Hund beißt Paketboten – war das vermeidbar?
Justiz Weil sein Vierbeiner einen Austräger verletzt, wird der Halter wegen Körperverletzung angeklagt.
Vor Gericht behauptet der Mann, er habe den Boten nicht gesehen
Senden Dass Briefe und Pakete austragen kein ungefährlicher Job ist, musste ein Paketzusteller aus Neuulm am eigenen Leib erfahren. Als er im Dezember einem 36-Jährigen aus Senden ein Paket überbringen wollte, wurde er von dessen Hund angefallen und gebissen. Weil der Hundehalter sein Tier nicht unter Kontrolle hatte, musste er sich nun wegen fahrlässiger Körperverletzung vor dem Amtsgericht Neuulm verantworten.
Der Sendener wollte nach eigenen Angaben mit seinem Hund spazieren gehen und hatte diesen noch nicht angeleint, als der Paketbote die Einfahrt des Grundstücks betrat. Der zehnjährige Schäferhundmischling bemerkte den Austräger, rannte bellend auf den Mann zu und sprang ihn an. Der Bote versuchte, sich wegzudrehen, damit der Hund das Paket in seiner Hand nicht erwischte, und wurde dabei, durch fünf Schichten Kleidung hindurch, am Rücken unterhalb der Schulter gebissen. Der Halter zerrte den Hund von ihm weg und fragte, ob es dem Boten gut gehe.
Im Anschluss ging der Austräger zur Sendener Polizei, zeigte den Vorfall an und arbeitete noch zwei Stunden, ehe er das Krankenhaus aufsuchte und sich behandeln ließ. Die Verletzung war gemäß eigener Aussage nicht schlimm und ähnelte laut den Ärzten einer Schürfwunde. Schon zwei Tage nach dem Angriff nahm der Paketbote seine Arbeit wieder auf. Schadensersatz oder Schmerzensgeld forderte er nicht.
Der Angeklagte war überzeugt, dass sein Hund nicht zugebissen hat. Er vermutete, dass die Verletzung durch die Krallen des Hundes zustande kam. Der Hund gehört dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, die ihn hält, seit er drei Monate alt ist. Nach dem Vorfall gab das Paar auf Anraten der Polizei ein Gutachten in Auftrag, ob das Tier gefährlich ist. Der Besitzer selbst war überzeugt: „Zweifel hatte ich keine, dass er nicht aggressiv ist.“Der Gutachter beurteilte das Tier tatsächlich als nicht auffällig. Er stellte aber auch fest, dass der Hund, eher auf die Lebensgefährtin des Angeklagten hörte als auf den Angeklagten selbst. Der Gutachter riet dazu, den Hund beim Gassi gehen immer angeleint zu lassen.
Der Hundehalter war wegen des Vorfalls mit einem Strafbefehl belegt worden, gegen den er vorging. Während die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl nach der Beweisaufnahme als berechtigt ansah, beantragte sein Verteidiger eine Aufhebung. „Es ist ein tragischer Unfall, aber keine Straftat“, sagte der Anwalt. Der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung sei nicht gegeben. Weil der Angeklagte nicht gewusst habe, dass der Paketbote gerade in der Einfahrt war, habe er nicht vorhersehen können, dass der Hund jemanden angreifen würde. Es handle sich hier eher um eine Verletzung der Sorgfaltspflicht. Der Hundehalter bestätigt das: „Ich wusste nicht, dass so etwas passieren kann.“
Richter Thorsten Tolkmitt verurteilte den Angeklagten trotzdem wegen fahrlässiger Körperverletzung. Dass der Hund den Paketboten gebissen habe, sei eindeutig erwiesen. Da der Halter wusste, dass er das Tier nicht so gut unter Kontrolle hat wie seine Lebensgefährtin, und dass es angeleint werden muss, wäre der Vorfall vermeidbar gewesen. Auch, wenn der Mann nicht wahrgenommen habe, dass jemand anderes die Einfahrt betreten hatte. Es sei immer vorhersehbar, dass ein frei laufender Hund Schäden anrichten könne, so der Richter. Der Angeklagte habe in der Situation nicht über die möglichen Konsequenzen nachgedacht. „Aber nur, weil er nicht nachgedacht hat, ist es nicht unvorhersehbar“, bekräftigt Tolkmitt. Der Hundehalter muss nun eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 55 Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens übernehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.