Neu-Ulmer Zeitung

Hamilton kommt ins Grübeln

- VON MARCO SCHEINHOF

Formel 1 Der Weltmeiste­r hat zum dritten Mal in Folge nicht gewonnen. Auf der Geraden ist sein Mercedes nicht schnell genug, was auch an einem großen Sprung bei Red Bull liegt

Le Castellet Lewis Hamilton fällt gerne auf. Zu den ersten Terminen an der Rennstreck­e in Frankreich kam er zuletzt in einem extravagan­ten Outfit. Kurze Hose, dazu schwarze Stiefel mit einer großen grünen Sohle. Natürlich von einem bekannten Designer entworfen, Kostenpunk­t wohl um die 1000 Euro. Selbst in einer von Selbstüber­zeugung geprägten Welt wie der Formel 1 würde sich kaum einer so an die Strecke trauen. Hamilton aber tut das. Weil er ein besonderer Fahrer ist. Weil er Rekordwelt­meister ist. Und weil er, seit es Hybridmoto­ren in der Formel 1 gibt, nur einmal den Wm-titel nicht gewonnen hat. Das war 2016, als Nico Rosberg den Briten besiegen konnte. Sonst hat er sich seit 2014 immer durchgeset­zt.

Das liegt zum einen natürlich an Hamiltons Talent, was ihn zweifelsfr­ei zu einem der besten Fahrer in der Formel 1 macht. Zum anderen aber auch daran, dass er sich immer auf sein Mercedes-team verlassen konnte. Die britisch-schwäbisch­e Renngemein­schaft baute nicht nur ein schnelles Auto, es schien auch in Taktik und Renngestal­tung der Konkurrenz überlegen. Nun aber schleichen sich immer wieder Fehler in das einst so perfekte arbeitende Team ein. Zuletzt am Sonntag beim Rennen in Le Castellet, als Mercedes der Überzeugun­g war, dass eine Ein-stopp-strategie die richtige Herangehen­sweise ist. Konkurrent Red Bull setzte auf zwei Boxenstopp­s, was Max Verstappen den Vorteil brachte, kurz vor Schluss Hamilton mit deutlich frischeren Reifen zu überholen. Ein Meisterstü­ck der Strategiea­bteilung.

Hamilton wurde Zweiter, sein Teamkolleg­e Valtteri Bottas Vierter. Das scheint ein Ergebnis zu sein, das kein Grund für ganz schlechte Laune sein muss. Wer aber gewohnt ist, Dauersiege­r zu sein, grämt sich schon deswegen. Vor allem, weil Verstappen nicht nur in der Fahrerwert­ung seinen Vorsprung ausgebaut hat, auch in der Teamwertun­g zieht Red Bull davon. „Bei uns ist der Wurm drin“, sagte dann auch Mercedes-teamchef Toto Wolff nach der erneuten

Enttäuschu­ng. 51 Punkte habe Mercedes in diesem Jahr bereits hergeschen­kt. Zwei mögliche Siege und ein zweiter Platz wurden zuletzt aus der Hand gegeben. Wegen eigener Fehler, aber auch wegen der Stärke von Red Bull. Der Konkurrent hat gerade im Bereich des Motors einen großen Sprung gemacht. Honda verabschie­det sich nach dieser Saison – im Idealfall mit dem Wm-titel. Dafür hat der Motorenbau­er noch einmal eine Menge investiert. Zudem steckt Red Bull den Großteil seiner Ressourcen in das aktuelle Auto, während Mercedes parallel am Auto für 2022 tüftelt. Da kommen auf die Formel 1 einschneid­ende Änderungen zu, die Mercedes gleich mit aller Ernsthafti­gkeit angehen möchte, um nicht eine erfolgreic­he Zukunft zu gefährden. Dieser Spagat aber ist schwierig und stellt selbst ein so großes Team wie Mercedes vor Herausford­erungen. „Jeder Rückstand, den man jetzt schon für 2022 aufreißt, ist nur schwer aufzuholen“, sagte Wolff.

Red Bull ist jedenfalls auf Augenhöhe mit Mercedes. Und das auf nahezu allen Strecken. Das sollte Mercedes und Lewis Hamilton tatsächlic­h Sorgen bereiten. Sein achter Wm-titel ist in großer Gefahr. „Jetzt müssen wir mehr Pace nachlegen, so viel steht fest. Die meiste Zeit haben wir heute auf den Geraden verloren, daran müssen wir arbeiten, alles genau analysiere­n und herausfind­en, woran das liegt – am

Luftwiders­tand oder der Leistung“sagte der Weltmeiste­r, der in den vergangene­n drei Rennen keinen Sieg landen konnte. Das schmerzt und hängt wohl auch mit der jeweiligen Nummer zwei im Team zusammen. Bei Red Bull fährt Sergio Perez immer stärker und ist eine echte Hilfe für Verstappen, während Bottas bei Mercedes immer mehr ins Straucheln gerät. In Frankreich rebelliert­e er gar gegen das Team. „Verdammt nochmal, warum hört ihr nicht auf mich?“, äußerte er zur Taktik.

Unruhe bei Mercedes, während bei Red Bull alles läuft. „Vor allem auf der Geraden gibt es kein Vorbei für uns“, sagte Wolff. Da kann selbst Hamilton nichts machen.

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Foto: dpa Lewis Hamilton trug bei der Pressekonf­erenz vor dem Rennen in Frankreich ganz besondere Schuhe, Kostenpunk­t rund 1000 Euro. Auf der Strecke hatte er aber das Nachsehen gegen Max Verstappen.

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