So plant Rpharm die Impfstoffproduktion in Illertissen
Sputnik V Lange war von der Firma über die Pläne zur Produktion nichts zu hören. Jetzt wurden Details bekannt
Illertissen Viel Trubel bei R-pharm in Illertissen: Lange war trotz Anfragen nichts über die genauen Pläne zur Impfstoff-produktion zu hören. Doch dann wurde am Mittwochmorgen bekannt, dass der russische Pharmakonzern von Juni oder Juli an im südlichen Landkreis Neuulm den in Moskau entwickelten Corona-impfstoff Sputnik V produziert will. Als diese Nachricht die Runde machte, dann der nächste Aufreger: Rund 100 Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und THK eilten auf das Werkgelände wegen eines Gefahrguteinsatzes. Um die 200 Liter eines säurehaltigen Reiningsmittels waren ausgelaufen. Mitarbeiter wurden zeitweise evakuiert, eine größere Gefahr bestand nicht. Die Lage beruhigte sich, es konnte weitergearbeitet werden.
Doch wirklich ruhiger dürfte es nicht werden: Nach dem Besuch des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) äußerte sich jetzt R-pharm-manager Alexander Bykow in Moskau über die Pläne mit dem Corona-impfstoff Sputnik V am Standort. „Wir unternehmen alle Anstrengungen, damit es im Sommer losgehen kann“, sagte er in Russlands Hauptstadt. In Illertissen könnten monatlich Millionen Dosen produziert werden. „Wir haben die Ausrüstung schon dort und die Kader“, sagte Bykow. Nach Informationen unserer Redaktion wurden bereits mehrere externe russische Spezialisten samt Familie in die Region gebracht wurden, um die Anlagen auf Vordermann zu bringen. Die genaue Produktionskapazität nannte Bykow nicht. Im Moment prüft die Europäische Arzneimittel-agentur (EMA) die Zulassung des Präparats.
„Wir warten auf die Entscheidung der EMA, weil das eine legitime Grundlage ist, auf der wir produzieren können“, sagte Bykow. Von Illertissen aus könnten dann auch andere Staaten in der EU mit Sputnik V versorgt werden. Inwiefern auch die Bundesrepublik zu den Kunden gehören könnte, ist unklar. Der bei dem Konzern für Gesundheitsökonomie zuständige Direktor warb um Vertrauen in die russische Biotechnologie, die eine lange Erfolgsgeschichte habe – etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Kinderlähmung.
Bei einer Veranstaltung in Moskau zur deutsch-russischen Zusammenarbeit in der Pharmazie sagte der Eu-gesundheitsexperte Jérôme Lepeintre, dass erst im Juni oder Juli mit einer Ema-zulassung des Präparats zu rechnen sei. Im April seien zwei Ema-inspektionen in Russland geplant. Dabei würden einmal die Produktionsanlagen und einmal die Lagerstätten begutachtet, sagte der Mitarbeiter der Eu-vertretung.
Sputnik V wurde vom Gamalejaforschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Der Impfstoff ist inzwischen in mehr als 50 Ländern zugelassen und wird international vom staatlichen Direktinvestmentfonds RDIF vertrieben. In Russland selbst wurde Sputnik V bereits im August vergangenen Jahres zugelassen. Die Entscheidung wurde damals vielfach kritisiert, weil sie auch in Expertenkreisen als überstürzt und vorschnell wahrgenommen wurde. Inzwischen haben Studien gezeigt, dass das Präparat eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent habe.
Sollte es mit der Ema-zulassung klappen, wäre die Impfstoff-produktion für Illertissen mit rund 350 Beschäftigten die „Standortsicherung“, sagte Tobias Schrall von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Wie Mitarbeiter berichten, würde es ohne den Impfstoff düster aussehen. Bis 2014 gehörte die Firma in Illertissen dem Us-konzern Pfizer, der dann an die Russen verkaufte. Zwar wurden weiterhin viele Aufträge für Pfizer abgewickelt. Doch die brachen zuletzt nach und nach weg.
R-pharm investiert nach eigenen Angaben derzeit 30 Millionen Euro in Illertissen. Seit Ende vergangenen Jahres werden beispielsweise neue Hallen errichtet. Auch das Personal werde offenbar aufgestockt. Welches Vakzin aber als erstes über das Laufband geht, ist unklar. Die Produktionslinien seien wohl so ausgelegt, dass nicht nur Sputnik V hergestellt werden kann. Auch Astrazeneca
war im Gespräch. Doch auch andere Impfstoffe – unabhängig von Corona – könnten dort entstehen.
Zwar wird der Betrieb in Illertissen als „gut organisiert“beschrieben. Mitarbeitern aber liegen dem
Vernehmen nach aber nicht mehr Informationen zu den Impfstoffplänen vor. Eine Betriebsversammlung sei zwar geplant, corona-bedingt aber aktuell nicht so einfach umsetzbar, heißt es. (mit dpa)