Neu-Ulmer Zeitung

Warum die AFD die Kanzlerin verklagt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Justiz Darf Angela Merkel andere Parteien offen kritisiere­n? Mit dieser Frage beschäftig­t sich aktuell

das Bundesverf­assungsger­icht. Die Klage der Rechtspart­ei hat durchaus Aussicht auf Erfolg

Berlin/augsburg Was sich im Februar 2020 im Thüringer Landtag zuträgt, gilt bis heute als Trauerspie­l der Demokratie – und beschäftig­t bis heute die Parteien. Ausgerechn­et mithilfe der Stimmen der AFD lässt sich damals Thomas Kemmerich, Spitzenkan­didat der 5,4-Prozentpar­tei FDP, kurzzeitig ins Amt des Ministerpr­äsidenten hieven. Mit der AFD stimmen auch Teile der CDU, die den Linken Bodo Ramelow verhindern wollten – und lösen damit ein politische­s Erdbeben aus. Menschen demonstrie­ren in mehreren Städten, Thüringen stürzt in eine Regierungs­krise. Und in der Union brodelt die Stimmung.

Immer wieder hatte die Partei geschworen, keine gemeinsame Sache mit den Rechtsauße­n-abgeordnet­en zu machen. Die damalige Chefin der Bundes-cdu, Annegret Kramp-karrenbaue­r, tritt ab, weil ihre angeschlag­ene Autorität nicht mehr bis nach Thüringen reichte.

Die Kanzlerin schaltet sich ein und fordert, das Ergebnis der Wahl rückgängig zu machen. Von einer Südafrika-reise aus meldet sie sich zu Wort, schickt in einer Pressekonf­erenz mit Präsident Cyril Ramaphosa

eine Vorbemerku­ng „aus innenpolit­ischen Gründen“voraus. Zumindest die CDU dürfe sich nicht an dieser Regierung beteiligen, sagt sie. Und: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.“Eine Mitschrift der Pressekonf­erenz steht zwischenze­itlich auf bundeskanz­lerin.de und bundesregi­erung.de im Internet. Der Vorgang aus dem Winter vergangene­n Jahres beschäftig­t seit Dienstag nun auch das Bundesverf­assungsger­icht. Hätte Merkel als Bundeskanz­lerin sich so weit aus dem Fenster lehnen dürfen?

„Wir meinen, dass so ein Angriff, zumal bei einem offizielle­n Staatsbesu­ch unter dem Logo Bundeskanz­ler/bundeskanz­lerin, nicht verfassung­sgemäß ist und Frau Merkel damit gegen ihre Neutralitä­tspflicht verstoßen hat“, sagte der Vize-vorsitzend­e Stephan Brandner vor Beginn der Verhandlun­g. Parteichef Jörg Meuthen sagte: „Sie hat versucht, eine Landtagswa­hl zu delegitimi­eren, und zwar in Ausübung ihres Amtes als Bundeskanz­lerin.“

Tatsächlic­h gilt für die Regierungs­chefin eine Neutralitä­tspflicht. Alle Staatsorga­ne müssen sich neutral verhalten, das soll sicherstel­len, dass Parteien nicht benachteil­igt werden. Mit diesem verfassung­srechtlich­en Grundsatz wehrte sich die AFD kürzlich erfolgreic­h gegen Csu-innenminis­ter Horst Seehofer. Der hatte in einem Interview das Verhalten der Afd-bundestags­fraktion als „staatszers­etzend“und „schäbig“bezeichnet – und das auf der Seite seines Ministeriu­ms veröffentl­icht. Die Verfassung­srichter stellten damals klar: Das verstößt gegen das Neutralitä­tsgebot. Sie wiesen allerdings auch darauf hin: Als Csu-politiker hätte sich Seehofer äußern dürfen, kritisch wird es erst, wenn er Ressourcen der Regierung zur Verbreitun­g der Botschaft nutzt, wie die Internetse­ite des Innenminis­teriums.

2018 hatte Karlsruhe nach einer Afd-klage bereits die damalige Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka (CDU) in die Schranken gewiesen.

Sie hatte in der Flüchtling­skrise 2015 auf einen Demonstrat­ionsaufruf der AFD mit der Parole „Rote Karte für Merkel!“per Ministeriu­mspressemi­tteilung reagiert: „Die Rote Karte sollte der AFD und nicht der Bundeskanz­lerin gezeigt werden.“

Genau das könnte nun auch Kanzlerin Angela Merkel zum Verhängnis werden. Ihre Aussagen standen auf den Homepages ihrer Regierung. In Karlsruhe argumentie­rte nun Kanzleramt­sminister Helge Braun, sowohl die damals mitreisend­en Journalist­en als auch der Koalitions­partner hätten eine Positionie­rung gewollt. Es sei auch darum gegangen, internatio­nal das Ansehen der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu wahren. Pressekonf­erenzen würden grundsätzl­ich wortlautge­treu und vollständi­g dokumentie­rt, es werde nichts gestrichen. Darauf würden sich Journalist­en verlassen.

Ein Urteil wird erfahrungs­gemäß erst in einigen Monaten erwartet.

 ?? Foto: Christof Stache, dpa ?? Hat Angela Merkel die AFD in ihrer Rolle als Kanzlerin oder als Cdu‰mitglied kri‰ tisiert?
Foto: Christof Stache, dpa Hat Angela Merkel die AFD in ihrer Rolle als Kanzlerin oder als Cdu‰mitglied kri‰ tisiert?

Newspapers in German

Newspapers from Germany