Kokainprozess: Vierter Angeklagter gesteht
Drogen Der zweite Tag der Verhandlung gegen junge Männer aus dem Kreis Günzburg läuft anders als geplant. Dazu trägt ein „Deal“bei, auf den sich die Beteiligten verständigt haben
Memmingen Drei der vier jungen Männer aus dem Kreis Günzburg, denen unter anderem Kokainschmuggel und -handel beziehungsweise die Unterstützung dabei vorgeworfen werden, hatten bereits am ersten Verhandlungstag am Landgericht Memmingen ihre Beteiligung eingeräumt (wir berichteten). Nun hat auch der vierte Angeklagte über seine Anwältin ein Geständnis abgelegt. Vorausgegangen war ein Rechtsgespräch zwischen den Beteiligten direkt – an dessen Ende ein sogenannter „Deal“stand.
Auch wenn die Staatsanwältin „nur mit Bauchschmerzen“zustimmte, stellte das Gericht den beiden Hauptangeklagten B. und R. Haftstrafen zwischen drei Jahren und sechs Monaten sowie vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht. Die Vertreterin der Anklage hätte die beiden eigentlich zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb beziehungsweise sechs bis sieben Jahre ins Gefängnis schicken wollen. Doch der Vorsitzende Richter Thomas Hörmann sagte, die Menge an Kokain bei der ersten Beschaffungsfahrt sei nur schwer nachweisbar. Und so pochten die Verteidiger von B. und R. auch darauf, dass es nur 100 Gramm gewesen seien; ein Teil sei wie auch bei der zweiten Fahrt für eigene Zwecke gedacht gewesen, der Rest für den Handel. Die weiteren Beschuldigten K. und W. sind nicht Teil der Verständigung, ihre Anwälte gehen von Bewährungsstrafen für ihre Mandanten aus.
So konnte das Gericht auf einen Großteil der geladenen Zeugen verzichten. Gehört wurden unter anderem zwei Experten, die Haargutachten bei den vier Männern erstellt hatten. Sie bestätigten mehr oder minder, was die Angeklagten selbst sagten. B. nimmt regelmäßig Drogen, nach seinen Worten fing er mit 16 mit Gras an, vor zwei Jahren mit Kokain. Wie auch R. will er eine Therapie machen, um von den Drogen loszukommen. Der andere stieg mit 15 mit Gras ein, seit dem 18. Lebensjahr nimmt er Koks, außerdem probierte er beispielsweise schon Speed, Ecstasy oder LSD aus. Hingegen sagte K., er habe nie Drogen genommen, und W., dass Gras und Kokain nur ausprobiert habe. Ein weiterer Sachverständiger geht davon aus, dass bei B. und R. eine große Rückfallgefahr gegeben sei. B. habe ihm gesagt, dass er schon wegen einer Überdosis Kokain im Günzburger Bezirkskrankenhaus behandelt worden sei. R.s Vater habe nach Angaben dieses Angeklagten selbst Heroin konsumiert.
Eigentlich hätte es am Montag darum gehen sollen, wie die Polizei darauf kam, dass die Angeklagten der Jahrgänge 1997, 1998, 1999 und 2001 in die Drogengeschäfte verstrickt sind. B.s Anwältin hatte wegen massiver Zweifel an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen der Verwertung dieser Beweise widersprochen. So hätten die Abhörprotokolle der Telefonüberwachung und Chatverläufe verlesen werden sollen, doch wegen des „Deals“wurde darauf verzichtet. Klar ist, dass eine Vertrauensperson der Polizei einen Tipp gab, wie es am ersten Verhandlungstag hieß. Ein Kriminalhauptkommissar der Kripo in Neu-ulm hatte beim Prozessauftakt erklärt, dass sich schnell herauskristallisiert habe, dass die
Angeklagten B. und R. ihre Finger im Spiel hatten, später seien K. und W. als Beteiligte hinzugekommen. Es habe sich gezeigt, dass mit Betäubungsmitteln gehandelt worden sei. Die Anwältin brachte den Polizisten mit ihren Nachfragen ins Schwitzen, der Richter musste ihm Brücken für die Antworten bauen. Wie es weiter hieß, behauptete B., auf der Fahrt zur Polizeidienststelle von Beamten gewürgt worden zu sein. Zudem habe er gemeint, mit diesen schon fertig zu werden.
Was feststeht: Vor der Fahrt, bei der die Polizei an der Autobahnausfahrt Günzburg zugriff, seien die Maßnahmen intensiviert worden. Die Sim-karte, die im Wagen für das Notfallsystem verbaut war, sei überwacht worden – so habe man immer gewusst, wo sich das Fahrzeug befand. Zusätzlich habe man es über einen längeren Zeitraum beobachtet. Ein anderer Polizist erklärte, von Hockenheim aus sei man den Zielpersonen Richtung Günzburg gefolgt. Wie berichtet, waren an dem Tag nach Angaben der Beamten 300 Gramm recht hochwertiges Kokain von den Niederlanden aus geschmuggelt worer den, die erst mit viel Aufwand im Auto gefunden wurden – es musste auseinandergenommen werden.
Gehört wurde die Kriminalpolizistin, die den Fall federführend bearbeitet hat. Als bei einem anderen Mann das Telefon überwacht worden war, wurde der Kontakt zu B. und R. klar, sodass auch gegen sie Maßnahmen beantragt wurden. Später wurden W. und K. relevant. Letztlich leitete die Polizei auch gegen gut 25 Abnehmer von Drogen Ermittlungen ein. Auch wenn es sich nur um eine Mutmaßung handelt, gehen die Beamten davon aus, dass es bei der Beschaffung und dem Handel insgesamt um mehrere Kilo Marihuana und Kokain ging.
Bei B. wurden keine regelmäßigen Kontoeingänge festgestellt, obwohl er hohe Fixkosten gehabt habe. Was, so die Ermittlerin, festgestellt wurden, seien unregelmäßige Bareinzahlungen. Bei R. sei es ähnlich gewesen, die Beträge waren demnach aber deutlich niedriger.
Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sprach sich bei K. und W. für die Anwendung des Jugendstrafrechts aus. Bei K. sei seine Zeit in der Untersuchungshaft Warnung genug gewesen. Apropos: Während er aus dem Gefängnis entlassen worden war, sitzen B. und R. weiter ein. Am Montag, 26. April, sollen die Plädoyers gehalten und die Urteile gesprochen werden.