Rpharm erhält Teilgenehmigung für Produktion
Medizin Das Pharmaunternehmen will in Illertissen schnellstmöglich Corona-impfstoff herstellen. Jetzt hat das
Landratsamt eine teilweise Erlaubnis gegeben – doch es fehlt noch einiges. Es ist ein Ringen gegen die Zeit
Illertissen Aus Moskau hatte es noch kürzlich geheißen, von Juni oder Juli an wolle man bei R-pharm in Illertissen Corona-impfstoff herstellen. Dann aber wurde nach Recherchen unserer Redaktion bekannt: Es fehlen noch etliche behördliche Genehmigungen. Jetzt hat das Landratsamt Neu-ulm zwar eine erste Teilgenehmigung erteilt. Doch bis die Impfstoff-produktion starten kann, warten offenbar noch weitere, weitaus höhere Hürden. Was wird aus den Plänen?
Dass Genehmigungsverfahren in der Pharmaindustrie umfassend und kompliziert sein können, ist nicht erst seit Corona und der Suche nach einem geeigneten Impfstoff bekannt. Und vermutlich sind derartige Verfahren im Land der Bürokratie-weltmeister aus Deutschland noch einmal umfassender und komplizierter als ohnehin schon. Doch das sorgte zuletzt für reichlich Kritik. Da wurde im Kampf gegen die Pandemie mehr Mut und weniger Papierkram gefordert.
Genau das wollten sich offensichtlich die russischen Vertreter des Pharmakonzerns R-pharm zunutze machen. Europa ist alles andere als vorne dabei beim Impfen. Es
gewaltig an Impfstoff. Im Stile von „Wir könnten in wenigen Wochen sofort loslegen, aber ihr müsst uns halt auch machen lassen“wollte offenbar der russische Pharmakonzern an der Iller die Impfstoff-produktion schleunigst hochziehen. Zumal auch ein Wettlauf mit anderen Herstellern besteht. Es geht um viel Geld. Für die rund 350 Beschäftigten, die nach Ostern wohl mehr Informationen über die Impfstoffplanungen erhalten sollen, wäre es die Standortsicherung. Zumal R-pharm in Illertissen nach einer Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA „Zulassungsinhaber“wäre. Heißt, von dort aus würde zentral gesteuert, wohin Sputnik in Europa geht.
Zwar hatte Thierry Breton, der zuständige Eu-kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen und Leiter der Impfstoff Taskforce der EU, kürzlich erklärt: „Wir haben absolut keinen Bedarf an Sputnik V.“Es werden aber immer mehr Stimmen laut, die auch einen deutschen Alleingang sich vorstellen können. Darunter Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Aber auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich gegenüber dem russischen Impfstoff mehr als aufgeschlossen. Es müsse „so schnell wie möglich über die Zulassung von Sputnik V entschieden werden“, sagte er. „Und wir sollten aus den schlechten Erfahrungen bei der ersten Bestellung gelernt haben.“
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) war kürzlich bei R-pharm zu Besuch. Am Dienstag kam es zu einer Videokonferenz zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dem russischen Präsidenten Putin und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Das Thema: eine mögliche Kooperation bei Impfstoffen. Höchstwahrscheinlich ging es dabei auch um eine Produktion von Sputnik V in Deutschland – im Werk in Illertissen. Die Stadt wird immer mehr zum Schauplatz der Weltpolitik. Damit wächst aber auch der Druck auf die Behörden hier – insbesondere das Neu-ulmer Landratsamt, das die Unterlagen prüft und die Genehmigungen erteilt.
Denn „rechtskonform“war an dem Vorhaben in Illertissen dem Vernehmen nach bis diese Woche noch fast nichts. Nach dem „freiwilligen Baustopp“seitens des Pharmakonzerns vergangene Woche (wir berichteten) wurden den Behörden nun erste Unterlagen vorgelegt, sodass in bestimmten Bereifehlt chen wieder gemäß Genehmigungen weitergearbeitet werden darf. Da geht es um die Montage und Installation von Klimaanlagen, Medienleitungen, Wasser, Strom und vieles mehr. Ein Brandschutzkonzept aber, um einen Bioreaktor mit einem Fassungsvermögen von 200 Litern betreiben zu können, fehlt weiterhin. Entsprechende Papiere wolle
R-pharm in den kommenden Tagen einreichen, sodass zumindest die Impfstoffproduktion im kleineren Umfang im sogenannten „Technikummaßstab“erfolgen kann, heißt es aus dem Landratsamt.
Für größere Mengen aber – vorgesehen ist wohl ein Bioreaktor mit bis zu 2000 Litern – ist ein immissionsschutzrechtliches Verfahren notwendig. Das ist aufwendiger, die Öffentlichkeit muss eingebunden werden. Das kann bis zu sieben Monate dauern. Hier sei man „noch in den Anfängen“, so die beim Landratsamt zuständige Sachbearbeiterin auf Anfrage unserer Redaktion.
Was heißt das für die Pläne der russischen Vertreter, von Juni oder Juli an starten zu wollen? Eine verlässliche Aussage hierzu sei derzeit nicht möglich, heißt es vom Amt. Man werde alles tun, um den Vorgang zu beschleunigen. So gebe es einen wöchentlichen Austausch mit den involvierten Sachbearbeitern. Und wenn neue Unterlagen seitens R-pharm eintreffen, würden diese sofort und priorisiert abgearbeitet. Und der Druck der Weltpolitik? Natürlich sei es etwas Besonderes, weil es um Impfstoff geht, sagt die Sachbearbeiterin. Derartige Unterlagen zu prüfen, sei aber nichts anderes als ihre tägliche Aufgabe.