Schlange stehen für das Modellprojekt
Pandemie Bayern testet nach Ostern das vorsichtige Zurückfahren von Corona-maßnahmen in Handel und Kultur. Was sich Städte aus der Region von einer erfolgreichen Bewerbung erhoffen
München Endlich einmal wieder sorglos mit Freunden im Café sitzen und einen Cappuccino trinken: In Pandemiezeiten ist die Sehnsucht nach Alltag groß. In Tübingen ist sie vergangene Woche ein Stück weit zurückgekehrt. In der württembergischen Studentenstadt dürfen Menschen mit einem negativen Schnelltest Geschäfte, Kultureinrichtungen und die Außengastronomie besuchen. Das „Tübinger Modell“hat auch im Freistaat Gehör gefunden. Bayern will das vorsichtige Zurückfahren von Coronaschutzmaßnahmen etwa in Handel oder Kultur nach Ostern in acht Modellregionen testen. Das kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwoch im Landtag an. Es solle aus jedem der sieben Regierungsbezirke eine Stadt oder ein Landkreis mit einer Sieben-tageinzidenz pro 100000 Einwohner von mehr als 100 und weniger als 150 teilnehmen. Aus Oberbayern sollen zwei ausgewählt werden.
Der Freistaat verspricht sich davon Erkenntnisse, welche Öffnungsschritte bei konsequentem Testen möglich sind. Unter strengen Schutzmaßnahmen und mit einem Testkonzept sollen nach Ostern für die Dauer von 14 Tagen ausgewählte Bereiche des öffentlichen Lebens öffnen. Das bayerische Kabinett hatte dies bereits am Dienstag beschlossen. Der Testversuch könnte, wie Söder in Aussicht stellte, ab 12. April starten. Wo genau, sagte er nicht. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek deutete nach der Fraktionssitzung der CSU am Mittwochvormittag gegenüber unserer Redaktion an, dass bei der Auswahl womöglich auf unterschiedliche Einwohnerzahlen sowie ländliche und städtische Strukturen geachtet werden soll.
In Tübingen ist gerade die zweite Woche des Experiments angebrochen. Erst wurden „Tübinger Tagestickets“nach einem negativen Testergebnis ausgehändigt. Nun stellt die Stadt auf ein digitales System um. Wer sich an einer der neun Stationen im Stadtgebiet auf Corona testen lässt, muss sich allerdings mitunter auf längere Wartezeiten einstellen.
Im Nachbar-bundesland Bayern wiederum stehen nun die Kommunen für die Teilnahme an der neuen Teststrategie Schlange. Es gebe bereits mehr Bewerber als mögliche Plätze, heißt es aus dem Landtag in München. Die Landeshauptstadt und andere Großstädte wie Nürnberg und Augsburg hatte Söder bereits kategorisch ausgeschlossen. Es müsste sich um kleinere Städte handeln, hieß es. Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) hatte ihre Stadt zuvor für einen solchen Modellversuch vorgeschlagen.
Mit rund 137000 Einwohnern und einer Sieben-tage-inzidenz von aktuell knapp unter 100 kommt Ingolstadt ans Vorbild Tübingen heran. Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) sieht Chancen für seine Stadt und hat eine entsprechende Bewerbung an den Ministerpräsidenten gesandt. So wird nach Angaben der Stadtverwaltung bereits an einem detaillierten Konzept gearbeitet, das in den nächsten Tagen dem Freistaat vorgelegt werden soll.
Scharpfs Motivation: „Ich will den Menschen eine Perspektive geben“, sagt er. „Wir sind seit Monaten im Lockdown und es gehen viele Existenzen kaputt – so wie bisher können wir nicht weitermachen.“
Mit einer besonders niedrigen Inzidenzzahl von knapp unter 50 lockt dagegen die Stadt Dillingen. Rathauschef Frank Kunz (CSU) will „mehr Normalität und Freiheit“für seine Bürger und hat sich ebenfalls mit einer Bewerbung an Söder gewandt. Seiner Überzeugung nach brauche es in den kommenden Wochen und Monaten „sichere, kreative und flexible Lösungen für die (Außen-)gastronomie, die örtlichen Kultureinrichtungen und den Einzelhandel“. Auch in weiteren Freizeit-bereichen könne das Testen mehr Sicherheit schaffen, beispielsweise im Vereinsleben, betont Kunz.
Nördlingen will mit seiner geschlossenen Stadtmauer und der beschaulichen Größe punkten. Für die Testsituation sei das ideal, sagt David Wittner, Oberbürgermeister der Stadt im Kreis Donau-ries, der seine Kommune ebenfalls in den Lostopf wirft. Vom Pilotprojekt erhofft sich der parteilose Kommunalpolitiker für die klein- und mittelständischen Unternehmen eine zukunftsfähige Möglichkeit, um in den Innenstädten zu überleben.
Im Allgäu rechnet man sich in Marktoberdorf Chancen aus. „Wir sind ländlich und überschaubar“, sagt Bürgermeister Wolfgang Hell. Daher könne man einfach kontrollieren, ob sich Läden und Lokale an Vorgaben halten, teilte Hell in der Bewerbung mit.
Über die Osterfeiertage macht das Tübinger Projekt übrigens Pause. Danach soll es für mindestens eine Woche verlängert werden.