Was die Bauern von der Autoindustrie lernen können
Leitartikel Das Gezerre um die Eu-agrarreform zeigt, wie stark die Beharrungskräfte
in der Landwirtschaft sind. Andere Branchen sind beim Klimaschutz schon weiter
Zuletzt war es Audi. In fünf Jahren will der Autokonzern sein letztes neues Modell mit Verbrenner vorstellen. Ab
2032 oder 2033 sollen dann nur noch E-autos verkauft werden, so hieß es vergangene Woche aus Ingolstadt. Das hat erst mal keine direkten Auswirkungen auf die Landwirtschaft, da mit Porsche auch die letzte Marke aus dem Volkswagenkonzern schon vor einer gefühlten Ewigkeit die Traktorenproduktion eingestellt hat. Aber es sollte vielen Landwirten – vor allem aber ihren Vertretern in den Verbänden – trotzdem zu denken geben.
Der Wandel zur E-mobilität hat einen langen Anlauf genommen. Aber jetzt ist ein Kipp-punkt überschritten und die Revolution nicht mehr aufzuhalten. Am Ende geht alles ganz schnell, das haben auch die Energiewende und der Ausstieg aus der Erzeugung der Kernenergie bestätigt. Industrien, die das Land über Jahrzehnte geprägt haben und an denen hunderttausende von Arbeitsplätzen hängen, verschwinden in wenigen Jahren oder müssen sich radikal wandeln. Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten.
Die Landwirtschaft steht vor einem ganz ähnlichen Prozess. Seit Jahrzehnten schon werden die Stimmen der Warner immer lauter. Nahrungsmittel sind zwar so sicher und günstig wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Fortschritte bei der Technik, der massive Einsatz von chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln und die Zucht immer leistungsfähigerer Arten und Sorten haben dafür gesorgt, dass niemand auf der Erde mehr hungern müsste. Aber die stetig fortschreitende Industrialisierung der Nahrungsmittelerzeugung und die kompromisslose Ausrichtung am Profit sind nicht umsonst zu haben. Der scheinbare Fortschritt hat die Ökosysteme an vielen Orten der Welt an den Abgrund gebracht. Die viel beschworenen Grenzen des Wachstums – wir haben sie vielerorts erreicht oder bereits überschritten.
Die Verhandlungen über die neue Förderperiode der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP), um die gerade mit allen Mitteln gekämpft wird, machen deutlich, warum es so schwer ist, das bestehende System aufzubrechen, obwohl die Notwendigkeit dazu mittlerweile breit anerkannt ist. Über ein Viertel aller Euagrarausgaben sind von 2014 bis 2020 in den Klimaschutz geflossen, insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro. Trotzdem sind die Treibhausgasemissionen des Sektors seit 2010 nicht zurückgegangen. Jetzt wird darüber diskutiert, wie viel Geld zusätzlich in Umweltund Klimaschutzmaßnahmen fließen soll. Doch eine wirkliche Abkehr vom System, das Geld mit der
Gießkanne über Direktzahlungen, die an die Fläche gebunden sind, auszuschütten, ist nicht einmal angedacht. Wer viel hat, bekommt auch viel. Die Angst vor der Nahrungsmittelknappheit war der Ursprung dieser Förderpolitik. Die Hoffnung auf saftige (Export-)erlöse ist ihre Überlebensgarantie.
Doch die Zeit hat sich geändert. Das Ziel der massiven Agrarsubventionen verschiebt sich immer mehr in Richtung Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: Wasser, Boden, Luft und Artenvielfalt. Was knapp wird, steigt im Wert. Deswegen sollten die Interessenvertreter der Landwirte – aber auch jeder Betrieb für sich – von der Transformation der Autoindustrie lernen. Am Ende wird nicht der Konzern überleben, der die stärksten, besten oder gar sparsamsten Verbrenner baut. Sieger wird sein, wer die unausweichliche Transformation schnell und mit Mut anpackt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Politik diese Transformation mit einem klaren rechtlichen Rahmen und vielen Milliarden Steuergeld begleiten muss.
Wenn die Natur knapper wird, steigt ihr Preis