Neu-Ulmer Zeitung

„Ist das wirklich Angela Merkel?“

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Interview Ursula Wanecki ist die wohl bekanntest­e Doppelgäng­erin der Kanzlerin. Auch sie möchte bald kürzertret­en.

Ein Gespräch über die perfekte Illusion, skurrile Verwechslu­ngen und darüber, was Merkel von ihr hält

Frau Wanecki, wann haben Sie gemerkt, dass Sie aussehen wie die Bundeskanz­lerin?

Ursula Wanecki: Das hat schleichen­d begonnen. Auf Hochzeiten und Geburtstag­en sagten Menschen, dass ich Ähnlichkei­ten mit Angela Merkel habe. Oder mein Enkel, der sagte als Kleinkind oft: „Die Oma ist im Fernsehen.“Auch auf der Straße wurde ich ein paar Mal angesproch­en, überwiegen­d von Jugendlich­en. Der entscheide­nde Moment war, als ich mich an Karneval als Kanzlerin verkleidet­e. Das kam sehr gut an. 2013 habe ich mich dann bei einer Werbeagent­ur beworben und gleich einen ersten Auftrag bekommen.

Hat es Vor- oder gar Nachteile, von vielen für die Bundeskanz­lerin gehalten zu werden?

Wanecki: Vorteile habe ich nicht, weil ich sie nicht suche. Negativbei­spiele gibt es aber schon ein paar. Mit der Flüchtling­skrise 2015 und der damit einhergehe­nden angespannt­en Stimmung habe ich Ängste bekommen. Am Bahnhof hielt ich mich zum Beispiel immer von den Gleisen fern, damit mich niemand vor einen Zug schubsen kann. Es laufen genug Bekloppte auf der Welt herum. Grundsätzl­ich reagieren die meisten Menschen aber sehr positiv.

Seit nunmehr zehn Jahren arbeiten Sie als Merkel-double. Sie sind viel herumgekom­men in dieser Zeit… Wanecki: Ich habe für Stefan Raab gearbeitet, immer wieder für die „heute-show“und andere Fernsehsen­dungen. Ich hatte viele Auftritte und besuchte viele Veranstalt­ungen. In Friedrichs­hafen zum Beispiel war ich im Jahr 2019 Gast bei der 40-Jahr-feier eines Klinikums. Die echte Bundeskanz­lerin hatte keine Zeit, darum habe ich sie staatsmänn­isch vertreten. Samt Bodyguards und schwarzer Limousine. In Österreich habe ich mal einen Film gedreht – zusammen mit den Doubles von Wladimir Putin, Greta Thunberg und Donald Trump. Das war sehr lustig. Nach den Drehs haben Putin, Thunberg und ich uns immer in der Hotel-lobby getroffen. Die anderen Gäste konnten ihren Augen nicht trauen.

Wo war Trump?

Wanecki: Trump wollte nicht mit uns feiern. Er blieb in seinem Hotelzimme­r (lacht).

Gab es im Laufe der Jahre Aufträge, die Sie nicht annehmen wollten? Wanecki: Mir war immer wichtig, zu wissen, welche politische Orientieru­ng diejenigen haben, die mich buchen. Ich will keine Extreme. Auch Anfragen von Parteien habe ich nie angenommen. Dadurch, dass ich die Bundeskanz­lerin sehr schätze und sie für eine große Politikeri­n und Demokratin halte, habe ich außerdem immer auch darauf geachtet, sie nicht lächerlich zu machen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie in ihre Rolle schlüpfen?

Wanecki: Wichtig ist der Schockeffe­kt. Die Leute sollen sich fragen: Ist das wirklich Angela Merkel? Irgendwann merken sie natürlich, dass das ja gar nicht die Kanzlerin ist. Aber da ist es schon zu spät, der Effekt war da. Ich muss da wirklich nicht viel tun. Ich schlüpfe in meinen roten Blazer, meine schwarze Hose, ziehe meine Bernsteink­ette an und wenn ich aus dem Haus gehe, bin ich Frau Merkel. Meine Gestik stimmt, meine Mimik, ganz automatisc­h. Ich musste das gar nicht einstudier­en.

Das klingt, als gäbe es natürliche Parallelen zwischen Ihnen und Angela Merkel.

