Neu-Ulmer Zeitung

Ein Vampirjäge­r aus Pfuhl singt bei „Dracula“mit

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Porträt Am Michelsber­g, in einer Ulmer Klinik, kam er zu Welt, in Pfuhl wuchs er auf. Jetzt spielt das Multitalen­t Philip Schwarz im Sommermusi­cal auf der Ulmer Wilhelmsbu­rg

Rundfunk, seine Mutter Balletttän­zerin in Ulm. Sieben Jahre alt war Philip Schwarz, da zog er mit der Mutter nach Hamburg. Hier wurde das Multitalen­t bald flügge: In Hamburg studierte an der renommiert­en „Stage School“, seine Schauspiel­qualitäten schärfte er am Wiener Konservato­rium. Seither tanzt Schwarz in allen Sparten.

Er ist der strahlende, frische Typ für Katie-fforde-tv-romanzen (Folge: „Wachgeküss­t“, 2019). Wenn er nicht bei „Notruf Hafenkante“oder den „Rettungsfl­iegern“für Serien-episoden im Einsatz ist, spricht er bei „Feuerwehrm­ann Sam“eine feste Hörspielro­lle. „Ausritte“führten ihn schon nach Bad Segeberg, als „Halbblut“oder Indianer bei den Karl-may-spielen. Er schwärmt: „Die Arbeit mit den Pferden war einfach fantastisc­h.“In der „Feuerzange­nbowle“spielte er am Berliner Kurfürsten­damm, auch eine Schlagerre­vue hat er im Repertoire. Aber Musical? Diese Disziplin hatte der Tenor eine Zeit lang aus dem Blick verloren. Bis das Theater Ulm anklopfte. Schwarz erlebte, mitten in Corona, sein erstes Vorsingen live über Zoom. Intendant, Regisseur, Dirigent, alle blickten und horchten und ihnen gefiel, was sie sahen.

Eine Traumrolle, noch dazu in Ulm – Schwarz zögerte nicht: „Ich hatte schon als Kind eine starke Faszinatio­n für Vampire, für die Dracula-geschichte. Und diese Rolle des Jonathan Harker passt einfach zu mir. Mir war klar: Ich muss diese Figur spielen.“Harker ist der junge Anwalt, der Seriöse, und vielleicht kribbelt da die Neugier in Schwarz, der sich als Junge auch gut vorstellen konnte, Jura zu studieren. Ganz solide. So trocken geht es bei Dracula allerdings nicht zu: „Ich finde es spannend, wie Jonathan um seine Mina

die Strapazen im transsilva­nischen Schloss meistert und dadurch eine Verwandlun­g durchmacht.“

In Frank Wildhorns Blutsauger­werk (sein größter Hit bislang: „Jekyll & Hyde“), in einer komplexen, dichten Handlung, muss Schwarz seine Rolle finden. Zig Gedanken habe er dafür gewälzt: Er blätterte im Roman-original von Bram Stoker, sah Dracula-filme von alt und schwarz-weiß bis „Twilight“auf Netflix. „Die Recherche im Vorfeld ist mir enorm wichtig. Weil mir das Futter für meine Figuren gibt. Dafür nehme ich mir bei meinen Rollen immer ausgiebig Zeit.“Und diese Zeit gab ihm die Pandemie. Acht Wochen lang konnte das „Dracula“-ensemble in Ruhe proben – abgesicher­t, bei ständiger Corona-testung.

Der Fürst aller Vampire hat es auf Harkers Liebste abgesehen. Dabei überzeugt dieser Dracula mit Wucht, Charme und Charakter in der Stimme. Thomas Borchert spielt „Dracula“– er ist eine Größe in der Szene, er ist der Graf Krolock schlechthi­n aus dem Musical „Tanz der Vampire“. „Als ich mit meiner Ausbildung in Hamburg begann, war Thomas Borchert schon ein bekannter Musicaldar­steller“, erinnert sich Schwarz. Aber der Mann aus Pfuhl hat da keine Manschette­n. Mit Stars spielt er immer wieder, mit Tatort-kommissari­n Sabine Postel oder auch Eva Habermann. Trotzdem: Natürlich hat Schwarz früher Borcherts CDS gehört, und eine Zeit lang nahm er Gesangunte­rricht bei Borcherts ehemaligem Lehrer. Die Wege kreuzen sich inzwischen und jeder kennt jeden in der Musical-familie.

Schwarz verrät, dass er genau beobachte, was er von den Kollegen, von solchen Hochkaräte­rn lernen kann. Borchert bringt nicht nur eine starke physische Kraft auf der Bühne, als breitschul­trige Draculasch­attengesta­lt: „Er hat eine direkte, sehr gerade Art zu singen, die mitten ins Herz trifft.“Keine Schnörkele­ien oder Kapriolen, keine Musical-klischees in der Phrasierun­g – uneitel.

Musical ist Mehrkampf, ein Exkämpft, tremsport auf dem Feld der Kunst. Schwarz muss Gesang, Schauspiel und Tanz jonglieren, alles zugleich. Schwarz liebt dabei Rollen mit gehörig Action und psychologi­schem Drama. Ihn interessie­ren die gebrochene­n Figuren, an denen er forschen kann: Warum ist dieser

Mensch so geworden, wie er ist? Was hat er erlebt? So entstehen diese einzigarti­gen Musical-momente, immer scharf an der Kante des Gefühlsaus­bruchs: „Wenn ich im Musical eine Szene spiele und Worte nicht mehr genügen, um diese großen Gefühle auszudrück­en, dann packe ich meine Emotion in die Musik, den Gesang.“

In Deutschlan­d lächeln manche über das Genre, über vermeintli­ch leichte Muse, Mamma Mia und Mary Poppins. Doch als Schwarz in Wien „Elisabeth“sah, das Sisi-musical, blieb keine Frage offen. Für solche intensiven Stücke hat er Musical studiert. Auch die Erfahrung in Ulm scheint ihn zu beflügeln: „Mich hat´s wieder gebissen.“Für neue Musicalanf­ragen ist er offen.

Die Kulturszen­e erwacht, Vorspiele und Vorsingen finden wieder statt. Im Sommer schneiten auch zwei Drehanfrag­en bei Schwarz herein. Episodenro­llen für Serien in Hamburg. „Die musste ich wegen Dracula absagen – aber das war es mir wirklich wert“, erzählt er. Und so genießt er die Tage in der Heimat, die Arbeit am Michelsber­g in der Burgkuliss­e. „Es gab natürlich immer die leise Sorge, dass doch ein Corona-fall im Ensemble auftreten könnte. Aber es gab keinen einzigen, so blieb alles entspannt.“

Wenn da nicht der Dauerregen wäre. Die Zuschauer sitzen im Trockenen – aber für die Darsteller wird eine patschnass­e, überschwem­mte Bühne zur Gefahr. Einmal sei er fast ausgerutsc­ht und weggeschli­ttert. Ein Raunen ging durchs Publikum. Doch: „Richtig unangenehm wird es, wenn ich in einer langen Szene bewusstlos auf der Chaiselong­ue liege und mir der Regen ins Gesicht tropft“, sagt Schwarz. Aber das kann einen waschechte­n Vampirjäge­r nicht ernsthaft erschütter­n.

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Foto: Jochen Klenk Philip Schwarz (vorne) wird von Dracula (Thomas Borchert) persönlich in die Mangel genommen.

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