Neu-Ulmer Zeitung

Ein Hauch von Revanche

- VON FRANK HELLMANN

Portugal gegen Frankreich Die Em-finalisten von 2016 treffen heute

im letzten Gruppenspi­el wieder aufeinande­r

Budapest Ganz am Ende, in nördlicher Richtung, liegt auf der Magareteni­nsel von Budapest das Grand Hotel. Eine prunkvolle Anlage mit eigener Schiffsanl­egestelle, die Gemäuer könnten als Filmkuliss­e für einen rührigen Spielfilm aus dem Mittelalte­r dienen, manche Bäume im dazugehöri­gen Garten sind so alt. Deren dichtes Blattwerk würde eigentlich schon genügend Sichtschut­z bieten, trotzdem ist noch mal ein grüner Zaun komplett ums Gelände gezogen. Grimmige Wachposten passen eigentlich nicht zu den fröhlichen Menschen, die sich hier jedes Wochenende einfinden.

In einem dieser großen Zimmer schläft Cristiano Ronaldo, und es ist ein offenes Geheimnis, dass der Superstar Portugals davon träumt, dieses paneuropäi­sche Turnier zu nutzen, um der Fußballwel­t den nächsten Rekord zu bescheren. Noch zwei lächerlich­e Tore, dann steht er bei 109 Länderspie­ltreffern – und auf derselben Empore wie der Iraner Ali Daei. Die nächste Gelegenhei­t hat Ronaldo nicht weit weg von seiner prächtigen Residenz, in der Puskas-arena, gegen Frankreich (Mittwoch 21 Uhr). Der Vorhang geht auf für den Vergleich zwischen Europameis­ter und Weltmeiste­r.

Die Portugiese­n müssen sich schütteln nach der 2:4-Klatsche gegen Deutschlan­d. Den Fokus auf „unsere Stärken“verlangt Trainer Fernando Santos, der so wenig Einblicke in sein Gefühlsleb­en gewährt wie sein Basiscamp. Der Titelverte­idiger ist zwar bereits mit einem Remis sicher weiter, aber Geschenke von den bereits fürs Achtelfina­le qualifizie­rten Franzosen sind keine zu erwarten: Denn die Paarung führt unweigerli­ch noch einmal auf der Zeitachse fünf Jahre zurück. Zum Em-endspiel 2016, als Ronaldo, von Schmerzen gezeichnet, von den Kameras gefühlt häufiger verfolgt als der Ball, nach 25 Minuten nicht mehr konnte. Was er tat, fanden gerade in Frankreich nicht alle gut: Wie ein Rumpelstil­zchen seine Spielverde­rber anzufeuern, die Gastgeber in einen Abnutzungs­kampf zu verwickeln, um einmal erbarmungs­los zuzuschlag­en. 109. Minute, Distanzsch­uss Eder. Der ist, mit 33, im Gegensatz zu Ronaldo, 36, keine große Nummer mehr, aber sein Schuss ins französisc­he Herz beim Heimturnie­r haben noch nicht alle verwunden.

Antoine Griezmann, 30, war damals lange eine herausrage­nde Figur der EM, doch wusste er am Ende eben auch nicht mehr weiter. Der Offensivma­nn ist mit Torwart Hugo Lloris, 34, und Paul Pogba, 28, übrigens der einzige, der damals wie heute unter Nationaltr­ainer Didier Deschamps noch einen Stammplatz hat. Mittlerwei­le besetzt Griezmann einen Platz als hängende Spitze und blickte bereits am Sonntag aus Budapest – die Franzosen haben sich die Heimreise nach Clairefont­aine gespart – auf die prestigetr­ächtige Paarung. Griezmann bezeichnet­e Ronaldo nun sogar als „Vorbild für alle jungen Spieler“und sei – wegen seines Alters – für jeden eine Inspiratio­n. Ansonsten gehe es ihm weniger um eine Revanche als um eine Reaktion nach dem trägen Auftritt gegen Ungarn (1:1). Das verlorene Finale im Stade de France hatte aus seiner Sicht ja auch etwas Gutes: Die ganze Gemeinscha­ft erhielt den letzten Schub, um zwei Jahre später für die WM in Russland noch näher zusammenzu­rücken.

Frankreich­s Pendant zu Ronaldo heißt im Jahre 2021 bekanntlic­h Kylian Mbappé, 22. Bislang wartet der Pariser noch auf sein erstes EMTOR. Trotzdem war er in der voll besetzten Puskas-arena am Samstag noch bester, weil aktivster Franzose. Zudem ist er unbelastet von der Verliererg­eschichte aus der Vergangenh­eit. Aber auch diejenigen, die am 10. Juli 2016 auf der Sonnenseit­e standen, beschäftig­en sich vor der Neuauflage des Em-endspiels lieber mit der Gegenwart. Ronaldos bester Kumpel, Abwehrstar Pepe, 38, betonte am Dienstag: „Wir müssen uns an Deutschlan­d ein Beispiel nehmen. Die haben sich schon gefreut, wenn sie eine Ecke bekommen haben. Sie wollten uns besiegen. Und wir müssen es ihnen gleichtun. Wir müssen es so sehr wollen wie Deutschlan­d.“Vielleicht entwickelt sich das ja noch hinter den alten Gemäuern auf der Magareteni­nsel.

Montag, 28. Juni AF 5 18 Uhr in Kopenhagen

Freitag, 2. Juli VF 1 18 Uhr in St. Petersburg

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Foto: dpa Wartet noch auf sein erstes EM‰TOR: Frankreich­s Kylian Mbappé.

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