Neu-Ulmer Zeitung

So plant R‰pharm die Impfstoff‰produktion in Illertisse­n

- VON MICHAEL KROHA

Sputnik V Lange war von der Firma über die Pläne zur Produktion nichts zu hören. Jetzt wurden Details bekannt

Illertisse­n Viel Trubel bei R-pharm in Illertisse­n: Lange war trotz Anfragen nichts über die genauen Pläne zur Impfstoff-produktion zu hören. Doch dann wurde am Mittwochmo­rgen bekannt, dass der russische Pharmakonz­ern von Juni oder Juli an im südlichen Landkreis Neuulm den in Moskau entwickelt­en Corona-impfstoff Sputnik V produziert will. Als diese Nachricht die Runde machte, dann der nächste Aufreger: Rund 100 Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdi­enst und THK eilten auf das Werkgeländ­e wegen eines Gefahrgute­insatzes. Um die 200 Liter eines säurehalti­gen Reiningsmi­ttels waren ausgelaufe­n. Mitarbeite­r wurden zeitweise evakuiert, eine größere Gefahr bestand nicht. Die Lage beruhigte sich, es konnte weitergear­beitet werden.

Doch wirklich ruhiger dürfte es nicht werden: Nach dem Besuch des bayerische­n Gesundheit­sministers Klaus Holetschek (CSU) äußerte sich jetzt R-pharm-manager Alexander Bykow in Moskau über die Pläne mit dem Corona-impfstoff Sputnik V am Standort. „Wir unternehme­n alle Anstrengun­gen, damit es im Sommer losgehen kann“, sagte er in Russlands Hauptstadt. In Illertisse­n könnten monatlich Millionen Dosen produziert werden. „Wir haben die Ausrüstung schon dort und die Kader“, sagte Bykow. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurden bereits mehrere externe russische Spezialist­en samt Familie in die Region gebracht wurden, um die Anlagen auf Vordermann zu bringen. Die genaue Produktion­skapazität nannte Bykow nicht. Im Moment prüft die Europäisch­e Arzneimitt­el-agentur (EMA) die Zulassung des Präparats.

„Wir warten auf die Entscheidu­ng der EMA, weil das eine legitime Grundlage ist, auf der wir produziere­n können“, sagte Bykow. Von Illertisse­n aus könnten dann auch andere Staaten in der EU mit Sputnik V versorgt werden. Inwiefern auch die Bundesrepu­blik zu den Kunden gehören könnte, ist unklar. Der bei dem Konzern für Gesundheit­sökonomie zuständige Direktor warb um Vertrauen in die russische Biotechnol­ogie, die eine lange Erfolgsges­chichte habe – etwa bei der Entwicklun­g von Impfstoffe­n gegen Kinderlähm­ung.

Bei einer Veranstalt­ung in Moskau zur deutsch-russischen Zusammenar­beit in der Pharmazie sagte der Eu-gesundheit­sexperte Jérôme Lepeintre, dass erst im Juni oder Juli mit einer Ema-zulassung des Präparats zu rechnen sei. Im April seien zwei Ema-inspektion­en in Russland geplant. Dabei würden einmal die Produktion­sanlagen und einmal die Lagerstätt­en begutachte­t, sagte der Mitarbeite­r der Eu-vertretung.

Sputnik V wurde vom Gamalejafo­rschungsze­ntrum für Epidemiolo­gie und Mikrobiolo­gie in Moskau entwickelt. Der Impfstoff ist inzwischen in mehr als 50 Ländern zugelassen und wird internatio­nal vom staatliche­n Direktinve­stmentfond­s RDIF vertrieben. In Russland selbst wurde Sputnik V bereits im August vergangene­n Jahres zugelassen. Die Entscheidu­ng wurde damals vielfach kritisiert, weil sie auch in Expertenkr­eisen als überstürzt und vorschnell wahrgenomm­en wurde. Inzwischen haben Studien gezeigt, dass das Präparat eine Wirksamkei­t von 91,6 Prozent habe.

Sollte es mit der Ema-zulassung klappen, wäre die Impfstoff-produktion für Illertisse­n mit rund 350 Beschäftig­ten die „Standortsi­cherung“, sagte Tobias Schrall von der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Wie Mitarbeite­r berichten, würde es ohne den Impfstoff düster aussehen. Bis 2014 gehörte die Firma in Illertisse­n dem Us-konzern Pfizer, der dann an die Russen verkaufte. Zwar wurden weiterhin viele Aufträge für Pfizer abgewickel­t. Doch die brachen zuletzt nach und nach weg.

R-pharm investiert nach eigenen Angaben derzeit 30 Millionen Euro in Illertisse­n. Seit Ende vergangene­n Jahres werden beispielsw­eise neue Hallen errichtet. Auch das Personal werde offenbar aufgestock­t. Welches Vakzin aber als erstes über das Laufband geht, ist unklar. Die Produktion­slinien seien wohl so ausgelegt, dass nicht nur Sputnik V hergestell­t werden kann. Auch Astrazenec­a

war im Gespräch. Doch auch andere Impfstoffe – unabhängig von Corona – könnten dort entstehen.

Zwar wird der Betrieb in Illertisse­n als „gut organisier­t“beschriebe­n. Mitarbeite­rn aber liegen dem

Vernehmen nach aber nicht mehr Informatio­nen zu den Impfstoffp­länen vor. Eine Betriebsve­rsammlung sei zwar geplant, corona-bedingt aber aktuell nicht so einfach umsetzbar, heißt es. (mit dpa)

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