Das Gegenstück zu Juli Zeh
Ein Rechtsruck mit
Christoph Hein
Wenn Gesellschaftsromane allzu deutliche Lehrstücke werden, ist das selten von Vorteil für die literarische Qualität. Das ist bei Juli Zehs aktuellem Bestseller „Über Menschen“so, der in (ost-)deutschen Provinzen unter anderem vorführt, dass auch der Nazi von nebenan ein Mensch ist – und das ist auch bei Christoph Heins „Guldenberg“nun, quasi dem Gegenstück dazu.
Denn der ja so oft und sonst so gut (ost-)deutsches Zeitgeschehen bearbeitende Autor („Trutz“) führt hier sehr exemplarisch vor, dass der Mensch von nebenan sich eben einfach als Nazi entpuppen kann. Das titelgebende, fiktive, aber sehr aufs typisch Deutsche angelegte „Guldenberg“nämlich erlebt nicht einfach nur Zeiten mit Diskussionen und Problemen, als zwölf Flüchtlinge im Alten Seglerheim untergebracht werden – die sechs Afghanen und sechs Syrer werden von nicht wenigen einfach mal in unzweideutiger historischer Übertragung als „Zigeuner“klassifiziert, wer ihnen hilft, wird mindestens angefeindet, sei es Pfarrer oder Bürgermeister. Ziegelstein durchs Fenster, Vergewaltigungsverdacht… – dass hier alles auf einen Brandanschlag hinausläuft, ist ungefähr so überraschend wie, dass Juli Zehs Nazi dann auch noch künstlerisch begabt ist.
Dabei gilt freilich auch für den 77-jährigen Hein: Geschrieben und inszeniert ist das nicht platt, sondern routiniert und kundig. Aber in aller Überdeutlichkeit wird daraus eben kein guter Roman. (ws)
Christoph Hein: Guldenberg Suhrkamp, 284 S., 23 ¤