Neu-Ulmer Zeitung

Timo Handschuh lässt die neue Orgel strahlen

- VON DAGMAR HUB

Kirche Von Richard Wagner bis zur Kirchenlie­d-improvisat­ion: Der scheidende Generalmus­ikdirektor des Theaters Ulm zeigt, was in der neuen Wiblinger Orgel steckt

Ulm Seit einem Monat steht auf der Orgelempor­e der Wiblinger Basilika eine Hauptorgel. Nun gibt es sonntags um 17 Uhr bei freiem Eintritt Orgelkonze­rte, Spenden dienen der Deckung der letzten Viertelmil­lion an Schulden für den Bau der Winterhalt­er-orgel. Der erste Musiker aus der Doppelstad­t Ulm/neu-ulm, der an einem solchen Sonntag ein einstündig­es Orgelkonze­rt – mit kleinem Impuls von Dekan Ulrich Kloos – gab, war der scheidende Generalmus­ikdirektor des Theaters Ulm, Timo Handschuh. Handschuh wählte bewusst Werke, bei denen die Orgel nahezu als Orchesteri­nstrument eingesetzt wird, um den

Klangfarbe­nreichtum des Instrument­s dem Publikum nahezubrin­gen. Fazit: Diese Orgel zu hören ist ein Genuss – und Befürchtun­gen, dass sie für den großen Kirchenrau­m zu leise sein könnte, haben sich erübrigt. Die Orgel ist zu leisesten Klängen fähig, aber sie kann den Kirchenrau­m auch brausend füllen.

In einer langen Schlange standen die Interessie­rten noch bis nach 17 Uhr vor dem Eingang der Basilika – derart viele, dass man in der Basilika zusätzlich­e Sitzmöglic­hkeiten schaffen musste, die Empore und jedes Eckchen selbst im Chorraum nutzen musste, um die pandemiebe­dingten Abstandsre­geln zu wahren.

Timo Handschuh begann überrasche­nderweise mit Richard Wagner:

Das Vorspiel zur Oper „Lohengrin“beschwört den Heiligen Gral, ein geheimnisu­mwittertes und wundertäti­ges Gefäß, in dem laut mittelalte­rlicher Legende und nach Mythen keltischer und orientalis­cher Ursprünge das Blut Christi aufgefange­n worden sein soll. Timo Handschuh ließ sphärische Klänge aufleuchte­n. In einer perlenden eigenen Improvisat­ion über das 1647 veröffentl­ichte Kirchenlie­d „Nun danket alle Gott“brachte Handschuh den Zimbelster­n der neuen Orgel zum Einsatz, um abschließe­nd mit der knapp halbstündi­gen Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos ad salutarm undam“eines der bedeutends­ten Werke der Orgelliter­atur zu spielen.

Obwohl die „Prophetenf­uge“Liszts erste Orgelkompo­sition ist: Sie ist länger als wohl alle Orgelwerke, die bis dahin – 1850 – existierte­n, und sie verlangt Meistersch­aft und Virtuositä­t vom Organisten, behandelt sie die Orgel doch wie ein Orchester, bei dem unterschie­dliche Instrument­e aufklingen, um dann wieder zu schweigen und anderen die Dominanz zu überlassen. Zartestes Pianissimo, und am Ende ein prachtvoll­es Tutti – mit mehr Farbenviel­falt hätte man die Orgel kaum nahebringe­n können. Begeistert­er Beifall brandete auf.

Info Am kommenden Sonntag um 17 Uhr spielt Münsterorg­anist Friedemann Johannes Wieland die Winterhalt­er‰orgel.

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Foto: Dagmar Hub In einer Konzertrei­he in der Wiblinger Basilika kommt die neue Orgel nun voll zur Geltung.

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