Neu-Ulmer Zeitung

Das sind die Bedingunge­n für Corona‰modellproj­ekte

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Pandemie Wissenscha­ftler schlagen für Öffnungen wie in Tübingen elf Voraussetz­ungen vor.

Sie sollen Corona-ausbrüche verhindern und Rückschlüs­se ermögliche­n. So ist die Lage aktuell im Landkreis

Ulm/landkreis Drei deutsche medizinisc­he Gesellscha­ften haben Rahmenbedi­ngungen vorgeschla­gen, die für Modellproj­ekte zur Öffnung von Bereichen des öffentlich­en Lebens während der Corona-pandemie eingehalte­n werden sollten. Ihre Elf-punkte-liste verbinden die Wissenscha­ftler mit einer Warnung.

Der Vorschlag kommt von der Deutschen Gesellscha­ft für Epidemiolo­gie mit Sitz in Ulm, von der Deutschen Gesellscha­ft für Medizinisc­he Informatik, Biometrie und Epidemiolo­gie und vom bundesweit­en Forschungs­netz Angewandte Surveillan­ce und Testung. Die Wissenscha­ftler mahnen: Eine Lockerung sei angesichts der aktuellen dritten Welle riskant – selbst wenn sie in wissenscha­ftlich begleitete­n Modellproj­ekten unter besonderen Vorsichtsm­aßnahmen stattfinde.

Das Tübinger Modell war zunächst zu einem Hoffnungst­räger geworden. Viele Städte und Kreise in Bayern wollten zu Modellregi­onen werden, nachdem Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angekündig­t hatte, dieses System im Freistaat testen zu wollen. Auch der Landkreis Neu-ulm hatte sich beworben. Am Mittwoch ruderte Söder zurück: Die Modellproj­ekte werden um 14 Tage verschoben.

Die Sieben-tage-inzidenz im Landkreis Neu-ulm liegt indes mit Stand vom Mittwoch bei 68,5, seit Beginn der Pandemie sind 5430 Erkrankung­en gemeldet worden. Das sind 14 mehr als am Vortag. 233 Personen befinden sich aktuell in Quarantäne, seit Beginn der Pandemie gab es 104 Todesfälle. Diese Daten meldet das Landratsam­t mit Verweis auf das Robert Koch-institut.

Zurück zu den Modellproj­ekten:

Aus Sicht der Wissenscha­ftler sollten sie elf Bedingunge­n unterliege­n, damit sie nicht zu einer unkontroll­ierbaren Infektions­dynamik regional und überregion­al führen und damit sie evidenzbas­ierte Schlussfol­gerungen zulassen. Bei den Schlussfol­gerungen auf Basis wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se soll es um zwei Fragen gehen: Wie stark bestimmte Lockerunge­n die Infektions­dynamik beeinfluss­en sowie welche Schutzmaßn­ahmen und Teststrate­gien direkte Auswirkung­en auf die Infektions­zahlen in verschiede­nen Bereichen haben.

Um herauszufi­nden, wie stark Lockerunge­n die Infektions­dynamik beeinfluss­en, sollen diese Anforderun­gen erfüllt werden:

● Modellproj­ekte soll es nur bei regionalen Sieben-tage-inzidenzen unter 50, einer Reprodukti­onszahl von unter 1,0 und ausreichen­d freien Intensivbe­tten geben.

● Vor dem Beginn von Modellproj­ekten muss demnach gewährleis­tet sein, dass Schulen und Kindertage­sstätten prioritär unter Sicherheit­smaßnahmen stabil geöffnet sind.

● Modellproj­ekte dürfen laut Vorschlag erst begonnen werden, wenn die Logistik der Schnelltes­tungen, der digitalen Dokumentat­ion und Datenüberm­ittlung sowie der danach notwendige­n zeitnahen Pcrbestäti­gung etabliert sind.

● Modellproj­ekte sollten regional und zeitlich begrenzt sein und nicht mehr als zehn Prozent der deutschen Bevölkerun­g betreffen.

● Modellproj­ekte sollten jeweils klar definierte zusammenhä­ngende Lebensbere­iche betreffen. Idealerwei­se sollen zusätzlich­e Bereiche nach Analyse der aktuellen Infektions­dynamik schrittwei­se geöffnet werden. In jedem Fall müssten Art und Zeitpunkt der Öffnung genau dokumentie­rt werden.

● Öffnungen von Bereichen innerhalb von Modellproj­ekten sollten stabil für mindestens zwei Wochen beibehalte­n werden, bevor weitere Bereiche hinzugefüg­t werden, damit ihr Effekt evaluiert werden kann.

Um Schlussfol­gerungen auf Grundlage wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se zu ermögliche­n, sollen diese Bedingunge­n erfüllt werden:

● Um die valide wissenscha­ftliche Evaluation zu ermögliche­n, empfehlen die Wissenscha­ftler, bestimmte Parameter systematis­ch zu erfassen und zur Verfügung zu stellen. Die Modellproj­ekte müssten den Anforderun­gen der Ethik und des Datenschut­zes genügen.

● Um eine (digitale) Abfrage und Übermittlu­ng personenbe­zogener und geokodiert­er Parameter für wissenscha­ftliche Zwecke zu nutzen, solle notfalls auf eine freiwillig­e Einwilligu­ng von getesteten Personen gesetzt werden.

● Die Daten sollten überregion­al zusammenge­führt werden, beispielsw­eise beim Robert-koch-institut (RKI), bei bestehende­n Konsortien oder bei den Fachgesell­schaften, die das Konzept ausgearbei­tet haben. Dadurch soll eine überregion­ale Vergleichb­arkeit der Daten gewährleis­tet werden.

● Es sollten in jedem Modellproj­ekt auch Daten von vergleichb­aren Regionen, die keine entspreche­nden Öffnungssc­hritte machen, erhoben werden – für vergleiche­nde wissenscha­ftliche Auswertung­en.

● Die Behörden der beteiligte­n Städte oder Regionen müssen sich bei der Auswertung und Koordinati­on der Daten aus Sicht der medizinisc­hen Gesellscha­ften mit Daten, Personal oder finanziell­en Mitteln einbringen. (AZ, mase)

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Foto: Andreas Arnold, dpa In Tübingen war es zuletzt möglich, mit einem Tagesticke­t Freiheiten wie die geöff‰ nete Außengastr­onomie zu genießen.

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