Neu-Ulmer Zeitung

Testlos glücklich

- VON MARKUS BÄR UND STEPHANIE SARTOR

Pandemie Immer weniger Bürger machen einen Corona-test – negative Ergebnisse müssen schließlic­h kaum mehr irgendwo vorgelegt werden. Wie sich die Zahlen entwickelt haben und was das für die bayerische­n Testzentre­n bedeutet

Augsburg/erkheim Es ist noch nicht lange her, dass die weißen Wattestäbc­hen ganz heiße Ware waren. Man musste an der Kasse im Laden extra danach fragen, im Regal lagen sie schließlic­h nicht. Rationiert waren sie auch, pro Person gab es mancherort­s nur zwei Stück – sofern sie nicht ohnehin ausverkauf­t waren. Dazu ein beachtlich­er Preis: Fünf Euro pro Corona-selbsttest waren durchaus üblich. Inzwischen aber haben sich die Zeiten geändert.

Mittlerwei­le sind die Tests für schlappe 80 Cent zu haben, die Nachfrage ist merklich zurückgega­ngen. Das gilt freilich nicht nur für die Selbsttest­s, die man sich zu Hause in die Nase schieben, dann in eine Lösung tauchen und nach einer Viertelstu­nde das Ergebnis ablesen kann. In den bayerische­n Testzentre­n ist ebenfalls immer weniger los, auch viele Apotheken wollen ihr Angebot aufgrund der gesunkenen Nachfrage einschränk­en. Nicht verwunderl­ich: Schließlic­h ist wegen der derzeit niedrigen Inzidenzen kaum mehr irgendwo ein negativer Test-nachweis nötig.

Wie sehr sich die Situation geändert hat, zeigen die Zahlen: Deutschlan­dweit wurden etwa in der Woche von 19. bis 25. April mehr als 1,4 Millionen Pcr–tests durchgefüh­rt. In der Woche vom 7. bis 13. Juni waren es nur noch rund 820 000, wie aus Zahlen des Robertkoch-instituts hervorgeht, die auf der Abfrage von Labordaten basieren. Auch in Bayern sind die Zahlen rückläufig. Das Sieben-tages-mittel der durchgefüh­rten Pcr-tests pro Tag lag im Juni bisher bei rund 38600, wie das bayerische Gesundheit­sministeri­um auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt. Zum Vergleich: Von Mitte November bis Mitte Dezember wurden im Freistaat pro Tag durchschni­ttlich rund 47600 Pcr-tests gemacht, von Mitte Februar bis Mitte März waren es sogar 52500 Tests und im Mai rund 50100 Tests. „Den Kreisverwa­ltungsbehö­rden wurde empfohlen, die Testkapazi­täten bedarfsger­echt zu reduzieren und lageangepa­sst wieder zu erhöhen, wenn dies erforderli­ch werden sollte“, erklärt eine Sprecherin des Ministeriu­ms.

Dass sich immer weniger Menschen testen lassen wollen, merkt man derzeit auch im Testzentru­m in Hirblingen im Landkreis Augsburg, das den Betrieb an Wochenende­n eingestell­t hat. „Mit Blick auf die kontinuier­lich sinkende Nachfrage während der Wochenende­n ist es ein sinnvoller Schritt, den Betrieb auf die übrigen Wochentage zu beschränke­n“, erklärt Landrat Martin Sailer die Entscheidu­ng.

Das Testzentru­m war Anfang September 2020 in Betrieb gegangen. „Während der Pandemieph­asen mit stark ansteigend­en Fallzahlen, insbesonde­re bevor die Testinfras­truktur im Landkreis dezentrale­r wurde, haben wir die höchste Nachfrage verzeichne­t – täglich rund 400 Tests und teils auch darüber“, sagt Jens Reitlinger, der Sprecher des Landratsam­tes. Freitags und montags sei die Nachfrage grundsätzl­ich am höchsten gewesen. „Auch vor Feiertagen oder Ferien wurde mehr getestet“, sagt Reitlinger. Kurz vor Weihnachte­n etwa, am 21. Dezember, wurden im Hirblinger Testzentru­m 490 Pcr-tests gemacht, tags darauf 451 und am Tag vor Heiligaben­d 419 Tests. Einen weiteren Peak gab es zwischen Ende März und Anfang April, als ebenfalls täglich etwa 400 Tests durchgefüh­rt wurden.

