Neu-Ulmer Zeitung

Wie es mit dem Luftkampfs­ystem FCAS weitergeht

- VON STEFAN KÜPPER

Rüstung Es ist das wichtigste europäisch­e Verteidigu­ngsprojekt, kostet viele Milliarden Euro und seine Entwicklun­g betrifft den Airbus-standort

in Manching unmittelba­r. Heute soll der Bundestag den nächsten Entwicklun­gsschritt genehmigen. Aber es gibt massive Kritik

Berlin Es geht um Milliarden, wenn der Bundestag am Mittwoch über die weitere Finanzieru­ng des Luftkampfs­ystems FCAS entscheide­t. Das von Deutschlan­ds, Frankreich­s und Spaniens Rüstungsin­dustrie zu entwickeln­de Future Combat Air System soll ab 2040 abheben können und den Eurofighte­r sowie das französisc­he Kampfflugz­eug Rafale ablösen. Es gilt als das wichtigste europäisch­e Verteidigu­ngsprojekt der nächsten Jahrzehnte. Die Gesamtkost­en werden auf einen dreistelli­gen Milliarden­betrag geschätzt. Allein der nächste Entwicklun­gsschritt, der im Haushalts- und Verteidigu­ngsausschu­ss zur Abstimmung kommt, hat ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro.

Wie es mit FCAS vorangeht, betrifft auch die Zukunft der Region, denn es geht dabei auch um die Jobs bei Airbus Defence and Space in Manching bei Ingolstadt. Der Ingolstädt­er Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl (CSU) erklärt die Bedeutung so: „An FCAS entscheide­t sich, ob wir in Europa zukünftig noch selbst Kampfflugz­euge bauen können. Der Eurofighte­r wird perspektiv­isch auslaufen. An diesem Flugzeug hängen allein in Manching

3000 Arbeitsplä­tze. Diese wollen wir auch mit dem Zukunftspr­ogramm FCAS langfristi­g erhalten.“

FCAS ist allerdings aus verschiede­nen Gründen umstritten. So hat der Bundesrech­nungshof jüngst vor zahlreiche­n kritischen Punkten gewarnt. In einem als Verschluss­sache eingestuft­en Schreiben weisen die Prüfer Fachpoliti­ker auf ungeklärte Fragen hin und stellen fest: „Ob die Risiken tragbar sind, ist in der politische­n Gesamtscha­u zu entscheide­n.“Das Verteidigu­ngsministe­rium (BMVG) habe die Projektris­iken transparen­t dargelegt.

Wenn der Jet in der Luft ist, kann man sich das so vorstellen: Zu sehen ist ein bemanntes Mehrzweckk­ampfflugze­ug, das von einem Drohnensch­warm begleitet wird, sogenannte­n „Remote Carriers“. Sogar Satelliten kann FCAS steuern. Wichtigste­s Element des gesamten Systems ist eine „Air Combat Cloud“, die mit Künstliche­r Intelligen­z sehr viele Daten sehr schnell verarbeite­n kann. Ein künftiger Missionsko­mmandeur bekommt dabei alle Informatio­nen in Echtzeit zur Verfügung gestellt.

Die geplanten Technologi­en sind also überaus komplex, wie auch das Vertragswe­rk und die für die Öffentlich­keit schwer nachvollzi­ehbaren Verhandlun­gsstände. Ein Streitpunk­t: Wer hält die Nutzungsre­chte, wenn mit Steuergeld­ern in dieser Höhe technologi­sche Quantenspr­ünge finanziert werden? Bemängelt wurde, „dass dem Parlament noch kein endverhand­eltes Verrund tragswerk vorgelegt werden kann“. Kritisch sahen die Prüfer auch den Bau eines von deutscher Seite geforderte­n zusätzlich­en sogenannte­n Demonstrat­ors. Sie empfahlen eine Untersuchu­ng der Wirtschaft­lichkeit. Und das Beschaffun­gsamt der

Bundeswehr schrieb intern, dass ein vorgelegte­r Vertrag „aus technischw­irtschaftl­icher Sicht nachverhan­delt werden muss und mithin nicht zeichnungs­reif ist“. Politische Kritik gab es wiederholt daran, dass Frankreich sich zu sehr habe durchsetze­n können, wo der Flugzeugba­uer Dassault das Vorhaben federführe­nd umsetzt.

Das Verteidigu­ngsministe­rium sieht allerdings keine weiteren Hinderniss­e. Ein Sprecher sagte am Montag: „Wir halten das Projekt in dem Status, wie es jetzt ist, und für die Anteile, die vorgelegt werden, auch für genehmigun­gsfähig unter Berücksich­tigung eines internatio­nalen Risikomana­gements.“

Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Ingo Gerhartz, hatte dagegen von einem Kompromiss nach schwierige­n Verhandlun­gen gesprochen. „Dieses technisch anspruchsv­olle und für unsere Luftwaffen zukunftswe­isende Projekt ist ohne Alternativ­e, wenn wir uns in Europa eine Unabhängig­keit bewahren wollen“, erklärte er. „Ich hoffe, im Sinne der Stärkung europäisch­er Sicherheit­sinteresse­n, dass sich Nationen wie Großbritan­nien und Italien zu gegebener Zeit an diesem Zukunftspr­ojekt beteiligen werden.“

Wie komplizier­t die Konfliktli­nien verlaufen, sieht man aber zum Beispiel daran, dass der Airbus-betriebsra­t den Bau eines Demonstrat­ors in Deutschlan­d für entscheide­nd hält, um Schlüsselt­echnologie­n am Standort zu halten und die Zulieferer­betriebe nicht zu gefährden. Thomas Pretzl, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender von Airbus Defence and Space sagte unserer Redaktion: „FCAS ist ein wichtiger Großauftra­g für Airbus. Das idealerwei­se grüne Licht aus Berlin ist mit vielen Hoffnungen und Erwartunge­n verbunden. Die aktuelle Verteilung von Arbeitsant­eilen und Wissenserw­erb benachteil­igt Deutschlan­d sehr stark gegenüber Frankreich. Sollte das so bleiben, wird aus einem europäisch­en ein französisc­hes Programm.“

Bernhard Stiedl, Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, sagte unserer Redaktion: „Wenn wir Technologi­e und damit Arbeitsplä­tze an den Standorten in Deutschlan­d erhalten wollen, brauchen wir eine stärkere industriep­olitische Betrachtun­g der politische­n Entscheidu­ngsträger, um eine gerechtere Zusammenar­beit mit unseren europäisch­en Partnern zu erreichen.“Er fordert, dass nachverhan­delt wird. (mit dpa)

 ?? Foto: Karl‰josef Hildenbran­d, dpa ?? Den Eurofighte­r (im Bild) soll das Luftkampfs­ystem FCAS ablösen. Aber das europäi‰ sche Großprojek­t steht in der Kritik.
Foto: Karl‰josef Hildenbran­d, dpa Den Eurofighte­r (im Bild) soll das Luftkampfs­ystem FCAS ablösen. Aber das europäi‰ sche Großprojek­t steht in der Kritik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany