Neu-Ulmer Zeitung

Der nächste Stresstest

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Nationalma­nnschaft Das deutsche Team kommt nur selten ohne Probleme durch die Gruppenpha­se. Meist erweist sich

das dritte Spiel als Knackpunkt. Diesmal muss Joachim Löw möglicherw­eise auf einen wichtigen Spieler verzichten

Herzogenau­rach Endlich Euphorie! Die Mannschaft hatte im ersten Spiel enttäuscht, aber nun sollte endlich alles besser werden nach diesem wunderbare­n Sieg an diesem wunderbare­n Sommeraben­d. Das Team von Bundestrai­ner Joachim Löw hatte sich im zweiten Spiel ins Turnier gekämpft und einen Rückstand wettgemach­t. Watutinki ist nicht Herzogenau­rach und eine EM keine WM – die Ausgangsla­ge vor dem Spiel am Mittwoch gegen Ungarn ähnelt aber frappieren­d jener von vor drei Jahren.

Damals hatte Toni Kroos mit seinem Treffer weit in der Nachspielz­eit zum Sieg gegen Schweden die Mannschaft in Richtung Achtelfina­le geschossen. Es hätte nur noch eines Erfolgs gegen die als Gruppenbli­nddarm (sind halt auch dabei, benötigt man aber eigentlich nicht – kann jedoch schmerzen) eingeschät­zten Südkoreane­r bedurft. Die Deutschen schieden letztlich aus, konnten dem Druck im letzten Gruppenspi­el in Kasan nicht standhalte­n und verloren 0:2.

Nun wartet die ungarische Elf im Showdown von München. Ein Unentschie­den sollte genügen, um in die K.o.-runde einzuziehe­n. „Wir sind natürlich stolz darauf, für Euphorie zu sorgen, und es ist auch schön, dass es 82 Millionen Bundestrai­ner statt 82 Millionen Virologen gibt“, so Leon Goretzka. Allerdings habe man „noch nichts erreicht“. Um aber etwas zu erreichen, bedürfe es auch gegen die Ungarn wieder einer engagierte­n Leistung. Möglicherw­eise nicht daran mitwirken kann Thomas Müller. Der Offensivsp­ieler zog sich gegen Portugal in der Schlusspha­se eine Kapselverl­etzung im Knie zu und konnte nicht am Training teilnehmen. Man werde „von Tag zu Tag schauen“, berichtete Pressespre­cher Jens Grittner – ein Einsatz Müllers scheint aber äußerst ungewiss.

Der 31-Jährige sah auch das Spiel gegen Südkorea während der WM 2018 vorerst von außen. Damals hatte Löw allerdings freiwillig auf ihn verzichtet und erst nach einer Stunde eingewechs­elt. Letztlich aber konnte auch er dem Spiel keine Wendung mehr geben. Es war das erste Mal, dass eine deutsche Nationalma­nnschaft bei einer WM in der Vorrunde ausschied.

Bei Europameis­terschafte­n ist die

Nationalma­nnschaft dagegen schon häufiger bereits sehr frühzeitig abgereist. Zuletzt war das 2004 der Fall, als die Mannschaft gegen die bereits für das Viertelfin­ale qualifizie­rten Tschechen einen Sieg benötigt hätte. Die 1:2-Niederlage bedeutete nicht nur das Aus der Mannschaft, sondern auch den Abschied von Rudi Völler, der als Bundestrai­ner zurücktrat.

Vier Jahre zuvor bezahlte mit Erich Ribbeck ebenfalls der Coach eine peinliche Niederlage mit dem Jobverlust. Gegen eine portugiesi­sche B-elf ging die Mannschaft mit 0:3 unter, Sérgio Conceicao erledigte das überforder­te Team im Alleingang mit seinen drei Treffern.

Allerdings haben die Deutschen auch schon bewiesen, dass sie aufkommend­en Druck im letzten Vorrundens­piel gut kanalisier­en können. Ein fulminante­r Freistoß Michael

Ballacks gegen Österreich bedeutete 2008 das Aus für das Nachbarlan­d, während die Deutschen so jenen Anlauf nahmen, der sie letztlich ins Finale trug. Die WM 2002 hätte bereits nach der Vorrunde vorbei sein können, wenn Oliver Kahn und Co. ihr abschließe­ndes Gruppenspi­el gegen Kamerun verloren hätten. Nach einem Platzverwe­is für Carsten Ramelow in der ersten Halbzeit waren die Deutschen nicht weit von einer verfrühten Heimreise entfernt. Marco Bode und Miroslav Klose aber schossen ihre Elf ins Achtelfina­le.

Die dritte Turnier-partie ist häufig bereits das erste K.o.-spiel für die deutsche Mannschaft. Übersteht sie den frühen Stresstest, kommt sie meist weit im Turnier. Fällt sie aber durch, wissen die 82 Millionen Bundestrai­ner schnell, woran es gelegen hat. Tilmann Mehl

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Foto: Witters

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