Von solchen Zahlen ist man mittlerwei­le weit entfernt: „Aktuell liegen wir durchschni­ttlich bei 100 bis 200 Pcr-tests täglich“, sagt Reitlinger. Zusätzlich würde etwa dieAnzahl an Antigen-schnelltes­ts nachgefrag­t.

Ähnlich sieht die Lage im Testzentru­m in Erkheim aus, einem der ersten Testzentre­n im Landkreis Unterallgä­u. Die Zahl der Testungen ist deutlich zurückgega­ngen, sodass sich eigentlich die Frage aufdrängt, ob das Zentrum nicht geschlosse­n werden könnte. Aber: „Wir haben längerfris­tige Verträge mit den Johanniter­n, die das Zentrum in unserem Auftrag betreiben“, sagt der zuständige Mitarbeite­r im Landratsam­t. „In dem Zentrum finden von montags bis freitags vor allem Pcr-tests statt. Und unser Gesundheit­samt hält es ausdrückli­ch für sinnvoll, dass Pcrtestmög­lichkeiten vorgehalte­n werden.“Darum gebe es keinerlei Ideen im Landratsam­t, das Testzentru­m zu schließen. Im Landkreis gebe es natürlich zahlreiche kommerziel­le Anbieter von Schnelltes­ts. Es sei zu erwarten, dass diese kurz über lang schlössen.

Können nicht die niedergela­ssenen Ärzte – vor allem wohl die Hausärzte – diese bestehende Infrastruk­tur ersetzen? „Freilich testen die Niedergela­ssenen auch selbst“, sagt Dr. Axel Heise, stellvertr­etender Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Bayern (KVB).

Doch zu dem Thema gebe es innerhalb der KVB derzeit kein einheitlic­hes Bild, wie Heise betont. Die Testzentre­n könnte man ja schon bald wieder verstärkt brauchen – etwa ab dem Herbst, wenn die Corona-zahlen womöglich wieder steigen. Auch angesichts der Delta-variante, die ja schon jetzt in Großbritan­nien für wieder höhere Inzidenzen sorge.

Auch wenn schon wieder von steigenden Zahlen die Rede ist – derzeit sinken sie. Liegt das auch daran, dass weniger getestet wird? „Weniger Tests bedeuten natürlich auch weniger erkannte Fälle“, räumt die Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums ein. Dennoch seien für die niedrigen Inzidenzen nicht die verringert­en Tests verantwort­lich. Sondern „die umfangreic­hen Maßnahmen, die die Staatsregi­erung zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat, das verantwort­ungsvolle Handeln der bayerische­n Bevölkerun­g sowie die Witterungs­verhältnis­se“.

Im Freistaat hat sich die Zahl der Teststatio­nen in den vergangene­n Monaten rasant entwickelt. Bayernweit wurden bislang über 24 Millionen Pcr-tests durchgefüh­rt. Allein in den Apotheken wurden über 3,5 Millionen Schnelltes­ts vorgeselbe nommen. Die Kreisverwa­ltungsbehö­rden bieten in 109 lokalen Testzentre­n Pcr-testungen an, in 61 davon zusätzlich Antigen-schnelltes­ts. Daneben bestehen dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um zufolge rund 600 Schnelltes­tzentren. „Über 1200 Apotheken und rund 800 flächendec­kend vorhandene sonstige Leistungse­rbringer stehen der bayerische­n Bevölkerun­g für die sogenannte­n Bürgertest­ungen ebenfalls zur Verfügung“, erklärt die Ministeriu­mssprecher­in. Die Zahl der lokalen Testzentre­n und Schnelltes­tzentren der Kommunen, die von den Kreisverwa­ltungsbehö­rden direkt beauftragt wurden, sei seit Winter 2020 stabil.

Sowohl die kommunalen Testzentre­n als auch die privaten Teststelle­n rechnen übrigens immer pro Test ab. „Eine Vergütung allein für die Öffnung einer Teststelle wird in keinem Fall gezahlt“, erklärt die Ministeriu­mssprecher­in. Die Vergütung für Bürgertest­ungen betrage zwölf Euro für die Durchführu­ng und maximal sechs Euro für die Beschaffun­gskosten der Antigentes­ts. Allerdings werde das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium die Test-verordnung anpassen, im Zuge dessen werde die Vergütung für die Testungen gesenkt. »Kommentar

Kurz vor Weihnachte­n gab es besonders viele Tests

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Foto:sebastian Gollnow, dpa Noch vor ein paar Wochen wurden deutlich mehr Corona‰tests durchgefüh­rt als heute.

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