Chance auf Zinsnachzahlung
Geld Prämiensparverträge waren bei Kunden und Bankberatern beliebt. Mittlerweile sind sie wegen
falscher Zinsklauseln zum Problem geworden. Die Bafin stellte sich auf die Seite der Kunden
Bonn Mit langfristigen Verträgen ist das so eine Sache. Was sich im Moment gut anhört, kann in der Zukunft ein schlechtes Geschäft werden. So wie bei den Prämiensparverträgen. Um Kunden an sich zu binden, versprachen Banken und Sparkassen ihnen vor Jahren gute Zinsen. Je länger der Vertrag läuft, desto höher die zusätzliche Zinsprämie. Doch genau das ist für die Anbieter in Niedrigzins-zeiten zur Belastung geworden. Oft wurden alte Verträge gekündigt. Wurde die höchste Prämienstufe erreicht, geschieht das zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Umstritten blieb, wie die Zinsen angepasst werden müssen. In dieser Frage hat sich jetzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) auf die Seite der Kunden gestellt.
Was hat die Bafin entschieden?
Laut einer am Montag veröffentlichten Allgemeinverfügung müssen die Kreditinstitute ihre Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln informieren. Zudem müssen sie im Schreiben erklären, ob die Kunden dadurch zu geringe Zinsen erhalten haben. „Gut ist das für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die noch nichts von ihren Ansprüchen wussten“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-württemberg. Denn die Geldhäuser müssen ihren Kunden eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten.
Welche Sparverträge sind betroffen?
Hintergrund sind langfristige Sparverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren im ganzen Bundesgebiet abgeschlossen wurden. Bei den Sparkassen hießen sie oft „Prämiensparen flexibel“, die Volksbanken nannten sie oft „Bonus- oder Zielsparplan“. Das Prinzip der Produkte ist ähnlich: Der Zins setzt sich aus einem variablen Grundzins und einer vereinbarten Prämie zusammen. „Diese Prämie steigt, je länger der Vertrag besteht, damit die Kunden möglichst lange dabei bleiben“, erklärt Verbraucherschützer Nauhauser. Die variablen Sparzinsen sollten der allgemeinen Zinsentwicklung angepasst werden. „Bei vielen Verträgen haben die Institute die Zinsen bereits auf bis zu 0,01 beziehungsweise 0,001 Prozent gesenkt“, so Nauhauser. „Allerdings sind die Zinsanpassungsklauseln, auf die sich die Banken und Sparkassen dabei berufen, in fast allen Verträgen rechtswidrig.“Eigentlich muss die Zinsanpassung fair und nachprüfbar geschehen, erklärt die Stiftung Warentest. Ein Sparer muss bei einem Sparvertrag mit einem variablen Zins erkennen können, wovon sein Vertragszins abhängt. Also welchen Referenzzins die Bank zugrunde legt und wann und wie genau sie den Zins ändern wird. Genau das ist aus
Sicht von Verbraucherschützern oft nicht der Fall.
Um wie viel Geld kann es gehen? Obwohl der BGH diese Sichtweise der Verbraucherschützer grundsätzlich bestätigt hat, landen viele Fälle immer noch vor Gericht. „Den Kunden wurden meist zu wenig Zinsen gutgeschrieben“, sagt Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Dabei stehen aufgrund der langen Vertragszeiten mitunter hohe Forderungen im Raum.“Kunden können im Durchschnitt mit einigen tausend Euro rechnen. Verbraucher müssen sich jetzt nicht bei ihrem Kreditinstitut melden. „Die Anbieter müssen die Kunden nun von sich aus anschreiben“, sagt sie.
Können die Ansprüche schon verjährt sein?
In vielen Fällen wird sich die Frage der Verjährung stellen. „Wenn Ihr Vertrag 2017 gekündigt wurde, könnten die Ansprüche Ende 2020 verjährt sein, es sei denn, das neue Bgh-urteil vom 27. April 2021 findet Anwendung“, erklärt Andrea Heyer. „Der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist kann durch ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren oder eine Klage gehemmt werden.“Niels Nauhauser sieht den Sachverhalt für Verbraucher optimistischer: „Ob die Verjährung tatsächlich nach drei Jahren eintritt, ist nicht abschließend geklärt.“Es komme ja darauf an, wann jemand Kenntnis des rechtswidrigen Sachverhalts erlangt habe.
Mein Vertrag könnte betroffen sein. Soll ich jetzt zur Sicherheit auf die Bank zugehen?
Wer einen Vertrag mit intransparenter Zinsanpassungsklausel hat, kann von seinem Geldinstitut auch selbst eine Nachberechnung der Zinsen verlangen. Die Verbraucherzentrale Baden-württemberg stellt einen Musterbrief bereit, die Stiftung Warentest bietet im Internet eine Formulierungshilfe an. Oft hat ein solches Schreiben schon Erfolg, weiß Nauhauser aus Erfahrung. „Einige Institute zahlen nach.“Allerdings verhalten sich die Institute unterschiedlich. Teilweise brauchen Betroffene juristische Unterstützung.
Was sagen die Banken?
Die in der Deutschen Kreditwirtschaft zusammengeschlossenen fünf großen Bankenverbände erklärten: „Nach unserer Auffassung wurde die Rechtsprechung des BGH von 2004 seitdem angemessen in den betroffenen und späteren Prämiensparverträgen umgesetzt.“Der BGH werde demnächst entscheiden, ob weitere rechtliche Kriterien bei Zinsanpassungsklauseln beachtet werden müssten. Es sei erstaunlich, dass die Bafin dieser Klärung vorgreife. Die Institute würden prüfen, ob sie Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einlegten.
Friederike Marx u. Falk Zielke, dpa