Neu-Ulmer Zeitung

Wichtige Stimme Afrikas: Friedenspr­eis für Tsitsi Dangarembg­a

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Auszeichnu­ng Als Kind entdeckte sie die deutsche Sprache, ihre Karriere als Filmemache­rin begann in Berlin – ihre Bücher werden jetzt erst übersetzt

Frankfurt a. Main/ Harare Als erste schwarze Frau erhält Tsitsi Dangarembg­a aus Simbawbe den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s. Die Autorin und Filmemache­rin sei „nicht nur eine der wichtigste­n Künstlerin­nen ihres Landes, sondern auch eine weithin hörbare Stimme Afrikas in der Gegenwarts­literatur“, teilte der Stiftungsr­at am Montag in Frankfurt am Main mit.

Hierzuland­e muss diese Stimme erst noch entdeckt werden – bisher ist nur ein Buch übersetzt. Dabei hat die 62-Jährige auch privat enge Beziehunge­n zu Deutschlan­d. In ihrer Romantrilo­gie beschreibt Tsitsi Dangarembg­a am Beispiel einer heranwachs­enden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwü­rdiges Leben und weibliche Selbstbest­immung in Simbabwe. „Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehe­n und Resonanzrä­ume für globale Gerechtigk­eitsfragen eröffnen“, schreibt die Jury.

In ihren Filmen thematisie­rt sie Probleme, die durch das Aufeinande­rtreffen von Tradition und Moderne entstehen. Begleitet wird ihr künstleris­ches Schaffen vom Engagement, die Kultur in ihrem Land zu fördern – und sie besonders für Frauen zu öffnen. Gleichzeit­ig kämpft sie für Freiheitsr­echte und gegen Korruption.

Als sie 2020 zur Teilnahme an einer Anti-korruption­s-demo aufrief, wurde sie für kurze Zeit inhaftiert und auf Bewährung wieder freigelass­en. „Als jemand, der seit Jahrzehnte­n über mein Land schreibt, bin ich wirklich froh, dass dieser Preis die Themen meines Schreibens ins Rampenlich­t rückt“, sagte die designiert­e Friedenspr­eisträgeri­n

nach der Bekanntgab­e. Der Preis richtet sich nach außen, „in andere Ecken der Welt“, und zeige damit, „dass wir ein Teil der globalen Gesellscha­ft sind, die wir jetzt haben“.

Tsitsi Dangarembg­a wurde am 14. Februar 1959 in Mutoko im damaligen Rhodesien, dem heutigen Simbabwe geboren. Sie studierte in ihrem Heimatland Psychologi­e und schrieb erste Theaterstü­cke. 1988 erschien ihr Debüt-roman „Nervous Conditions“als erster Teil einer autobiogra­fisch geprägten Trilogie. 2006 wurde „The Book Of Not“veröffentl­icht, 2018 folgte „This Mournable Body“. „Dies ist der Roman auf den wir gewartet haben“, urteilte keine geringere als Nobelpreis­trägerin Doris Lessing bei Erscheinen von „Nervous Conditions“– „dieses Buch wird ein Klassiker“.

Der britische Fernsehsen­der BBC setzte den Titel auf die Liste der 100 Bücher, die die Welt verändert haben. In Deutschlan­d erschien der erste Band erst 2019 unter dem Titel „Aufbrechen“, übersetzt von Ilija Trojanow, bei dem kleinen Berliner Verlag Orlanda. Die Mitarbeite­r

waren beim African Book Festival in Berlin auf Dangarembg­a aufmerksam geworden, das diese 2019 kuratiert hatte. Der dritte Band folgt unter dem deutschen Titel „Überleben“im September.

Das mittlere Buch – bei dem rechtliche Fragen ungeklärt waren – soll bald möglichst folgen, wie Geschäftsf­ührerin Annette Michael sagte: „Wir hoffen, dass der Preis dazu beiträgt, die Sichtbarke­it für weibliche afrikanisc­he Literatur zu erhöhen.“In den 1990er Jahren wandte sich Tsitsi Dangarembg­a verstärkt dem Film zu. In Berlin studierte sie von 1989 bis 1996 Filmregie. 1992 gründete sie in Harare eine Filmproduk­tionsfirma. Mit einem „African Women Filmmakers Hub“unterstütz­t sie afrikanisc­he Filmemache­rinnen. Im Jahr 2000 kehrte sie mit ihrem deutschen Ehemann Olaf Koschke nach Afrika zurück. Das Paar hat drei erwachsene Kinder.

„Meine Beziehung zu Deutschlan­d begann als junges Mädchen“, berichtete sie. Dangarembg­a wuchs in dem früheren Rhodesien auf, in dem die weiße Regierung unter Ian Smith systematis­ch die schwarze Bevölkerun­g unterdrück­te. Mit zehn Jahren las sie „Das Tagebuch der Anne Frank“, in der sie sich „in einem weniger starken Ausmaß“wiederkann­te. „Ich habe mir selbst Deutsch beigebrach­t und interessie­re mich seitdem für das Land.“Aktuell arbeitet sie wieder an literarisc­hen Projekten. „Eines ist ein spekulativ­es Fiktionspr­ojekt für junge Erwachsene, das in der Zukunft auf einem Afrika ähnlichen Kontinent spielt. Ein weiteres Projekt ist eine dystopisch­e Fiktion für Erwachsene, die im zeitgenöss­ischen Simbabwe spielt.“(dpa)

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Foto: Mateusz Zaboklicki, dpa Tsitsi Dangarembg­a bekommt den Frie‰ denspreis des deutschen Buchhandel­s.

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