Das Auf und Ab der Coronainzidenz
Pandemie Mal dürfen sie öffnen, mal wieder nicht. Der Zickzackkurs sorgt in München
vor allem bei Händlern für Verunsicherung. Manche Kundin sieht das gelassener
München Die Münchner Innenstadt ist belebt. Einzig die Warteschlangen vor einigen Geschäften deuten an diesem Donnerstag darauf hin, dass sich Deutschland aktuell im Ausnahmezustand befindet. Kunden und Einzelhändler, so scheint es, haben sich mit der Situation arrangiert – trotz aller Verwirrung um das Auf und Ab der Inzidenzzahlen. Noch vor Ostern hieß es, dass in Kürze die Notbremse greife. Dann aber gab es nur eine zweistündige Ausgangssperre am Dienstagabend. Bereits am Mittwoch war wieder alles beim Alten. Die Sieben-tageinzidenz lag wieder unter 100 – entgegen allen Erwartungen.
Unter den Geschäftsleuten herrscht dennoch einiger Unmut. Sie hatten damit gerechnet, keine Kunden mehr in die Läden lassen zu dürfen: „Click & Collect“statt „Click & Meet“. Kurzfristig mussten die Mitarbeiter dann doch wieder in die Geschäfte geholt werden. „Dieses Hin und Her nimmt den Unternehmen die Planungssicherheit“, sagt Florian Reil, Sprecher der IHK München. Zudem könne man auch Kunden nicht zumuten, Tag für Tag die aktuelle Inzidenz in der Zeitung nachzuschlagen.
Zwei Münchnerinnen, die gerade aus dem Kaufhaus Ludwig Beck am Marienplatz kommen, sind da anderer Meinung: „Wir hören in der Früh immer Radio und entscheiden dann spontan“, sagt eine von ihnen. Von Verwirrung könne keine Rede sein, „wir sind einfach nur froh, wenn die Läden offen haben“.
Dass sich die Situation von einem Tag auf den anderen wieder ändern kann, hängt nicht nur mit dem tatsächlichen Infektionsgeschehen zusammen. Es gibt für das Hin und Her einen weiteren Grund: Die Zahlen sind nicht immer verlässlich. Vor Ostern ging der Trend eindeutig nach oben. Alle rechneten damit, dass bei einer Inzidenzzahl über 100 wieder schärfere Regeln gelten. Tatsächlich aber wurden während der Feiertage weniger Erkrankungen gemeldet – vermutlich weil viele Labore über Ostern nicht komplett oder gar nicht besetzt waren.
Für Einzelhändler hat das empfindliche Folgen. Laut Christian Greiner, Vorstandschef des Kaufhauses Ludwig Beck am Marienplatz, müssen er und seine Mitarbeiter maximal flexibel bleiben und „auf alle Veränderungen sehr schnell reagieren“. Nach einem Jahr Pandemie komme er jedoch ganz gut mit der Situation klar.
Ähnlich sieht es bei der Personalplanung aus. Sie werde zwar von dem Hin und Her „massiv beeinflusst“, sagt Greiner. Es sei manchmal kaum möglich, kurzfristig auf die neuen Bestimmungen zu reagieren, „aber mittlerweile schaffen das die Kolleginnen und Kollegen“. Um frühzeitig an die Informationen zu den aktuellen Beschränkungen zu kommen, verlässt sich Greiner auf unterschiedliche Quellen, primär jedoch auf die der Landesregierung.
Trotz dieser eher positiven Beschreibung findet Ihk-sprecher Reil, dass der Meldeverzug über Ostern für Verwirrung sorgt. Nicht selten melden das Robert-koch-institut (RKI) und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) unterschiedliche
Zahlen. Das LGL übermittelt die von den Gesundheitsämtern erhaltenen Fallzahlen mehrmals täglich ans RKI. Laut einer Sprecherin können deshalb und aufgrund der hohen Fallzahlen und unterschiedlicher Aktualisierungszeitpunkte der Webseiten unterschiedliche Zahlen auftreten. Auch technische Probleme seien nicht auszuschließen.
Handelsverbandssprecher Ohlmann berichtet derweil von zahlreichen Anrufen von Händlern, die sich danach erkundigen, was denn gerade gelte. Ohlmann geht davon aus, dass etwa 90 Prozent der Münchner Händler den Online-bestellservice nutzen – dieser decke jedoch lediglich 50 bis 70 Prozent des Umsatzes. „Das ist aber besser als nichts“, sagt Ohlmann, der auch auf den für viele Betriebe wichtigen Kundenkontakt verweist. Dieser sei jedoch nur vollumfänglich gewährleistet, wenn auch die Kunden über die Regelungen Bescheid wüssten. „Viele gehen aber auch nur auf Verdacht in die Stadt.“Oder eben auch nicht.
Lesen Sie dazu auch den Kommen tar „Selbstgemachtes Durcheinander“auf der ersten Bayern-seite.
Ungewissheit erschwert die Personalplanung