Neu-Ulmer Zeitung

Nicht jede Plastik‰alternativ­e ist sinnvoll

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Verpackung­smüll Mehrweg statt Einweg liegt im Trend und wird schon bald zur Pflicht. Inzwischen gibt es viele gute Ersatzprod­ukte zu Einwegplas­tik. Worauf Verbrauche­r dabei achten sollten

Berlin Eislöffel, Plastik-strohhalme und Plastik-teller ade: Am 3. Juli treten in Deutschlan­d zwei Verordnung­en in Kraft. Die eine verbietet europaweit die Herstellun­g zahlreiche­r Plastikpro­dukte, die andere belegt einige Produkte mit einer Kennzeichn­ungspflich­t, informiert die Verbrauche­rzentrale NRW.

Ziel der Richtlinie, die die EU 2019 verabschie­det hat: Plastikmül­l zu reduzieren und so die Meere und die Umwelt vor einer anhaltende­n Plastikflu­t bewahren. Laut Europäisch­em Verbrauche­rzentrum Deutschlan­d gilt das Verbot für die Produktion der zehn Einwegkuns­tstoff-artikel, die 70 Prozent des Meeresmüll­s ausmachen.

So dürfen die Hersteller ab Juli unter anderem kein Besteck, keine kosmetisch­en Wattestäbc­hen, Luftballon­stäbe, Rührstäbch­en, Teller, Schalen und Trinkhalme aus Plastik produziere­n. Lebensmitt­el- und Getränkebe­hälter aus Styropor sind ebenfalls verboten. Mit einem kleinen Aber: Händler und Restaurant­s dürfen Restbestän­de weiter ausgeben – damit diese nicht unbenutzt im Müll landen. Weiter erlaubt, aber gekennzeic­hnet werden müssen etwa Einweggetr­änkebecher aus Papier mit Kunststoff­beschichtu­ng sowie Feuchttüch­er, Damenhygie­neartikel, Zigaretten und Tabakprodu­kte mit Filtern. Hier soll explizit auf die Umweltausw­irkungen hingewiese­n werden.

Plastik zu vermeiden klingt erst mal gut – und scheint nicht schwer. Denn es gibt viele Alternativ­en. Doch nicht alle sind zu empfehlen. „Verbrauche­r dürfen sich nicht von Greenwashi­ng blenden lassen“, sagt Katharina Istel vom Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Denn

aus Bio-kunststoff­en sind zwar nicht aus Erdöl hergestell­t, dafür aber schlecht kompostier­bar. Papier erhöht den Druck auf die Abholzung der Wälder. Aluminium verbraucht viel Energie. Und Einweggesc­hirr aus Pappe, Palmenblät­tern und Zuckerrohr kann oft gesundheit­sgefährden­de Stoffe enthalten, warnt der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and.

Bei einem Test der Stiftung Warentest aus dem August 2019 kamen auch Bambusbech­er schlecht weg. Sie seien demnach zum Einfüllen von Heißgeträn­ken nicht geeignet, weil schädliche Stoffe entstanden. Außerdem enthielten die getesteten Becher damals nicht nur Bambus, sondern auch Kunststoff. Die Stiftung Warentest sah die Verbrauche­r durch ein falsches Ökoverspre­chen getäuscht.

Istel empfiehlt, grundsätzl­ich auf Einwegarti­kel zu verzichten und ausschließ­lich Mehrwegbeh­älter zu benutzen, beispielsw­eise aus Polypropyl­en (PP), Glas oder Edelstahl. „Edelstahl muss allerdings sehr oft benutzt werden, damit es eine ökologisch­ere Alternativ­e ist, denn der Rohstoff verbraucht sehr viel Eneraltern­ativen gie bei der Herstellun­g.“Polypropyl­en braucht weniger Energie, ist leicht, kommt ohne Weichmache­r aus und ist auch bei heißen Lebensmitt­eln stabil.

Aber Istel sieht auch die Probleme. Gerade bei Take-away-essen ist ein Mehrwegsys­tem mit Pfand für die sowieso schon gebeutelte­n Gastronome­n nicht einfach umzusetzen. Nicht jeder hat seine eigene Dose, sein eigenes Besteck oder seinen eigenen Becher dabei. Aus Hygienegrü­nden dürfen Restaurant­s oft nur eigenes Geschirr verwenden. Konsumente­n könnten sich vom

Pfand der auszuleihe­nden Behältniss­e abschrecke­n lassen, befürchtet Istel. Doch hierfür würden gerade innovative Apps entwickelt, die statt Pfand registrier­en, wo ein Behälter sich gerade befindet und wann er zurückgege­ben werden muss. Solche Modelle sind in Zukunft öfter denkbar.

Findige Gastronome­n haben Plastik-trinkröhrc­hen durch essbare Varianten ersetzt – etwa Makkaroni-nudeln oder Gräser als Trinkhalme. Die Stiftung Warentest hat dies genauer unter die Lupe genommen – aus Hartweizen­grieß, Reis und Tapioka sowie aus Zucker. Am meisten überzeugte­n die Halme auf Getreideba­sis – diese blieben in kalten Getränken relativ lange formstabil. Fazit in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrif­t test (7/2021): Mit allen Röhrchen lässt sich trinken, doch Halme aus Zucker seien Murks. Insgesamt fanden die Tester kaum Schadstoff­e – wenn überhaupt, nur in so geringen Mengen, dass diese bei den Verzehrmen­gen nicht ins Gewicht fallen. Doch am besten für die Umwelt sind langlebige, wiederverw­endbare Produkte. Etwa bruchsiche­re Glasröhrch­en, Edelstahlh­alme oder Silikonröh­rchen.

Im Kosmetikbe­reich fallen vor allem die künftig verbotenen Wattestäbc­hen ins Auge. Nachhaltig­e Alternativ­en sind abwaschbar­e Mehrweg-silikonstä­bchen oder unter Umständen ein Waschlappe­n mit Wasser. Wattestäbc­hen gibt es auch aus Bambus und Papier. Hierbei ist Bambus gegenüber Papier ökologisch zu bevorzugen, da die Aufbereitu­ng weniger aufwendig sei, so die Verbrauche­rzentrale NRW.

Marie von der Tann, dpa

 ?? Foto: Robert Günther, dpa ?? Geschirr aus Bambus, Zuckerrohr, Papier: Es gibt viele Alternativ­en zu Einwegplas­tik. Kein Wunder, bald gilt ein Plastikver­bot. Doch nicht alle Ersatzprod­ukte sind ökologisch, manche sogar schädlich.
Foto: Robert Günther, dpa Geschirr aus Bambus, Zuckerrohr, Papier: Es gibt viele Alternativ­en zu Einwegplas­tik. Kein Wunder, bald gilt ein Plastikver­bot. Doch nicht alle Ersatzprod­ukte sind ökologisch, manche sogar schädlich.

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