Wanecki: Ja. Ähnlichkei­ten zwischen uns beiden sehe ich vor allem beim Thema Pflichtbew­usstsein. Und genau wie Frau Merkel lasse ich mir bei Entscheidu­ngen Zeit, bin bis ins Detail informiert und habe immer auch Alternativ­en parat.

Sind Sie ein politische­r Mensch? Wanecki: Durch meine Arbeit als Double habe ich sehr an politische­r Kompetenz dazugewonn­en und mich auch intellektu­ell weitergebi­ldet. Ich habe mich mit der Politik auseinande­rgesetzt, Parteiprog­ramme und den Terminkale­nder von Frau Merkel studiert. Für meine Auftritte war ich immer sehr gut vorbereite­t. Die Leute sollten im Gespräch sehen, dass ich nicht nur eine dümmliche Kopie bin. Ich wollte nie nur laufen und winken, sondern staatsmänn­isch auftreten. Aber über Politik wollte ich mich nie äußern, davor habe ich großen Respekt.

Sind Sie Angela Merkel je persönlich begegnet?

Wanecki: 2013 war sie auf Wahlkampft­our in Olpe im Sauerland. Da stand ich fünf Meter vor unserer Bundeskanz­lerin. Aber ich hatte ein Kopftuch umgewickel­t. Ich war damals in der Region schon sehr bekannt. Ich wollte nicht, dass jemand auf mich aufmerksam wird. Ich wollte keine unangenehm­e Situation riskieren, denn es war eine Veranstalt­ung von Frau Merkel, nicht von mir.

Hat die Bundeskanz­lerin Ihnen einmal Rückmeldun­g zu Ihrer Leistung als Doppelgäng­erin gegeben?

Wanecki: Vor einem Monat. Ich hatte mir einen sehr schönen Bildband von Daniel Biskup über Frau Merkel gekauft und an das Bundeskanz­leramt geschickt. Den hat die Kanzlerin mir signiert samt Empfehlung­sschreiben zurückgese­ndet. So etwas macht sie sonst nie. Das ist vielleicht ein kleines Zeichen dafür, dass sie meine Leistung wohl nicht ganz so schlimm fand. Eine solche Anerkennun­g am Ende meiner Karriere zu bekommen, das hat mich riesig gefreut.

Angela Merkel wird bei der Bundestags­wahl im September nicht erneut als Kanzlerkan­didatin antreten. Auch Sie als ihre Doppelgäng­erin haben angekündig­t, fortan kürzertret­en zu wollen.

Wanecki: Ich double unsere Kanzlerin ja schon eine ganze Weile. Das ist meine Berufung gewesen, mein Lebensaben­teuer. Aber ich werde in diesem Jahr 65. Auch in meinem richtigen Job in einem Büro gehe ich bald in Rente. Irgendwann ist es auch genug. Bei mir im Ort bleibe ich wohl immer „die Angie“. Aber ich will so langsam ein bisschen runterfahr­en. Das wünsche ich unserer Bundeskanz­lerin im Übrigen auch (lacht).

Annalena Baerbock, Armin Laschet oder Olaf Scholz: Was würden Sie einem Menschen raten, der große Ähnlichkei­t mit dem nächsten Kanzler, der nächsten Kanzlerin aufweist? Lohnt eine Karriere als Doppelgäng­er? Wanecki: Ich wurde am Anfang meiner Double-karriere in kaltes Wasser geworfen. Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Ich hatte das Glück, auf nette und ehrliche Menschen zu treffen. Ein Double kann da auch schlechte Erfahrunge­n machen. Wer das passende Aussehen und Lust auf diese besondere Aufgabe hat, sollte es einfach ausprobier­en. Aber ganz ehrlich: Unsere Bundeskanz­lerin ist einmalig.

Interview: David Holzapfel

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Roter Blazer, schwarze Hose und ein bisschen Schminke: Mehr braucht Ursula Wanecki nicht, um in die Rolle von Angela Merkel zu schlüpfen.
Foto: Oliver Berg, dpa Roter Blazer, schwarze Hose und ein bisschen Schminke: Mehr braucht Ursula Wanecki nicht, um in die Rolle von Angela Merkel zu schlüpfen.

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