderte die heutige Bezeichnung „Schießen“entwickelt hat. So zumindest erklärt Wolf-armin von Reitzenstein die Namensherkunft. Kürzlich ist auch der Landkreis Neu-ulm in ein digitales Ortsnamenprojekt integriert, welches unter Bezugnahme auf den obigen Namenskundler nicht nur Ursprung und Deutung der Namen vermittelt, sondern auch so manchen Einheimischen zu Wort kommen lässt.
Der Initiator des Projekts, Professor Ferdinand Kramer von der Kommission für Bayerische Landesgeschichte,
Keine scharfe Mundartgrenze zu einem anderen Dialekt
sieht gerade in der mundartlichen Aussprache eines Ortsnamens „große Relevanz bei der Bestimmung von individueller und kollektiver Identität sowie für die Orientierung der Menschen im Raum“. Hinzu kommt, dass gerade in urban-verdichteten Gebieten die ursprünglich dialektale Bezeichnung allmählich verloren geht. In dieser Hinsicht steht unser Raum allerdings noch recht gut da, sind mundartliche Bezeichnungen wie „Nei-ulm“für die Kreisstadt sowie „Dissa“für Illertissen noch allgemein geläufig.
Da der Landkreis ausnahmslos zum ostschwäbischen Sprachgebiet gezählt wird, markiert auch keine scharfe Mundartgrenze den Übergang zu einem anderen Dialekt. Nuancen sind freilich erkennbar, nicht selten unterscheiden sich die Namen alltäglicher Gegenstände und Ausdrücke gar von Ort zu Ort. So mäht man im Landkreisnorden das grüne Gras, während im Süden der Rasentraktor das Grääs bearbeitet. Ähnlich sieht es bei der Verneinung „nicht“aus: „Ed“oder „ned“im Altkreis Neu-ulm, „it“in den Illertisser Kreisgrenzen vor 1972. Jedoch verschwimmen die mundartlichen Ausdrücke zunehmend, was vor allem der Mobilität und den überregionalen Medien geschuldet ist. In vielen Schulen war Dialekt jahrelang unerwünscht. Zuzüge aus der Stadt oder anderen Gegenden Deutschlands trugen ihren Teil dazu bei. Umso mehr ist das ehrgeizige Projekt der Münchner Wissenschaftler zu würdigen, welches erstmals in digitaler Form gesprochene Ortsnamen dokumentiert und so der Nachwelt zur Verfügung stellt.
Die Dialektsprecherinnen und -sprecher sind entweder im betreffenden Ort selbst oder in der Nachbarschaft beheimatet. Einmal wird der Ortsname alleine betont, dann in Verbindung mit einer Ortspräposition. „Auf Berg nauf“sagt ein älterer Herr aus Senden, wenn er meint, er sei nach Illerberg gegangen. Wie viele der heutigen Einwohner des heutigen Vöhringer Stadtteils möchten sich noch an diese Bezeichnung erinnern?
Dass die Bedeutung vieler Ortsnamen letztendlich doch vor allem auf Vermutung basiert, zeigt sich an der Erklärung von Reitzensteins für die Herkunft von Fahlheim. Folgt man dem Namenskundler, so soll ein fallendes Wasser der Pate für die Niederlassung gewesen sein. In der lokalen Forschung sieht man hingegen in den Walchen, also einer romanischen Bevölkerung, den Ursprung des Ortsnamens. Auch hier hilft wiederum der mundartliche Ausdruck, Fahla.
Auffällig sind die zahlreichen „hofen“- und „hausen“– Orte im Roth-, Biber- und Osterbachtal wie Kadeltshofen oder Wallenhausen, während entlang der großen Verkehrsachsen an Iller und Donau die älteren „ingen“-orte wie Thalfingen oder Nersingen vorherrschen. Aus nahezu derselben Zeit stammen die Ansiedlungen, welche mit der Silbe „heim“enden. Wir sprechen bei beiden Letzteren von einer Besiedlung im Rahmen der alemannischen Landnahme und der fränkischen Oberhoheit, also 650 bis 800 nach Christus. Ay an der Iller weist denselben sprachlichen Ursprung auf wie der Illertisser Stadtteil Au: eine Siedlung im waldreichen Wiesenland. Der Schmunzeln hervorrufende Ortsname Witzighausen hat hingegen nicht primär mit einer humoristisch gesinnten Einwohnerschaft zu tun. Vielleicht das auch – aber tatsächlich soll hier ein Herr Namens Wizzo Pate gestanden haben. Die Antike lebt weiter im Namen der südlichsten Landkreisgemeinde Kellmünz. Caelio Mons war die Bezeichnung des spätrömischen Kastells, das an der Illergrenze gegen die Alemannen errichtet wurde. Gerade die dialektalen Ortsnamen erweisen sich bei der Geschichtsforschung als äußerst wertvoll.
Projekt Ergänzt wird die digitale Prä sentation durch einen Begleitband mit zusätzlichen Erläuterungen. Abrufbar ist das Onlineprojekt unter https://www.geschichtebayerns.de/ ortsnamen/neuulm/neuulm/bbq1y